Autor Thema: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern  (Gelesen 17057 mal)

Offline rbartoschewitz

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Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« am: Oktober 18, 2009, 13:50:26 Nachmittag »
Liebe Meteoritenfreunde,

Die Diskussion „Agemour 013“ sind durch meine Beiträge inzwischen in eine ganz andere Richtung geschwenkt: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern. Aufgrund der "Themenverfehlung" öffne ich diesbezüglich einen neuen Betreff und stelle diesen Beitrag als Antwort auf „Agemour 013“ und als neues Thema „Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern“ unter beiden Betreffs ein.

Lutz hat mit seinem Beitrag den Nagel auf den Kopf getroffen! Und Martin für welchen Preis könntest du einen lunaren Meteoriten ohne die wissenschaftlichen Arbeiten verkaufen? Ohne die Wissenschaftler wüssten wir heute wahrscheinlich noch gar nicht dass es Meteorite vom Mond und Mars gibt und die meisten von den Funden würden noch heute in der Wüste liegen oder mögliche Sammler hätten sie wieder entsorgt, da es keine wissenschaftliche Bestätigung gegeben hätte, das es sich um einen Meteoriten handelt! Die Sammler und die Wissenschaftler sind eine Symbiose, die ohne einander nur sehr beschränkt arbeitsfähig sind! Es darf nicht immer nur schwarz-weiss gemalt werden – im Richtigen Leben ist es wie bei den Olivinen: Die Endglieder Fayalit und Forsterit treten nur extrem selten auf. Mit deinen „Sonntagsleviten“ hast du dich gerade auf das gleiche Niveau gestellt, auf dem die du die Wissenschaftler siehst! Ich denke, du hast es nicht so krass gemeint, wie du es geschrieben hast!

Ein weiterer Punkt, der meist nicht berücksichtigt wird, ist dass die Wissenschaftler unter „fremdgesteuertem“ Erfolgsdruck stehen, während wir Sammler lediglich unter unserem selbst auferlegten! So ist es meist nicht das „Individuum“ Wissenschaftler sondern der dahinter stehende Apparat, der „Privatforscher“ nicht mit offenen Armen aufnimmt. Die Institute investieren Millionen in Gerätschaft, Unterhalt, Steuerung, Gehälter, usw. und viele sehen es halt nicht gern, wenn Privatleute mit Erfindungsgeist, Eigeninitiative und Provisorien ihnen „Konkurenz“ machen!
 
Um das System Meteoritik zu verbessern (sowohl im Sinne der privaten als auch der wissenschaftlichen Interessen), müssten sich die Sammler viel stärker in der Meteoritical Society engagieren. Dies ist aus meiner Sicht die einzige Plattform, wo dies möglich ist. Auf der diesjährigen Meteoritical Society Tagung in Nancy habe ich nur eine handvoll Sammler getroffen! Das wichtige an diesen Tagungen sind oft nicht die Präsentationen, sondern die „Pausengespräche“. So hatte ich u.a. eine recht intensive Diskussion mit Mike Weisberg zum Thema Erhöhung des Gewichtes für Typmaterial, was zurzeit im NomCom diskutiert wird. Bei einer stärkeren Teilnahme von Sammlern könnten wir in diesem Rahmen auch entsprechende Arbeitsgespräche/Workshops einberufen, mit entsprechender Teilnahme der Wissenschaftler, so wie es in Münster bereits einen Ansatz gab, und so die Interessen der Sammler besser in dem System zu integrieren. Ich als Einzelperson kann dort relativ wenig bewirken!

Noch einen schönen Sonntag,

Rainer

Offline paragraf

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #1 am: Oktober 19, 2009, 01:09:12 Vormittag »
Hallo Rainer,

Dein Zitat: "Die Institute investieren Millionen in Gerätschaft, Unterhalt, Steuerung, Gehälter, usw. und viele sehen es halt nicht gern, wenn Privatleute mit Erfindungsgeist, Eigeninitiative und Provisorien ihnen „Konkurenz“ machen!"

So die Tatsachen, allerdings sind das alles Steuergelder, die die Institute pflichtgemäß verteilen müssen und über die sie Rechenschaft abzulegen haben. Ich wette, dass kein Institut einen Posten für den Ankauf von gefundenem Material jemals eingeplant hat. Das sollten sie aber, da die bestehende Rechtslage dem Finder je nach Bundesland 50% des Wertes zuspricht.

Das (Also der nicht eingeplante Posten) mag viell. daran liegen, dass nicht verbrauchte Haushaltsgelder dem staatlichen Zuwender nach Ablauf des Wirtschaftsjahres zurückzuzahlen sind. Das will nat. kein Institut und deshalb werden eben am Anfang des Wirtschaftsjahres auch unnötige Gerätschaften angeschafft, statt Gelder für den Ankauf von Funden bis kurz vor Ende des Wirtschaftsjahres zurückzuhalten.

Und da ist der Frust bei einem Fall groß, wenn trotz mehrfacher Expeditionen mit Studenten kein Fund gemacht werden kann und dann ein Privatmensch daherkommt, der was gefunden hat. Wenn dann keine Gelder mehr vorhanden sind, könnte das dazu führen, dass man den Finder unter Zuhilfenahme der Staatsgewalt einzuschüchtern versucht, seine Beute fallen zu lassen. Mal klappt das, mal klappt das nicht...

Alles unter dem Thema: "Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern" geschrieben...

Wenn ich ein Finder wäre, würde ich es drauf ankommen lassen!

Gruß
Bernd


Offline stollentroll

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #2 am: Oktober 19, 2009, 08:23:34 Vormittag »
Hallo,
als jemand, der an einem Institut arbeitet, muss ich dazu natürlich auch etwas sagen.

