Habe diesen äusserst interessanten Beitrag über NWA 869 gerade zufällig entdeckt! Herzlichen Dank an Bernd für die tolle Zusammenfassung!
Herzlichen Dank an Dich, Peter, für dieses positive Feedback!
Teil 2 ist scheinbar vor einiger Zeit erschienen: The L3–6 chondritic regolith breccia Northwest Africa (NWA) 869: (II) Noble gases and cosmogenic radionuclides, Meteoritics & Planetary Science, Volume 46, Issue 7, pages 970–988, July 2011. Da ich selber das MAPS Magazin nicht habe, bin ich (und sicherlich nicht nur ich! ) natürlich an Kommentaren sehr interessiert!
Bitteschön ... hier also meine eigene, deutsche Zusammenfassung der mir persönlich relevant erscheinenden Informationen aus diesem Artikel in MAPS:
Welten K. et al. (2011) Die L3-6 chondritische Regolithbrekzie NWA 869: (Teil II) Edelgase und kosmogene Radionuklide (MAPS 46-7, 2011, pp. 970–988):
Mit einem präatmosphärischen Durchmesser von ca. 4.50 m ist NWA 869 das drittgrößte, bislang geborgene, chondritische Objekt nach Gold Basin (L4-6) mit einem Durchmesser von 6-10 m und Chelyabinsk mit einem Durchmesser von etwa 17-20 m.
Bei den L-Chondriten gibt es weit weniger Regolithbrekzien als bei den H-Chondriten (3% versus 15%). Der Grund hierfür könnte sein, daß der L-Chondrit Mutterkörper vor etwa 500 Millionen Jahren bei einem katastrophalen Ereignis zerissen wurde. Die Autoren favorisieren jedoch eine andere Erklärung: Als der Mutterkörper der L-Chondrite zerissen wurde, enstanden einfach auch unzählige kleine Bruchstücke aus dessen Inneren, zu klein um Regolith zu bilden.
NWA 869 ist eine Regolithbrekzie: mit Ausnahme von Einschlüssen des petrologischen Typs 4-6 enthalten die meisten Proben signifikante Mengen an solarem Neon und Argon.
Die kosmogenen Neonwerte für Klasten des Typs 4, 5, und 6 bezeugen Bestrahlung in einem größeren Objekt.
Impaktschmelz- und schockgeschwärzte Klasten haben allerdings einen niedrigeren Gehalt an solarem Neon.
Das niedrige kosmogene (
22Ne⁄
21Ne)
c Verhältnis bei Stücken, die frei sind von solarem Gas, steht im Einklang mit kosmischer Bestrahlung eines großen Mutterkörpers.
Die Konzentrationen von
10Be,
26Al, and
36Cl lassen auf einen Radius von 2.0-2.5 m schließen, bevor der Meteoroid in die Erdatmosphäre eindrang. Zu den beobachteten Schwankungen bei den
10Be Produktionsraten passt am besten ein präatmosphärischer Radius von 225 cm.
Die
14C und
10Be Konzentrationen ergeben ein terrestrisches Alter von 4400 ± 700 Jahren.
Das kosmische Bestrahlungsalter (CRE) von NWA 869 beträgt 5 ± 1 Millionen Jahre. Einige Einschlüsse erfuhren auf dem Mutterkörper jedoch ein höheres Bestrahlungsalter von 10-30 Millionen Jahren – wahrscheinlich Komponenten von dessen Regolith oder aber von einem größeren Objekt an der Oberfläche des Mutterkörpers..
Vor ca. 100.000 Jahren erfuhr die Abschirmung gegenüber kosmischer Bestrahlung wahrscheinlich wegen eines Impakts eine Veränderung. Dabei wurde Material bis zu einer Tiefe von etwa 80 cm ausgeworfen und so Material, das bis dahin vor kosmischer Strahlung abgeschirmt war, einer höheren Dosis kosmischer Strahlung ausgesetzt.
