Natürliche Gläser
Vortrag IG Geologie, 20. 03. 2002
Vor Tausenden von Jahren haben die Menschen begonnen, Glas herzustellen. Die ersten Glasschmelzen
entstanden vermutlich durch Zufall. Bald aber begann man seine besonderen Eigenschaften sich nutzbar zu
machen. Aber auch in der Natur kommen Gläser vor. Glas besitzt eine in der Natur seltene Eigenschaft: es ist
amorph (griech.: ohne Form). Die Bildung ist stets mit Kataklysmen verbunden.
Man unterscheidet nach ihrer Entstehung vulkanische Gläser, Blitzröhren Friktionite und Impaktgläser. Letztere
sollen hier noch unterschieden werden in die in oder in der Nähe von Impaktkratern vorkommenden
Impaktgläser im engeren Sinne und die weiter entfernt von Kratern vorkommenden Tektite.
1. Ursachen der Glasbildung und Struktur von Gläsern
1.1 Ursachen der Glasbildung
Bei gegebener Temperatur und gegebenem Druck sind die Teilchen in einer Flüssigkeit frei beweglich. Obwohl
sich infolge der Zusammenstöße die Energie der einzelnen Teilchen laufend ändert, bleibt die gesamte Enthalpie
(Energie) der Flüssigkeit konstant. Ändert man die Temperatur, ändert sich auch die Enthalpie des Systems
gemäß der unten dargestellten Kurve. Unterschreitet die Flüssigkeit beim Abkühlen die Schmelztemperatur TS,
dann kristallisiert sie und gibt dabei ohne Temperaturveränderung eine bestimmte Wärmemenge, die
Kristallisationsenthalpie ΔKH ab. Der weitere Verlauf der Enthalpie- Temperatur-Kurve ist stetig und entspricht
der Enthalpieänderung des Kristalls. Wenn aber die Kristallisation unterbleibt, entsteht ein metastabiler Zustand,
die unterkühlte Schmelze. Bei weiterer Abkühlung wird die Möglichkeit der Teilchen sich zu bewegen, immer
geringer, da die Viskosität (Zähigkeit) steigt. Bei kompliziert aufgebauten und/oder polymeren Teilchen nimmt
die Viskosität derartig zu, daß die Bewegung vollkommen unmöglich wird. Die Flüssigkeit ist in den
Glaszustand übergegangen, also gewissermaßen eingefroren.
Glasbildung ist eine verhinderte Kristallisation. Ein Glas ist also eine eingefrorene unterkühlte Flüssigkeit.
Das Glas ist infolge seiner höheren Enthalpie sowohl gegenüber dem Kristall als auch gegenüber der
unterkühlten Schmelze metastabil. Der Einfrierbereich TE ist von der Vorbehandlung der Schmelze abhängig. Er
liegt bei niedrigerer Temperatur, wenn die Schmelze langsam abgekühlt wird. Die Gleichgewichtseinstellung
zwischen den Teilchen ist dann mit abnehmender Temperatur länger möglich.
Beim Aufheizen eines Glases erhält man eine gegenüber dem Abkühlen geringfügig veränderte Enthalpie-
Temperatur-Kurve. Das Gebiet des Steilanstieges heißt Transformationsbereich TG. Dieser Bereich ist für ein
Glas bedeutungsvoll, da sich auch andere physikalische Parameter wie Viskosität, Brechungsindex und Dichte
hier besonders stark, aber nicht sprunghaft wie beim Schmelzen eines Kristalls, ändern. Unterhalb TG sind Gläser
starr, so daß beim Ritzen Sprünge entstehen. Oberhalb dieser Temperatur sind sie plastisch bzw. zähflüssig.
Im Erweichungsbereich Tw geht das Glas in den Zustand der unterkühlten Schmelze über. Ebenso wie der
Einfrierbereich TE sind auch der Transformationsbereich TG und der Erweichungsbereich TW keine genau
festliegenden Temperaturen. Sie hängen nicht nur von der Aufheizgeschwindigkeit ab, sondern auch von der
Geschwindigkeit, mit der die betreffende Probe vor dem Aufheizen abgekühlt worden war.