Zitat
Dein Zitat: "Die Institute investieren Millionen in Gerätschaft, Unterhalt, Steuerung, Gehälter, usw. und viele sehen es halt nicht gern, wenn Privatleute mit Erfindungsgeist, Eigeninitiative und Provisorien ihnen „Konkurenz“ machen!"
Es ist so, dass Institute bestimmte Dinge garnicht oder nicht so einfach machen dürfen, weil sie z.B. Analysen meist sehr viel billiger anbieten können als die Privatwirtschaft. Hier gibt es gesetzliche Regelungen, die die Privatwirschaft (z.B. Ingenieurbüros, Analysenlabore usw.) vor einer Konkurrenz durch Institute schützen sollen.

Zitat
So die Tatsachen, allerdings sind das alles Steuergelder, die die Institute pflichtgemäß verteilen müssen und über die sie Rechenschaft abzulegen haben. Ich wette, dass kein Institut einen Posten für den Ankauf von gefundenem Material jemals eingeplant hat. Das sollten sie aber, da die bestehende Rechtslage dem Finder je nach Bundesland 50% des Wertes zuspricht
Die finanzielle Ausstattung der meisten Institute ist sehr schlecht. Trotz ständiger Beteuerungen der Politik, die Wissenschaft zu fördern, werden bei den meisten Instituten eher die Mittel gekürzt als erhöht. Ohne Drittmittel könnten viele Institute garnicht mehr überleben. Gehälter, Geräte, Verbrauchsmaterial und Reparaturen fressen den Institutshaushalt sehr schnell auf. Gelder für den Ankauf von Sammlungsmaterial stehen da ganz hinten auf der Liste bzw. kommen erst garnicht auf die Liste. Es dürfte in Deutschland kaum ein Institut geben, dass Gelder für den Ankauf von Sammlungsmaterial einplanen kann.
Sammelexpeditionen werden übrigens nicht aus Institutsgeldern finanziert. Auch dafür wäre das Geld nicht da. Das sind Drittmittel von der DFG oder europäischen Fördereinrichtungen oder andere Quellen.
Gelder für den Ankauf von Sammlungsmaterial zu beantragen, ist ziemlich chancenlos. Solche Anträge haben keine Erfolgsaussicht. Die Leute, die über die Vergabe der Gelder entscheiden, sind nur z.T. oder garnicht vom Fach und müssen die Geldvergabe natürlich auch rechtfertigen, und da werden aus der Fülle von Anträgen die am interessantesten aussehenden ausgewählt.

Grüße,
Thomas

Offline gsac

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #3 am: Oktober 19, 2009, 12:56:53 Nachmittag »
Um das System Meteoritik zu verbessern (sowohl im Sinne der privaten als auch der wissenschaftlichen Interessen), müssten sich die Sammler viel stärker in der Meteoritical Society engagieren. Dies ist aus meiner Sicht die einzige Plattform, wo dies möglich ist.

Ich schließe mich hier Rainers Meinung an. Die Meteoritical Society ist eine für das Fachgebiet zentrale und seit Jahrzehnten auch etablierte Organisation (nicht nur) der Meteoritenwissenschaftler - mit einem Fachjournal ("Meteoritics and Planetary Science", aka MAPS) und einer jährlichen Tagung, bei der selbstverständlich auch die "Nicht-Profis" unter den Mitgliedern, also wir Sammler, teilnehmen und uns gewiß auch einbringen könn(t)en, und sei es auch "nur" durch die Workshops, durch Poster, oder durch allgemeine Lobbyarbeit am Rande der Tagungen. Hier sehe ich auch eine Organisation wie die IMCA in der Pflicht, sich ganz gezielt zu engagieren, und das wäre mein Vorschlag ans IMCA-Board, dies insgesamt weiter voranzubringen. Und zwar in einem konstruktiven Sinne für die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern und Nicht-Profis auch in der Zukunft! Was ja letztlich auch den Wissenschaftlern nutzt, die durchaus schon jetzt "in unserem Sinne" denken und auch handeln, und die in ihren Zirkeln viel besser auf jene paar Kollegen einwirken können, welche protektionistische Ziele verfolgen, als wir Nicht-Profis das jemals könnten. Wissenschaftler und Amateure (Sammler, Sucher) profitieren, wie wir schon oft festgestellt haben, gerade in dieser Zunft doch ganz besonders voneinander, fast schon in einem symbiotischen Verhältnis. Insofern macht es imho wenig Sinn, hier immer nur die "schwarzen Schafe" zu benennen, weil damit eher das Porzellan zerschlagen wird, welches man besser geordnet in eine schöne alte Vitrine stellt, wo alles seinen Platz hat und das Ensemble stimmig ist. Aber daran muß man auch - konstruktiv! - arbeiten...

Alex  

Offline paragraf

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #4 am: Oktober 20, 2009, 01:50:33 Vormittag »
Hallo Thomas,

Zitat: "Gelder für den Ankauf von Sammlungsmaterial stehen da ganz hinten auf der Liste bzw. kommen erst garnicht auf die Liste. Es dürfte in Deutschland kaum ein Institut geben, dass Gelder für den Ankauf von Sammlungsmaterial einplanen kann."

Wieso stehen diese Gelder "ganz hinten auf der Liste"? Diese Liste machen ja wohl nicht die Geldgeber, sondern immer noch die Institute als Geldempfänger! Das war ja gerade mein Kritikpunkt!

