Auszug aus: Der Wurzelberg und das Oberlaufgebiet der thüringischen Schwarza. Von Kurt Hassert aus Naumburg. 1898
Am bekanntesten ist die Schwarza durch ihre goldschimmernde Vergangenheit geworden. Einzelne Goldplättchen, die nach der Verwitterung und Wegschlemmung des Quarzes im Flufssand liegen blieben, mochten schon in früher Zeit die Gewinnsucht wachgerufen haben.
Bereits 1491 wird mehrerer Goldwäschereien gedacht, und dem Bergbau auf Gold verdankt das Dörfchen Goldisthal seine Gründung, die sich ins 16. Jahrhundert verliert. Nicht weit von ihm liegen am Goldbach (linkes Schwarza-Ufer) verschiedene Stollen, deren Gänge bis zu 200 m lang waren; obgleich ihre Einfahrten verschüttet sind, sprechen die davor aufgehäuften Berge von Schieferschlacke und zerkleinerten Quarztrümmern deutlich für die mühsame Arbeit. Und selbst, als man von der bergmännischen Gewinnung des Goldes Abstand nahm, da sie mit bedeutenden Geldkosten verknüpft war und den gemachten Aufwand niemals lohnte, wurde die meist ebenso aussichtslose Goldwäsche bis in unser Jahrhundert fortgesetzt. Sie mutete aussichtslos sein, da das kostbare Metall sich nur in spärlichen, oft mikroskopisch kleinen Flitterchen findet, so dafs eine angestrengte Tagesarbeit nicht mehr als 4 bis 5 Groschen Goldwert ergiebt.
Wenn nunmehr auch dieses Gewerbe zu den für immer aufgegebenen gezählt werden mufs, so lebt die Erinnerung an dasselbe fort in den Bächlein des Wurzelbergs, die, weil sie einst zum Goldwaschen dienten, die Bezeichnungen "Seife" (Raspisseife) und "Tiegel" (Moostiegel), sowie die pleonastischen Zusammensetzungen "Seifenbach" (Raspisseifen-Bach), "Seifenwasser" (Ronnseifenwasser), "Seifentiegel" (Pechseifen-Tiegel) und "Tiegelwasser" (Moostiegel-Wasser) erhalten haben.
Dem Goldreichtum verdankt auch der Reichenbach seinen Namen. Und noch immer läst der Volksglaube reiche Schätze im Schofse des Schwarzathals ruhen.
Noch streift, so lautet eine Sage der Bewohner von Goldisthal, in den benachbarten Wäldern der goldene Hirsch umher. Viele wollen ihn schon gesehen, mancher will sogar auf ihn gefahndet haben, aber vergeblich waren bisher alle Bemühungen. Wem jedoch der grofse Fang gelingt, dem wird jener wunderbare Hirsch die Stelle zeigen, wo der geheimnisvolle Schwarza-Hort schlummert, und ungeahnte Reichtümer werden sich dem staunenden Blick dee überraschten Jägers darbieten.
Die andern im Schiefer enthaltenen Erze, Kupfer, Schwefelkies, Rot- und Brauneisenstein, wurden noch zu Anfang des 19. Jahrhunderts in zahlreichen Pochwerken mit Nutzen verarbeitet.
Für uns kommen in Betracht der Scheiber Hammer, der Zain-, Blech- und Neuhammer bei Goldisthal, endlich der Masser-, Schwäger-, Rohr- und Katzhütter Hammer. Da aber die wichtigsten Hilfsmittel und Errungenschaften der Neuzeit, Steinkohle und Eisenbahn, dem Schwarzathal versagt blieben, so konnten die Eisenhütten und Hämmer gegen die auswärtige Konkurrenz nicht aufkommen. Sie gingen mit Ausnahme des Katzhütter Werkes in wenigen Jahrzehnten ein oder wurden in ertragreichere Säge- und Massenmühlen umgewandelt.
Da die Grauwacke den Hauptbestandteil des Wurzelbergs bildet, so mufs sie für seinen landschaftlichen Charakter ebenfalls von hoher Bedeutung sein. Äufsert sich diese auch nicht in so malerisch zerklüfteten und zernagten Felsbildungen, wie sie das mittlere Schwarzthal von Blankenburg bis Schwarzburg und der grofsartige Meurastein aufweisen, so lassen tief eingefurchte Thäler, zahlreiche Gerölle und Geschiebe in den Flufsbetten und kahle mit Schiefertrümmern bedeckte Abhänge den hartnäckigen Kampf gegen Wasser und Luft deutlich erkennen.
Nur an wenigen Stellen haben ungeschichtete Gesteine den einförmigen, von NO nach SW streichenden Schieferbau durchbrochen. An der Katze, am Pechhüttentiegel, bei Goldisthal und am Reichenbach sind Brüche von grauem und rötlichem Porphyr erschlossen, und Melaphyr findet sich im Kieslerstein und gegenüber Langebach. Zwischen Katzhütte und Ölze erhebt sieh der Melaphyrstock des Kieslersteins 663 m über den Meerespiegel und sein mit hochstämmigen alten Buchen und Fichten bewachsener Gipfel, der kegelförmigen Kuppe eines Vulkans nicht unähnlich, fällt sofort ins Auge und ist eine wahre Zierde der ganzen Gegend.
Der steile, massige Gebirgsbau legt der Entwicklung eines regen Verkehrs die mannigfachsten Hindernisse in den Weg und beschränkt ihn in der Hauptsache auf die in den breiteren Thälern der Schwarza und Katze laufenden Landstrafsen. Denn die vom Gipfel des Wurzelberge ausgehenden Gründe sind teils so schmal, dafs sie, wie Kessel-, Pfau- und vorderes Raspisseifenthal höchstens für das in ihnen fliefsende Bächlein Raum bieten, oder sie haben ein so rasches Gefäll, dafs nur in manchen ein fahrbarer Weg angelegt worden ist. Oft können aber schwerbeladene Lastwagen die starke Steigung bergan nicht überwinden, und darum benutzen die meisten Fuhrleute die immerhin noch beschwerlichen, aber nicht so steilen Wege am Altfrau - , Jungfrau - und Reichenbache.
Sind sie endlich auf dem breiten, wenig durchfurchten Rücken des Wurzelbergs angelangt, dann können sie auf Durchhieben oder bequemeren Waldpfaden, wie auf dem Farmdensteig, Reifweg u. a. den nunmehr leicht zugänglichen Berg befahren.
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Foto: Blick auf die geplante Grubentalbrücke und die Baustelle "Tunnel Goldberg" -1163m- der ICE-Neubaustrecke München-Berlin.Im Hintergrund der Farmdenkopf (1) mit dem Oberbecken des Pumpspeicherwerkes Goldisthal.