Dieses Verhalten wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die Baugruppen des Glases durch die fehlende
Fernordnung einander nicht äquivalent sind. Sie werden deshalb bei verschiedenen Temperaturen die Fähigkeit
zur Translation erlangen. Das Glas erweicht allmählich und reversibel.
Bei einem Kristall, in dem die Teilchen einander äquivalent sind, bricht das Gitter bei einem bestimmten
Energiegehalt, der bei der Schmelztemperatur erreicht ist, sofort zusammen. Für den Übergang einer Flüssigkeit
in den kristallinen bzw. glasigen Zustand sind zwei Vorgänge von entscheidender Bedeutung: einmal die
Keimbildungsgeschwindigkeit (Anzahl der pro Zeiteinheit in einer Volumeneinheit gebildeten Kristallkeime),
zum anderen die Kristallisationsgeschwindigkeit.
Beide Größen hängen von der Temperatur ab. Während die Kristallisationsgeschwindigkeit schon bei
Temperaturen, die nur um einen infinitesimalen Betrag unterhalb der Schmelztemperatur liegen, endliche Werte
annimmt, setzt die Keimbildung erst bei höherer Unterkühlung ein.
Mit fallender Temperatur nehmen die Keimbildungsgeschwindigkeit und die Kristallwachstumsgeschwindigkeit
zu und durchlaufen ein Maximum, da die zunehmende Viskosität die Beweglichkeit der Partikeln immer stärker
einschränkt. Die Maxima der beiden Kurven liegen bei verschiedenen Temperaturen, weil die beiden Vorgänge
nach unterschiedlichen Mechanismen und bei verschiedenen Unterkühlungen ablaufen. Die Keimbildung ist ein
dreidimensionaler Vorgang, während das Kristallwachstum im wesentlichen zweidimensional abläuft. Je größer
die Temperaturdifferenz zwischen den Maxima ist, desto stärker ist die Kristallisation gehemmt, und desto
leichter wird sich die betreffende Substanz glasig erhalten lassen. Bei unendlich langsamer Abkühlung werden
alle Schmelzen kristallisieren. Umgekehrt sollte sich jedoch jede Schmelze in den Glaszustand überführen
lassen, wenn es gelingt, diese mit so hoher Geschwindigkeit abkühlen zu lassen, daß der Temperaturbereich mit
endlicher Keimbildungsgeschwindigkeit und endlicher Kristallisationsgeschwindigkeit genügend rasch
durchlaufen wird. So wurden bereits Metallgläser hergestellt. Die bisher erzielten maximalen
Abkühlgeschwindigkeiten von 106 K s-1 reichen noch nicht aus, um Schmelzen von Natriumchlorid oder
Aluminiumoxid glasig erstarren zu lassen.
1.2. Struktur der Gläser
Die Mikrostrukturen der Gläser sind ebenso vielfältig und kompliziert wie die Strukturen der Schmelzen. Es sei
deshalb an Hand der wichtigsten glasbildenden Systeme, der Silicate, ein einfaches Strukturmodell für den
Glaszustand vorgestellt. Aus röntgenographischen Untersuchungen geht hervor, daß SiO2 sowohl im Kristall als
auch im Glas aus tetraedrischen SiO4-Baugruppen besteht, die so über Ecken miteinander verknüpft sind, daß
jedes Sauerstoffatom gleichzeitig an zwei Siliciumatome gebunden ist. Das bedeutet, daß die
Bindungsverhältnisse in kristallinem und glasigem SiO2 weitgehend ähnlich sein müssen.
Im Gegensatz zu den kristallinen Modifikationen, in denen die Tetraedergruppen durch den ganzen Kristall
regelmäßig miteinander verknüpft sind, bilden sie in der Schmelze und im Glas ein unregelmäßiges Raumnetz
aus. Hier liegt nur noch die Nahordnung innerhalb der SiO4-Tetraeder vor. Die technisch wichtigen Gläser
enthalten neben Siliciumdioxid als Hauptbestandteil in den meisten Fällen noch Alkali- und/oder
Erdalkalimetalloxiden.