Autor Thema: Neuer Fall in NRW?  (Gelesen 3127 mal)

Offline locastan

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Neuer Fall in NRW?
« am: August 19, 2022, 08:41:07 Vormittag »
Hallo,

im AKM Forum postete jemand den Link zu dieser Pool Geschichte:

https://www.derwesten.de/region/nrw-neuss-sternschnuppe-weltall-wuenschen-pool-id236187239.html

Hat jemand was davon gehört?

Gruß Mario.

Offline karmaka

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #1 am: August 19, 2022, 09:56:25 Vormittag »
Ein Video auf RTL News sagt alles.  :platt:

Grüße

Martin

Offline lithoraptor

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #2 am: August 19, 2022, 11:03:19 Vormittag »
Moin!

Ich halte es für völligen Unsinn. Bei Schnuppenschauern kommt doch nichts makroskopisch Sichtbares unten an. Das eintretende Material ist schlicht zu klein. Selbst wenn es zu einem Meteoritenfall gekommen sein sollte, wie sollte denn der, in den mit Wasser gefüllten Pool, fallende Stein diesen Schaden verursacht haben? Die Fallgeschwindigkeit wird durch das Wasser sofort abgebremst. Naja und die Temperatur des Stückes?! Wie war das mit der Ablation und der Aufheizung? Geglüht hat da nichts und selbst wenn es heiß gewesen sein sollte, dann kühlt das Wasser das doch sofort wieder runter.

Bleiben der Schaden im Pool und ein paar kleine Steine, die vom Magneten angezogen werden und in der Filteranlage des Pools gefunden wurden. Ich gebe gerne zu, dass die durchaus meteoritisch aussehen. Aber diese Winzlinge können den Schaden nicht verursacht haben und ein größerer Stein wurde nicht gefunden. Die Story ist für mich so nicht stimmig und meine Alarmglocken schrillen schon wieder…

Hier gleich nochmal der direkte Link zur RTL-Seite mit Video: https://www.rtl.de/cms/perseiden-2022-in-neuss-schlaegt-eine-sternschnuppe-in-den-pool-eines-paares-ein-5002356.html

Gruß

Ingo

P.S. Wie unbedarft in der Presse mit den Begriffen „‚Astronom“ und „Astrologe“ umgegangen wird, finde ich doch sehr bedenklich und bildungsstörend.

Offline ganimet

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Daß alles vergeht;weiß man schon in der JUGEND;
aber wie schnell alles vergeht,erfährt man erst im ALTER.

Offline hugojun

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #4 am: August 20, 2022, 10:53:40 Vormittag »
Einfach nur peinlich...... :dizzy:

https://www.t-online.de/region/duesseldorf/id_100040922/familie-betroffen-sternschnuppe-zerstoert-offenbar-pool-.html

Warum peinlich?

Die Familie tut alles, um die Sache aufzuklären.


Das solch ein Steinchen nicht den Boden des POOL ruinieren kann, wissen ja nur die Spezialisten hier im Forum.

Möglichkeiten für den Schaden gibt es viele.

Die Familie sucht nur nach Erklärungen.

Wenn die Untersuchung in die richtigen Hände kommt, werden wir eine Erklärung bekommen.

Das würden wir doch alle dieser Familie empfelen , oder?

LG
Jürgen
« Letzte Änderung: August 20, 2022, 11:27:51 Vormittag von hugojun »

Offline Flo

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #5 am: August 28, 2022, 22:08:17 Nachmittag »
Hallo!

Ich denke, es gibt gute Hoffnung, herauszubekommen, was tatsächlich hinter diesen Steinchen steckt. Die richtige Expertise (ernst gemeint) ist schon fleißig am werkeln !?

Aber zwei Dinge sind mir bei dieser Story zunächst wieder mal etwas sauer aufgestoßen, die bei jedem "sensationellen" Fall bzw. Fund immer wieder zu beobachten sind:


1. Die Medien machen aus Vermutungen SEHR schnell Tatsachen. Ihre Berichte sind gespickt mit Halbwissen, das auch ein Laie mit ein paar vernünftigen Überlegungen anzweifeln könnte: Welche Temperatur müsste denn ein Steinchen (Meteorit noch nicht einmal in Betracht gezogen) haben, damit es trotz Abkühlung durch Wasser in dieser Tiefe noch ein Schmelzen der Bodenwanne bewirkt?

2. Fast noch schneller finden sich sog. "Experten", die die Authentizität eines Meteoriten bestätigen. Und wenn es sich hier um den Leiter einer Sternwarte oder eines geologischen Instituts o.ä. handelt und nicht um einen "Astrologen" (*hüstel*), dann sollte gerade er vor der Kamera mit Schnellschüssen etwas zurückhaltend sein, da man gerade bei dieser Personengruppe ja davon ausgehen dürfte, dass er über ein grundlegendes Basiswissen über Meteoriten und Meteoritenfälle verfügt.