Versteh mich richtig, ich wende mich gegen diesen fehlgeleiteten Abwehrmechanismus der Akademiker, die am liebsten immer noch in Latein predigen würden, nur um Außenstehende abzuwehren.

Da hocken nun die Wissenschaftler in ihrem akademischen Netz und warten wie die Spinne auf den nächsten "Bringer", statt sich aufzuraffen und für des Steuerzahlers Geld mal etwas zu arbeiten: Beispielsweise bei Ebay nazuschaun ob sowas den Wissenschaftler nicht aus seiner Hängematte bewegen könnte:

http://cgi.ebay.de/Meteorite-NWA-xxxx-possible-type3-stone-two-halfs-31-8g_W0QQitemZ230388447746QQcmdZViewItemQQptZLH_DefaultDomain_0?hash=item35a438ba02 

(sind 2 zeilen!)

Sorry, ich erlaube mir diese Kritik, weil ich mir einbilde, auch einer von diesen zu sein

Gruß

Bernd

Offline stollentroll

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #5 am: Oktober 20, 2009, 07:12:21 Vormittag »
Hallo Bernd,

Zitat
Wieso stehen diese Gelder "ganz hinten auf der Liste"? Diese Liste machen ja wohl nicht die Geldgeber, sondern immer noch die Institute als Geldempfänger! Das war ja gerade mein Kritikpunkt!
Richtig, die Liste machen die Institute. Aber wie schon gesagt, die Finanzdecke der meisten Institute ist sehr dünn. Ohne zum normalen Haushalt zusätzlich eingeworbene Mittel könnten die meisten Institute ihren regulären Betrieb nicht einmal aufrecht erhalten.
Aus den zur Verfügung stehenden Geldern müssen Gehälter, Ausbildung der Studenten, Reparaturen, Geräte, Verbrauchsmaterial bezahlt werden. Wenn dann noch etwas übrig ist, kann man über solche Ankäufe nachdenken.
Die Institute haben einen Lehr- und Forschungsauftrag, in dieser Reihenfolge. Was meinst du, was z.B. ein Praktikum mit einer Studentengruppe von 5 - 6 Leuten an einem Nachmittag am ICP-Gerät kostet ? Das sind mehrere hundert Euro Verbrauchsmaterial. Und wir haben etwa 30 Studenten, die das machen müssen, also das ganze 5 - 6 mal.
Was denkst du was los wäre, wenn wir den Studenten sagen würden: wir haben ein paar Meteorite gekauft, aber dafür könnt ihr leider das Praktikum nicht machen .......
Neue Geräte müssen auch gekauft werden, nicht nur, um vernünftig Forschung zu betreiben, auch die Studenten müssen (oder sollten) an moderner Technik ausgebildet werden, damit sie bessere Berufschancen haben.

Es wäre schön, wenn mehr Gelder da wären ....

Grüße,
Thomas

Offline rbartoschewitz

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #6 am: Oktober 20, 2009, 07:49:24 Vormittag »
Hallo Bernd,

warum sollten Institute Meteorite kaufen? Die Aufgabe der Institute ist in der Regel die Forschungsarbeit und nicht das "Sammeln". Für ihre Arbeiten können sie sich weltweit Proben ausleihen oder bekommen die heutzutage erforderlichen mg Mengen kostenlos. Ich glaube es gibt kaum einen Wissenschaftler, in dessen Tätigkeitsbeschreibung "Sammeln und Klassifizieren" als Arbeitsaufgabe definiert ist! Trotzdem bin ich der Meinung, das institutsseitige "Expeditionen" zum Sammeln erforderlich sind, und dies geschieht ja auch in der Regel.
Du hast aus ebay ein schönes Beispiel heraus gesucht, doch warum sollte ein Institut das Material erwerden? Um Herauszufinden dass es sich vielleicht um einen LL4 handelt? Das bringt die Wissenschaft nicht weiter! Für die Wissenschaft ist es doch viel interessanter and hervoragend untersuchten Meteoriten zu arbeiten, so dass die Messergebnisse bedeutend besser interpretiert werden können!
Etwas anders sehe ich es bei den Museen, in der Regel aber auch ein kleines Budget für den Erwerb von neuen Objekten haben und hinter denen oft auch irgendwelche Mäzene oder Stiftungen stehen.

Institutsmitarbeiter sind Menschen wir du und ich, nur dass sie einen anderen Arbeitgeber haben!

Und nun einen schönen Arbeitstag,

Rainer

ironmet

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #7 am: Oktober 20, 2009, 12:18:13 Nachmittag »
Hallo Rainer,

mich würde ja erstmal interessieren wo genau Du das oder ein Problem siehst.
Wo genau arbeiten denn Wissenschaft und Sammlerschaft nicht ausreichend zusammen?
Vielleicht könntest Du das mal kurz auflisten.
Dann könnte man sich auch besser Gedanken dazu machen,was wie geändert oder besser gemacht
werden kann.

Viele Grüße Mirko

Offline Mettmann

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #8 am: Oktober 20, 2009, 14:07:21 Nachmittag »
Zitat
warum sollten Institute Meteorite kaufen?

Ojeh, da sieht man doch das Problem. Es sind die Grundlagen für die Diskussion noch nicht vorhanden.

Warum sollen die Institute wohl Meteorite kaufen? Weil sie sonst nichts haben, woran sie überhaupt forschen könnten!

Rainer, die größten institutionellen Meteoritensammlungen der Welt sind immer auch zugleich Zentren der Meteoritenforschung gewesen.