Bei diesem Ereignis wurde entweder ein flaches aber massives Stück herausgerissen oder es wurde auf einer Seite des NWA 869 Meteoroiden ein Krater herausgeschlagen, sodaß dort danach einige Fragmente der kosmischen Strahlung ausgesetzt waren, während der Rest des Meteoroiden (besonders Material, welches sich wahrscheinlich auf der gegenüber liegenden Seite befand) intakt blieb.
Berechnungen, basierend auf der durchschnittlichen Wahrscheinlichkeit eines Impakts im Asteroidengürtel legen den Schluß nahe, daß der Impaktor einen Durchmesser von ca. 5-15 cm gehabt haben dürfte.
Aufgrund der sehr niedrigen
10Be Konzentrationen in zwei Proben muß der Zeitpunkt dieses Impakts vor wenigen tausend Jahren stattgefunden haben, also etwa 15.000-20.000 Jahre vor dem Einschlag auf der Erde.
NWA 869 hat also eine komplexe Bestrahlungshistorie von einzelnen seiner Komponenten hinter sich – ähnlich den entsprechenden Komponenten in der Ghubara L5 Regolithbrekzie.
Schlußfolgerungen:
1. NWA 869 Material wurde in einer Tiefe von < 10 cm bis 140-160 cm in einem Objekt mit einem präatmosphärischen Radius von 225 ± 25 cm bestrahlt. Diese Größe entspricht einer Masse von 120-230 Tonnen. Das aufgefundene Gesamtgewicht von etwa 7 Tonnen lässt vermuten, daß mehr als 90% der Masse beim Durchgang durch die Atmosphäre durch Ablation verloren gegangen ist.
2. Das terrestrische Alter von 4400 ± 700 Jahren steht im Einklang mit dem relativ niedrigen Verwitterungssgrad von W1.
3. Ein in jüngerer Vergangenheit erfolgtes Ereignis auf dem NWA 869 Meteoroiden entfernte Material bis zu einer Tiefe von etwa 80 cm. Dabei wurde während der vergangenen 20.000-120.000 Jahre weit besser abgeschirmtes Material einer viel höheren kosmischen Strahlungsdosis ausgesetzt.
4. Ältere Einschlüsse mit einem Alter von ca. 4.4 Milliarden Jahren und jüngere Einschlüsse mit einem Alter von 1.8-2.2 Milliarden Jahren wurden miteinander vermischt.
5. Matrix und größere Stücke des NWA 869 Materials enthalten bedeutsame Mengen an solarem Neon und Argon, sind aber praktisch frei von solarem Helium, was den Schluß zulässt, daß es bei einem oder mehreren Impaktereignissen auf dem Mutterkörper verloren ging.
6. Große Einschläge auf dem L-Chondrit Mutterkörper sind vielleicht für den Verlust eines Großteils an solarem Helium aber nur eines Bruchteils solaren Neons verantwortlich und können somit nicht die geringere Anzahl von Regolithbrekzien bei L-Chondriten erklären.
7. Deshalb favorisieren die Autoren die alternative Erklärung, daß die katastrophale Zerstörung des Mutterkörpers der L-Chondrite vor annähernd 470 Millionen Jahren viele kleinere, asteroidale Bruchstücke hervorbrachte, die dann nicht groß genug waren oder nicht genügend Zeit hatten, eine signifikante Regolithschicht aufzubauen.
8. Bei den kosmogenen Nukliddaten für die NWA 869 Proben gibt es keine Anzeichen dafür, daß das große Meteoroidbruchstück der kosmischen Strahlung als großer Felsbrocken an der Oberfläche des L-Chondrit Mutterkörpers ausgesetzt war. In dieser Hinsicht folgt NWA 869 nicht dem Trend einer komplexen Bestrahlungshistorie, wie man sie von anderen großen Chondriten kennt (z.B. Jilin, Gold Basin, und JaH 073).
9. Die Bestrahlung des Regolith erfolgte zeitlich vor den Impakten, die zum Verlust von von radiogenem Helium führten. Die einzelnen Komponenten der NWA 869 Brekzie waren dem solaren Wind und galaktischer, kosmischer Strahlung (GCR) während zweier, verschiedener Episoden der Bestrahlung des Regolith ausgesetzt.
Bernd