Aber das erlebt man ja immer wieder... Mit dem Fund des "glänzenden Meteoriten" in einem Bach ist ja auch nicht mehr viel herausgekommen, obwohl die Geschichte anfangs ja ziemlich hochgekocht wurde.
Auch ein schon etwas länger zurückliegendes Ereignis (August 2000) aus meinem näheren persönlichen Umfeld, das in der lokalen Presse ziemlich präsent war, als ein gewisser Herr Dr. Dr. med. T. aus Plattling einen Meteor auf sich zurasen sah und sich dann "im letzten Moment" durch einen Hechtsprung beiseite rettete, bevor der Stein neben ihm im seinem Blumenbeet stecken blieb. Auch in dieser Geschichte wurde ein Brocken aus dem Perseiden-Schwarm gemutmaßt. :bid: Zum Glück blieb er nicht in seinem Kopf stecken, obwohl er da wohl nicht recht viel angerichtet hätte, denn besagter Herr verlor kurze Zeit zuvor einen seiner beiden Doktortitel wegen Betrugs in einer anderen Geschichte. Da wird man den Eindruck nicht los, dass es den meisten Personen immer nur um Publicity geht!


Aber zurück zum aktuellen Fall:
Mich würde hier nur eine theoretische Überlegung interessieren: Unabhängig von der Unmöglichkeit eines thermischen Schadens am Poolboden, was schätzt ihr, ab welcher Restmasse würde zumindest ein mechanischer Schaden am Grund (ausgehend von einer Tiefe von 1 bis 1,5m) im Bereich des Möglichen sein? Ich hätte jetzt mal so 2 bis 3 kg bei einem Steinmeteoriten angesetzt. Was denkt ihr?

Flo
« Letzte Änderung: August 28, 2022, 22:33:28 Nachmittag von Flo »

Offline locastan

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #6 am: August 29, 2022, 10:15:51 Vormittag »
Hi Flo,

das hat mich auch interessiert. Zumindest ansatzweise Berechnungsgrundlagen findet man hier:
https://henry.baw.de/bitstream/handle/20.500.11970/102940/mb50_Kniess.pdf

Hier wurde die Fallenergie und Geschwindigkeit von Gestein gemessen das ins Wasser gekippt wird. (Zur abschätzung von eventuellen Beschädigungen an Uferbefestigungsgewebe etc.)
Ich hatte aber noch keine Zeit konkret weiter damit zu spielen. :)

Gruß Mario.

Offline Flo

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #7 am: August 30, 2022, 22:35:40 Nachmittag »
Hallo Mario!

Interessanter Beitrag. Soweit ich das jetzt überflogen habe, werden die Steine in dem Aufsatz erst unter Wasser in Bewegung gesetzt.

Angenommen, so ein Stein trifft mit 300 km/h auf die Wasseroberfläche, ab welcher Tiefe würde er so stark abgebremst sein, dass er keinen Schaden mehr anrichtet?

Ich hätte ja gute Lust, das an meinem Pool auszuprobieren, aber ich kriege die Beschleunigung auf 300 km/h mit meinen Muskeln einfach nicht hin!  :einaugeblinzel:


Nein, im Ernst, ich habe jetzt mal mein Simulationsprogramm ImpactSim so umprogrammiert, dass es auch mit der Dichte von Wasser arbeiten kann und ein paar Simulationen gestartet.

Verwendete Parameter:
Dichte des Körpers: 3500 kg/m³ (entspricht in etwa einem Steinmeteoriten)
Dichte Medium (Wasser): 1000 kg/m³
Strömungs-Widerstandsbeiwert: 1,0
Anfangsgeschwindigkeit: 300 km/h
Wasstertiefe: 1,5 m
Masse: variabel

Ergebnisse (Endgeschwindigkeit in 1,5 m Tiefe):
1 kg: 13,7 km/h
2 kg: 23,8 km/h
3 kg: 32,2 km/h
4 kg: 39,1 km/h
5 kg: 45,1 km/h
6 kg: 59,2 km/h
7 kg: 54,8 km/h
8 kg: 58,9 km/h
9 kg: 62,6 km/h
10 kg: 66,0 km/h

15 kg: 79,7 km/h
20 kg: 89,8 km/h
50 kg: 122,9 km/h
75 kg: 137,4 km/h
100 kg: 147,5 km/h

So, das sollte mal für den Anfang reichen. Wenn man Lust hat, kann man jetzt noch Impuls und Energie berechnen.
Im Anschluss kann man mal spekulieren, ab wann eine Beschädigung auftritt. Das kommt nun sicherlich auf das Material der Bodenwanne (Kunststoffart, Dicke, evtl. Fliesen, Folie mit Flies-Schicht darunter) und die Beschaffenheit des Fundaments (gestampfter Untergrund, Beton, usw.) an.

Aber wenn man sich die Endgeschwindigkeiten ansieht, dann könnte es in blöden Fällen tatsächlich ab 2 bis 3 kg zu mechanischen Schäden kommen.