Wenn Du bitte einmal nachschauen würdest. Wien, London, Berlin, Paris, Chicago, Washington, New York, TCU, Alberta usw.usf.
Die wurden einerseits gegründet mit, andererseits setzen sich deren Sammlungsbestände und damit die Meteorite an denen sie arbeiten, zu 75-90% aus Ankäufen von Meteoritenhändler, Ankäufen von Privatsammlern, Ankäufen von privaten Findern und Eignern, privaten Stiftungen und Täuschen indirekt oder direkt mit privaten Sammlern zusammen.

Warum? Weil Meteorite zwar vom Himmel fallen, aber eben nicht in den Schoß der Forscher und Kuratoren.

Zitat
>Expeditionen" zum Sammeln erforderlich sind, und dies geschieht ja auch in der Regel

Eben leider nicht. Es gibt Antarktis und das Omanteam. Mehr gibt es doch nicht mehr. Euromet ist eingestellt.
Und bei praktisch jedem der neuen Fälle oder möglichen Fälle fährt bestenfalls, wenn überhaupt, ein rühriger Kurator hin als Privatvergnügen oder aus Leidenschaft für 1 bis wenige Tage. Meist aber nicht.
In der Sahara, dem wichtigsten Meteoritenproduktionsfeld noch weit vor der Antarktis sind überhaupt keine nennenswerten Aktivitäten der öffentlichen Seite erkennbar, Australien ist ganz tot, da dürfte die eine Euromet-Expedition von annodunnemals das letzte Großereignis gewesen sein. In USA besorgen die Meteoritensuche allein die privaten, in Russland sowieso, in der Atacama dito, in der Namib sucht keiner mehr, weil Verbot, im Oman finden das allermeiste wiedrum die Privaten in Europa die Händler und der Grau...

Aber das macht ja auch nichts.
Das war früher auch wenig anders. Seit 150 Jahren ist die Arbeitsteilung die, daß die Meteorite von den privaten gefunden und besorgt werden und die Forscher sie erwerben.

Zitat
doch viel interessanter and hervoragend untersuchten Meteoriten zu arbeiten

Nein, für die meisten Forscher ist es wohl am interssantesten an MEHR und NEUEN Vertretern der seltenen Klassen zu arbeiten und zudem absolut neuartige Meteorite zur Verfügung zu haben, als zum 300. Mal den Murchison und den Allende durch die Maschinen zu nudeln.

Und da mußt doch sehen, in was für eine GEWALTIGE Vorleistung der private Sektor gegangen ist!

Gestern hab ich in einer themenbezogenen Konversation in meiner Verzweiflung mir schon nimmer anders zu helfen gewußt,
als auf diese ursimpelste Weise klar zu machen, was großartiges geschehen ist.

Einfach rin in die Bulletin Database - seltene Klassen zufällig rausgegriffen.
(Die Antarktis aus Zeitmangel weggelassen - das ist nicht soviel, wie es scheint, durch das Feldnummernsystem haben ja manche antarktischen Rarlinge bis zu 200 Nummern - u.v. unterscheiden sie sich gegenüber den andern Funden durch die Gewichte, da sie fast alle deutlich kleiner sind als die nichtantarktischen Funde und Fitzel bis runter zu wenigen einzelnen Gramm dort aufgehoben werden können).

Habe seltene Klassen zufällig rausgegriffen, nach Jahr sortiert, und hingeschrieben, was die 1000 Jahre bis 1990 überhaupt vorhanden war und der Forschung zur Verfügung stand
und was es ab 1990 gab und gibt.

Acap/Lod

Vor 1990.          3 Meteorite
Nach 1990        34 Einträge

Rumurutiite

Vor 1990           2 Meteorite
Nach 1990       72 Einträge


Ureilite  

Vor 1990            11 Meteorite
Nach 1990        141 Einträge

CKs

Vor 1990          3 Meteorite
Nach 1990       76 Einträge


Mond - diese schon pairing-bereinigt

Vor 1990        Null Meteorite
Nach 1990       46 Meteorite


Mars - auch pairing-bereinigt

Vor 1990       7 Meteorite
Nach 1990    30 Meteorite

und das kannst mit allen durchspielen.

UND!!!   Grossomodo alle diese neuen Meteorite hat der Privatsektor gefunden und bereitgestellt! Und nicht die offiziellen Expeditionen.

Da siehst Du doch, was durch die privaten sich der Wissenschaft für unglaubliche und unverhoffte Möglichkeiten eröffnet haben.
Die Privaten haben den Gesamtweltbestand an Meteoriten in nicht mal 20 Jahren vervierfacht, verfünffacht, ach wenns langt!

Die Zeiten sind doch jetzt ganz andere, gottlob. Es ist nimmer so wie in den 100 Jahren zuvor, wo sich die Kuratoren und Forscher und Sammler die kleinen Stückerl der paar Meteorite, die es gab, untereinander hin und herschieben mußten. Und sie müssens nimmer vom Krantz, vom Ward, vom Foote, vom Huss für ein Heidengeld kaufen.

Weil nun die Privaten ihnen den kompletten Asteroidengürtel und die Planeten auf dem Silbertablett für ein kleines Handgeld hinterhertragen.

Es ist das Paradies für die Forschung.

Und diese Dimensionen an Neufunden und diese Breite an besonders interessanten Meteoriten - kein Institut der Welt hätte die Kapazitäten geschweige denn die Mittel auch nur im Entferntesten an diese Fundzahlen heranzukommen, würden sie es mit eigenen Expeditionen versuchen.
Drum sind ja auch so viele so froh drum, daß es die privaten machen.

Drum ist das eine Gespensterdebatte in meinen Augen, ob der private Sammler als Ungeziefer zu Dämonisieren ist
oder wie er besser mit den Wissenschaftler zusammenarbeiten sollte - der private Sektor ist doch in eine UNGLAUBLICHE Vorleistung gegangen!  Er hat die Fundzahlen explodieren lassen, er besorgt die tkws der neuen Fälle, er macht die Nachfunde der Historischen, er macht den Großteil der zum Erhalt der Disziplin nötige Öffentlichkeitsarbeit, die brachliegt, weil zuwenig Personal vorhanden, er läßt die Sammlungen oft kostenlos wachsen, er hat die Kosten für die Meteorite ums 3-20fache gesenkt zu den Preisen die Jahre zuvor und ums 50-100fache auf das, was die Forschung ausgeben muß, ums selber zu finden...usw.  
Ja was denn noch mehr?
Der Ball liegt momentan im Spielfeld der Wissenschaftsseite, nicht bei den Sammlern.

Das war in der Vergagenheit nie die Frage, ob das eine Konkurrenzsituation sei (abgesehen von vielleicht einzelner persönlicher Animositäten zwischen einzelnen Privaten und Kuratoren, die aber in einem anderen Stil als heute ausgetragen wurden).

Das was wir jetzt sehen, ist, daß diese für alle so unendlich fruchtbare und wichtige Symbiose von privatem und öffentlichem Sektor die seit vielen Generationen funktioniert und in der letzten Zeit besser als je zuvor, von Seiten einiger Wissenschaftler nicht nur infrage gestellt wird, sondern daß diese massiv daran arbeiten, daß die komplett beendet wird.

Und das, was es so schwer erträglich macht, ist, daß das ja niemandem nützt, nicht einmal denen, die diese Zusammenarbeit zerstören
(wenn man vielleicht von persönlichen Profilierungssucht, Pöstchenschacher und anderem menschlichen Makel absieht, was für diese Situation absolut irrelevant zu sein hat, dazu ist die Lage viel zu akut und kritisch).

Denn es bringt ihnen ja nichts. Wir haben doch die Erfahrungen aus Australien, aus Libyen, wir sehen doch die Omanquoten, und wir sehen, was dagegen in den noch liberalen Ländern passiert.
In den freien Ländern explodieren die Fundzahlen und da, wos verboten worden ist, wird nix mehr gefunden und es landet noch viel, viel weniger dort in der Forschung und in den Instituten als in all den 200 Jahren zuvor.

Also mein Eindruck ist - der private Sektor hat seine Zusammenarbeit mit und seinen Nutzen für die Forschung in unerwartbare Höhen geschraubt, "verbessern" kann man das schon nimmer nennen. Großartiges wurde geleistet.

Und was mir als einzige Forderung an die Wissenschaftsseite einfällt, ist schlicht und einfach, daß sie nichts tun soll.
Nichtstun ist doch die minimalste aller Forderungen. Nichtstun kann jeder. Nichtstun kostet keine Mühe und kein Geld.

Sie sollen den privaten Sektor einfach weiter seine Arbeit machen lassen.
Denn davon profitieren sie doch am allermeisten!


Das einzig andere Kernproblem besteht darin, m.E., daß den Instituten und Museen die Budgets zum Ankauf derart zusammengestrichen worden sind, in erschütternden Fällen auf Null.
Die Preise der letzten 150 Jahre für Meteorite sind bekannt, die Ausgaben die die Institute und Museen für den Erwerb der Meteorite diese 150 Jahre getätigt haben ebenfalls oder teilweise.  
Daß die nun so wenig Geld haben wie dieses Jahrzehnt, ist in der Geschichte noch nicht vorgekommen.
An den Preisen und den Privaten liegt das nicht. Niemals waren Meteorite auch nur annähernd so billig zu bekommen wie diese Jahre seit dem NWA-Rausch.
Der Ankauf war immer das erste Mittel der Wahl für alle Institute und Museen.
Wie es auch in jeder anderen Forschungsdiziplin und für jedes Museum eine Alltäglichkeit ist, ihre Forschungs- und Sammlungsgegenstände, sofern sie sie nicht selber herstellen oder erzeugen können, zu kaufen.
Das war bei Meteoriten auch nie anders und wird auch nie anders sein. (Wenn man mal von totalitären Staaten absieht).

Auf die Erlangung von Budgets der Wissenschaftler haben wir Privaten keine Einflußmöglichkeit, wir können nur Öffentlichkeitsarbeit machen und das machen wir bereits zu einem hohen Maße und zu einem größeren Maße als die Forschungseinrichtungen. Und wir können nur unserer historischen Verpflichtung nachkommen, die Meteorite zu finden und sie den Forschungs- und kurativen Einrichtungen anzubieten.
Dieser Verpflichtung sind wir bestens nachgekommen, über jedes Maß hinaus, in denen wir Tausendmal mehr Meteorite pro Jahr herbeizaubern, als in allen Jahren der Meteoriterei je zuvor und in dem wir sie für in der Rückschau vollkommen ungekannt niedrige Beschaffungskosten den Instituten zur Verfügung stellen.

Auf deutsch, hätten die Institute die Kohle, diese sonst immer gehabt haben und nur seit wenigen Jahren nimmer,
dann hätten wir diese ganze Diskussion nicht. Dann würdens das Zeug einfach kaufen und überglücklich sein.