Und zu guter Letzt: Zum Vergleich habe ich jetzt mal für so ein Steinchen (großzügige) 25 g angenommen. Endgeschwindigkeit in 1,5 m Tiefe: 4,1 km/h
« Letzte Änderung: August 30, 2022, 23:04:59 Nachmittag von Flo »

Offline bolidechaser

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #8 am: November 28, 2022, 11:49:09 Vormittag »
Es hat sehr lange gedauert, bis mir Herr Roßkothen aus Neuss einige
der kleinen Fragmente zur Untersuchung geschickt hat, die angeblich
am 13. 8. 2022 den Hochtemperatur-Schaden am Boden seines Pools
erzeugt haben sollen.

Inzwischen konnte ich die winzigen Gesteinssplitter untersuchen.
Das Ergebnis überrascht uns alle nicht. Was ich Herrn Roßkothen
geantwortet habe, fasse ich hier mal zusammen:

Meiner Einschätzung nach kann der Schaden in Ihrem swimming
pool (der zufälligerweise zur Zeit des Maximums des Perseiden-
Sternschnuppenstroms entstanden ist) nichts mit einem Meteoritenfall
zu tun haben.

1. kommt Material von Perseiden-Meteoroiden niemals am Erdboden an,
weil es halt kometarische Materie ist und eine viel zu geringe Dichte hat.
Dieses Material wird, selbst bei Massen der Kometenbruchstücke von
mehreren Zentnern oder Tonnen, schon in der Hochatmosphäre unserer
Erde komplett aufgerieben.

2. würde ein echter (Gesteins-) Meteorit dieser kleinen Masse am Pool-
Boden auf gar keinen Fall einen Hochtemperatur-Schaden erzeugen.
Meteorite landen auf der Erde nicht als heiße oder glühende Objekte,
sondern sind bestenfalls lauwarm bis warm (bis max. ca. 50°C).
Weiterhin würde solch ein kleiner, rundlicher Körper vom Wasser stark
abgebremst und zu Boden schweben. Hierzu eine kurze, beispielhafte
Erläuterung wie stark Projektile im Wasser abgebremst werden:
LINK
 
Eine 357er Magnum bringt es immerhin auf eine Austrittsgeschwindigkeit des
Projektils von ca. 350 m/s. Die Kugel schafft es im Wasser nur ca. 2 Meter weit.
Dagegen treffen kleinere Meteorite in Bodennähe mit gerade mal etwa 50 m/s
auf und würden noch sehr viel schneller im Wasser abgebremst!

Soweit zunächst einmal die theoretischen Überlegungen. Aber da wir Wissen-
schaftler ja ergebnisoffen forschen, habe ich Sie gebeten, mir die kleinen Frag-
mente aus dem Sieb Ihres Pools zur persönlichen Untersuchung zuzusenden.

3. Ich habe die kleinen Bruchstücke von 98 mg, 58 mg, 28 mg, 24 mg und 6 mg
augenscheinlich, mikroskopisch und physikalisch untersucht und komme zu dem
eindeutigen Schluss, dass dieses Material nicht meteoritischen Ursprungs ist.
Vielmehr handelt es sich um irdisches Gesteinsfragmente, die teilweise Quarz-
körner und zum Teil etwas Magnetit enthalten: daher rührt die ferromagneti-
sche Reaktion einiger Bruchstücke.

Der Treffer durch einen Meteoriten ist also keine sinnvolle Erklärung für den
Schaden in Ihrem swimming pool.


Anmerkung 1:
Die Versicherung hat meinen Informationen zufolge den Poolschaden
jedenfalls bezahlt und geht - inoffiziell - von einem Meteoritentreffer aus,
"weil es keine andere plausible Erklärung für die Beschädigung" gäbe.

Anmerkung 2:
Ferromagnetisch (und auch das nur ganz schwach) reagierten nur die zwei
Fragmente rechts auf dem Scan.

Viele Grüße

Dieter

Offline Wunderkammerad

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #9 am: November 28, 2022, 16:51:37 Nachmittag »
Super Arbeit, Dieter. Auch wenn die Wahrheit offenkundig ist - sie nachvollziehbar und Schritt für Schritt schlüssig darzulegen, macht dann doch, wie es Karl Valentin schon für die Kunst postuliert hat, jede Menge Arbeit.

Offline Sikhote

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #10 am: November 30, 2022, 00:45:37 Vormittag »
 :super:
Super Arbeit, Dieter. Auch wenn die Wahrheit offenkundig ist - sie nachvollziehbar und Schritt für Schritt schlüssig darzulegen, macht dann doch, wie es Karl Valentin schon für die Kunst postuliert hat, jede Menge Arbeit.

 :super: Danke, Dieter

Offline lithoraptor

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Re: Neuer Fall in NRW?
« Antwort #11 am: November 30, 2022, 04:22:07 Vormittag »
Moin!

Vielen Dank für die Info, Dieter. Ein sehr schöner Schlussstrich unter diese abstruse Geschichte. Wenn ich mir die das Material so ansehe, dann würde ich einige davon als „ein Stück Beton“ ansprechen.

Gruß

Ingo

 

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