Ich kann doch nicht jedesmal den armen Schnarchprofessor aus Borstel rausziehen, der da für seine Schlafforschung 14 Millionen mal schnell zugesteckt bekommt, eine ausreichende Summe um alle Nichtantarktischen Funde und Fälle der ganzen Welt eines Jahres zu kaufen. Oder ihr sehts doch, die Bergkristalle in der Schweiz, für diese Millionen Fränkli, alle HEDs aller Wüsten und Zeiten auf einen Sitz tät man dafür locker kriegen, plus Lapice, Bilanga und wie alle neuen HED-Fälle heißen als Dreingabe. Und habts doch gesehen. Euromet hatte alleiiiiiin an Personalkosten 8.5Millionen damalige ECUs im Jahr verbraten, noch ohne einen Chondriten aufzuheben.

Das müssen die Wissenschaftler halt hinkriegen. Das ist das Hauptproblem.
Aber doch nicht, daß so viele Meteorite gefunden werden und ihnen für lau nachgeschmissen werden.

Wir stehen jetzt kurz vor dem Zusammenbruch des NWA-Fundparadieses.
Der Oman wird gerade zerstört.
Libyen verstarb unbemerkt nach kurzer Krankheit.
Wir könnten in schlimmere Zeiten als in die 1900-1990 Jahre zurückfallen.
Denn damals war es noch nicht verboten, in Polen Mets zu holen, und die Lawinien in Argentinien, die Kuratorn der Dänen, die taten sich glicklich wähnen, und die Beutel der Kängurus waren prall gefüllt.
Damals durften die Wards, Krantzs, Niniger, Husse, Footes, Carions, Zeitschels und Haags noch ihrer Arbeit nachgehen.
Heute dürfen sie es nimmer mehr.
Und daher wirds dann noch weniger Meteorite geben als in der Vorwüstenzeit.

Daß das Forschungspolitisch gewollt sein kann....  
(...und wer das und auf welche Weise betreibt... daß einem da ab und zu ein WAS ERLAUBEN STRUUUUNZ??!!! entfährt,
muß verzeihlich bleiben - ich glaub, ich laß jetzt noch einen raus....).

Ein Lob der USA, der freien Welt!  Strahlend werden sie die rauchenden Trümmer der ehemaligen Meteoriterei aller anderen Kontinente überragen! Die Meteoritenwissenschaftler werden dorthin abwandern und die Protagonisten der Prohibition werden nur noch Hausmeisterdienste an ihren Sammlungen und Instituten verrichten, wenn diese nicht eh geschlossen und abgewickelt werden. Ist ja auch ein Beruf.

Spürt ihr sie nicht auch, diese Melancholie....    
...und wenn sie sich dann einst treffen, die MetSocler, so wird es nicht im Yachtclub unterm Zuckerhut, nicht mehr im Plaza von New York City sein, nicht im Schloßpark von Nancy oder in der Kasbah von Casablanca.

Im Regen werden sie verlegen um die Tonnenhäuschen auf Chladnis Ruhestätte schleichen,
beschämt von einem Bein aufs Andere auf Schreibers Grab treten und in den Boden starren, wo kein Meteorit zu ihrer Rettung liegt
und in Perth vor dem Mahnmal des Ungefundenen Meteoriten,
da werden sie dann weinen, bitterlich weinen und sich tränenüberströmt in die Arme fallen
und ein einziger verzweifelter Schrei in den bolidenlosen Himmel wird sich ihrer Kehlen entringen:
WAS HABEN WIR GETAAAAAAAAAAN !!!!!!!!


 Was da gefunden wird, in USA, mein lieber Scholli!

 :prostbier:
Mettmann.



"If any of you cry at my funeral,
I'll never speak to you again."
(S.Laurel 1890-1965)

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #9 am: Oktober 21, 2009, 01:21:58 Vormittag »
Hallo,

@Rainer: Natürlich nicht ankaufen zum "Sammeln" sondern zum "Forschen". Ich habe das Ebay-Beispiel nur rausgesucht, weil es ein unklassifizierter - also "unerforschter" Met ist. Dass dieser Met von vornherein uninteressant ist, wusste ich als Metforschungslaie nicht. Was aber, wenn es ein neuer "Hassenichjehn-Meteorit" gewesen wäre...?

@Thomas: Wenn der Instituts-Etat tatsächlich so auf Kante geschneidert ist, dass er nur für die Grundausbildung reicht, kann nat. kein Material angekauft werden. Da stellt sich mir die Frage, an welchen Instituten forschen Wissenschaftler eigentlich an Meteoriten? Geologie?, Chemie?, Physik? gar Biologie? Das ist doch auch eine Frage die sich die Wissenschaftler stellen sollten: "Was machmer nächstes Wirtschaftsjahr?  Kaufen wir neues Material ein oder messmer den Allende nochma durch?" - Mögliche Antwort aus der Runde der Wissenschaftler: "Nä! Wir messen den Allende nochma durch, der is noch gut für ein paar Promotionen und für den Rest des Etats machen wir noch ein paar schöne Ausflüge in die Antarktis oder die Wüste.."

Ich will als deftiger Steuerzahler lieber gar nicht wissen, wieviele Gelder, die eigentlich für Forschungsreisen/-Expeditionen bestimmt sind, einfach so, OHNE wissenschaftliche Ergebnisse, verpulvert werden. ...sorry für die Polemik, geht nat. nicht gegen Dich oder andere, sie soll nur der Sache dienlich sein.

Grüße

Bernd

Offline stollentroll

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #10 am: Oktober 21, 2009, 11:15:17 Vormittag »
Man darf nicht vergessen, dass die Beschäftigung mit Meteoriten in der Forschungslandschaft das Randgebiet eines Randgebietes ist. Angesiedelt ist sie in der Planetologie oder der Mineralogie (bzw. Geowissenschaften). Die Mineralogie und selbst die Geowissenschaften sind schon ein Randgebiet in der deutschen Institutslandschaft.

Viel gibt es in Deutschland nicht, wo man sich mit Meteoriten beschäftigt. Spontan fällt mir da das Institut für Planetologie in Münster ein. Das Institut für Planetologie in Stuttgart hat eine andere Orientierung, dort beschäftigt man sich mit Planetenfernerkundung und Impaktiten. Dann gibt es noch die Arbeitsgruppe Mineralogie am Naturkundemuseum Berlin. Die Mineralogie an der Uni Hamburg ist auch noch zu nennen, die haben z.B. gerade ein neues Streufeld in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufgetan.
Ab und zu gibt es dann noch Arbeiten über Meteorite an einzelnen mineralogischen bzw. geowissenschaftlichen Instituten. Wo ich zur Zeit arbeite, hat es z.B. vor etwa 15 Jahren mal eine Arbeit dazu gegeben.

Zweites Problem: es sind nicht viele Leute, die an Meteoriten arbeiten, und die können natürlich auch nur eine begrenzten Umfang an Forschungsarbeit leisten. Feste Stellen an den Instituten gibt es fast nur noch für die Professoren und ein paar Kustoden. Nahezu alle anderen Stellen sind befristete Stellen, für ein bis drei Jahre, und wenn es mal richtig gut läuft, hat man fünf Jahre. In dieser Zeit muss also ein bestimmtes Forschungsthema abgearbeitet werden, eine Dissertation geschrieben werden usw. Üblicherweise hat man auch noch Lehrveranstaltungen und Verwaltungsaufgaben zu übernehmen.
Man könnte zwar eine Menge Dissertationen oder andere Arbeiten zu Meteoriten ansetzen, interessante Themen gibt es da schließlich genug, aber das Problem ist, wo können die Leute sich damit hinterher bewerben ? Die Zahl fester Stellen in dem Bereich ist minimal. Und wo in der Industrie wird jemand genommen, der z.B. über „Phasenbeziehungen in Chondren und CAI’s in dem Meteoriten NWA xxx“ promoviert hat ?
Hier haben natürlich auch die Professoren eine Verantwortung, dass nicht zu viele „abseitige“ Themen vergeben werden.

Suchexpeditionen werden übrigens nicht aus Institutshaushalten finanziert, das könnten sich die Institute nicht leisten. Das sind Gelder von Fördereinrichtungen wie DFG oder europäische oder andere internationale Einrichtungen. Das muss extra beantragt werden, und dann gibt es ein meist längeres Begutachtungsverfahren. Und die endgültige Entscheidung über die Vergabe der Gelder treffen Verwaltungsbeamte.


Mit Allende hast du ein gutes Stichwort gegeben. Es ist einerseits interessant und wichtig, neues Material zu untersuchen. Hier bietet sich die Chance, unbekanntes Material in den Händen zu halten. Andererseits ist es genauso wichtig, schon gut untersuchtes Material mit neuen, feineren Methoden oder anderen Methoden zu untersuchen. Der Vorteil ist, man muss nicht bei Null anfangen. Man weiß, was andere schon gemacht haben, wo die offenen Fragen sind und worauf man sich konzentrieren kann. Bei einem NWA-Wüstling fängt man praktisch bei Null an (hier kommt  z.B. auch wieder der Zeitfaktor bei den befristeten Stellen ins Spiel).
Die Kunst ist, die Untersuchung von neuem und bekanntem Material sinnvoll auszubalancieren, so dass nichts vernachlässigt wird.

Untersuchungen an Allende haben übrigens gerade ganz aktuell spektakuläre Ergebnisse gebracht. In den CAI’s aus Allende sind in den letzten zwei Jahren sieben (!!!) neue Minerale entdeckt worden: Allendeit, Hexamolybdenum, Davisit, Tistarit, Monipit, Grossmanit und das noch nicht publizierte IMA 2009-027. Das ist wirklich spektakulär (und keiner hat es hier gewürdigt), weil es etwas aussagt über das Verhalten von Elementen während der Entstehung des Sonnensystems. Wenn man nun gesagt hätte, der Allende-Meteorit ist ausreichend durchgekaut und bringt nichts neues mehr, hätte man diese Minerale nicht entdeckt.

Grüße,
Thomas

ironmet

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #11 am: Oktober 21, 2009, 11:34:05 Vormittag »
Hallo Thomas,

das war ein echt starker Beitrag von Dir !! :super:
Das war für mich jetzt viel Neuland,sehr informativ und rückt das ganze Thema auch
in ein anderes Licht.
Im Grunde kann sowas ja auch nur jemand wissen,der auch an einem Institut arbeitet!
(..natürlich kann das auch jeder in Erfahrung bringen - macht nur keiner)

...jedenfalls sehr interessanter Beitrag .. und liest sich sehr gut!

Viele Grüße Mirko :prostbier:
« Letzte Änderung: Oktober 21, 2009, 12:06:41 Nachmittag von ironmet »

Offline paragraf

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #12 am: Oktober 22, 2009, 00:14:01 Vormittag »
Hallo Thomas,

vielen Dank für Deinen Beitrag. Das war mir bisher alles nicht bewusst. Ich habe daraus gelernt, dass für unserer "Materie" noch sehr, sehr viel mehr getan werden muss. Bitte mehr solcher Beiträge! Wo erfährt man denn sonst solche kleinen Interna.  :hut:

Gruß

Bernd

Offline rbartoschewitz

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #13 am: Oktober 22, 2009, 18:25:35 Nachmittag »
Dafür, dass für diese Diskussion keine Grundlage vorhanden und alles nur eine Geisterdebatte ist, meckert hier aber jemand mächtig und schreibt Romane dazu!

Aus meiner Sicht gibt es u.a. folgende Verbesserungspotentiale:
•   Erhalt und Neuerschliessung von Sammelmöglichkeiten
•   Akzeptanz der von den Privatsammlern erbrachten Leistungen
•   Schutzwürdigkeit von Meteoriten
•   Schutz vor der Rückforderung von illegal ausgeführten Meteoriten
•   Co-Autorenschaft
•   Umgang zwischen Privatsammlern und Institutionen
•   Voraussetzung für Meteoritenklassifikationen
•   Erschliessung von „neuen“ Klassifikationskapazitäten
•   Förderung der Interdisziplinarität
•   Übernahme von Privatsammlungen
•   Grössere Einflussnahme in der MetSoc durch Privatpersonen
•   Erarbeitung eines durch die MetSoc abgesicherten „Ehrenkodex“ .

Martino, die größten institutionellen Meteoritensammlungen der Welt sind nicht immer auch zugleich Zentren der Meteoritenforschung gewesen. Die Antwort hierauf gab bereits Andreas Stütz 1790 nach den Meteoritenfällen von Hraschina und Eichstätt: „Freylich, daß in beiden Fällen das Eisen vom Himmel gefallen sein soll, mögen wohl im Jahre 1751 selbst Deutschlands aufgeklärte Köpfe bei der damals unter uns herrschenden schrecklichen Ungewißheit in der Naturgeschichte und der praktischen Physik geglaubet haben; aber in unserer Zeit wäre es unverzeihlich, solche Märchen auch nur wahrscheinlich zu halten.“ Trotzdem hielt er die beiden Steine für so bemerkenswert, dass er sie aufbewahrte und damit den Grundstock der Meteoritensammlung des Naturhistorischen Museums in Wien legte! Die damaligen und auch heutigen Forschungsinstitute haben meist lediglich eine kleine Referenzsammlung des Untersuchten Materials, wenn überhaupt. Ausserdem hängt die Forschungsarbeit an Instituten oft nur von Einzelpersonen ab, so wurde die Meteoritenforschung z.B. an der Univ. Göttingen durch Andreas Pack wiederbelebt, an der Univ. Jena durch Falko Langenhorst, mit dessen Wechsel sie nun wieder einschläft!

Aus den meisten der „wichtigsten Meteoritenproduktionsfeldern“ ist die Ausfuhr jeglicher Steine verboten. Somit wird natürlich kein Institut Finanzierungen für derartige Expeditionen erhalten, ohne Kooperation mit nationalen Institutionen, und diese sind oft sehr zurückhaltend. Die Bedingungen für das Sammeln von Meteoriten werden mit Sicherheit in der nahen Zukunft noch viel schwieriger und ich erwarte, dass in vielen Staaten Meteorite unter gesetzlichen Schutz gestellt werden, denn welche Regierung hört gern, dass ein Sammler wieder einen millionenschweren Meteoriten auf seinem Staatsgebiet gefunden (oder gar verkauft) hat, ohne irgendwelchen Profit daraus zu haben!
Die einzige Chance einer Enflussnahme, dass derartige Gesetze mehr oder weniger moderat formuliert werden, haben wir über einen gewissen sanften Druck der Meteoritical Society, doch dazu müssen wir uns dort viel stärker einbringen
!
Uns wird das gleiche Schicksal ereilen, wie die Kinder, für die die Schul-Äpfel aufgrund der EU-Richtlinien nicht finanzierbar sind – unabhängig von der Sinnfälligkeit der Massnahme!

Um die Spezies Meteoritensammler zu erhalten, ist eine faire aktive Zusamenarbeit mit den Instituten und das Engagement in der Meteoritical Society zwingend erforderlich!

Ich beabsichtige die eingangs genannten Punkte mit Institutsvertretern zu Diskutieren und bitte dafür um konstruktive Beiträge und Mitarbeit aus dem Forum. Vielleicht teilen ja einige von euch meine Befürchtungen, haben sich ebenfalls darüber Gedanken gemacht und sind auf effektivere Ideen gestossen.

Viele Grüsse,

Rainer

Offline ironsforever

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Re: Zusammenarbeit zwischen Sammlern und Wissenschaftlern
« Antwort #14 am: Oktober 22, 2009, 18:33:54 Nachmittag »
Hallo,

Zitat
und ich erwarte, dass in vielen Staaten Meteorite unter gesetzlichen Schutz gestellt werden, denn welche Regierung hört gern, dass ein Sammler wieder einen millionenschweren Meteoriten auf seinem Staatsgebiet gefunden (oder gar verkauft) hat, ohne irgendwelchen Profit daraus zu haben!

Nun - dann verrottet das Teil halt künftig einfach sang- und klanglos auf dem Staatsgebiet, weil es keiner mehr finden will. Sicher nicht der beste Weg.

Aufklärung tut not. Aber müsste man nicht offensiv vorgehen, um etwas zu bewirken? Auf was warten wir? Was können wir tun? Genau hier liegt das Problem: Wen soll man aufklären? Sollen wir Regierungen anschreiben? Universitäten anschreiben? Welche Ideen kann es geben, deratige Gesetze zu verhindern, außer das Argument, dass sich diese Staaten selbst ins Knie schießen und Milch reingießen?

M.E. werden die "restriktiven" Länder früher oder später selbst merken, das so eine Politik nichts bringt, weil die eigene Forscherzunft mangels Material versauert und aufschreit. Aber wir können doch nicht wirklich etwas ändern...

Traurig,
Andi  :crying:
« Letzte Änderung: Oktober 22, 2009, 18:54:01 Nachmittag von ironsforever »

 

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