Nunja,
vielleicht sollte man es etwas näher erklären.
Die Daten, die bei den Wüstenfunden verloren gehen, betreffen lediglich die irdischen Aspekte eines Meteoriten, die einen Wimpernschlag in seiner Lebensgeschichte ausmachen. Nämlich die Fragmentierung beim Atmosphärenflug, die grobe Richtung der Fallbahn und noch gröber der Einfallswinkel und die Art und Dauer der Verwitterung durch die örtlichen Gegebenheiten.
Daten, die selbst dem Planetologen und dem Kosmochemiker herzlich wurscht sind, da sie nicht die immanenten Eigenschaften des Materials betreffen, noch dessen Entstehungsgeschichte auf seinem Mutterkörper im All, noch das,was ihm auf seinem Mutterkörper widerfahren oder auf seiner Reise als Absprengsel im All. Also all das, was man aus dem Stein selbst an Information herausbringen kann, unabhängig davon, ob er bei Kleindingharding oder bei Ouagadougou heruntergekommen ist.
Würde man diese Daten für tatsächlich so essentiell halten, wären die doch äußerst kostspieligen Antarktissuchen nicht zu rechtfertigen,
da es jenen dort gefundenen Stücken just an genau denselben Daten gebricht, da die Steine im Eis eingeschlossen, aus ihren ursprünglichen Falllagen hinfort transportiert werden.
Gleichwohl hält man sie für die Forschung für so unverzichtbar, daß man alles in allem in den letzten drei Jahrzehnten alles in allem eine gute Milliardensumme öffentlicher Gelder verbraucht hat, um sie einzusammeln.
Letztlich, Pinchacus, haben wir es mit den Saharameteoriten mit dem sensationellsten Durchbruch in der Geschichte der Meteoritenkunde zu tun. Die Infrastruktur, die sich dort ausgebildet hat, und die zwar angeklagt ist, einige Daten zu verlieren, aber die die Funde produziert, hat es in weniger als 15 Jahren erreicht, den Weltgesamtbestand an meteoritischen Funden, einschließlich der Antarktisfunde aus den vorhergehenden 200 Jahren zu vervielfachen, und das in jeder Hinsicht, sei es das Gesamtgewicht aller Klassen, sei es die Anzahl an verschiedenen Fallereignissen, die sie repräsentieren, sei es gerechnet nach den jeweiligen Klassen, sei es gerechnet an tatsächlich einzigartigen Steinen.
Den Mangel an Fundkoordinaten zu beweinen, heißt also nicht nur deswegen auf einem hypothetischen Niveau zu jammern,
sondern man sollte sich vergewissern, daß all diese Funde und die Infrastruktur die dafür nötig ist, vom privaten Sammler-, Händler und Suchermarkt finanziert wird und es die öffentliche Hand keinen Pfennig kostet.
Ein Blick in den Bulletin erweist, daß Suchen mit akademischen Hintergrund solche Ergebnisse nicht zeitigen können, selbst in den Erstweltwüstenländern nicht und man sie auch gar nicht durchführen will, weil man die für solche Funde nötige Mannstundenzahl nicht finanzieren könnte. (An solchen Fällen wie Tissint bspw. haben mehrere Tausend Personen gesucht).
Und so hat sich auch immer mehr, zumindest bei den Koryphäen des Fachs die Auffassung durchgesetzt, daß sie dankbar sind, für das, was dieser sogenannte Markt leistet. Denn sie haben die volle Auswahl an Klassen und Steinen, das Angebot ist alles andere als schwarzmarktheimlich, sondern dank der elektrischen Medien soleicht zu durchforsten (selbst im Bulletin stehen die Halter der Steine mit Adresse drin) und sie können auch nur die Quantitäten, die sie tatsächlich benötigen (und das spielt sich bei der heutigen Technik im Grammbereich ab), beziehen und sie könnens bequem aus dem Lehnstuhl bis an die Labortür sich liefern lassen, ohne eigene Expeditionen ohne Fundgarantie abhalten und ausstatten zu müssen und das alles zu einem geringeren Preis als all die 200 Jahre zuvor,
und um drei bis fünf Potenzen billiger als die Antarktischen Meteorite genau der gleichen Art und Qualität.
Pinchacus, daß das überhaupt möglich ist, weil Du auf dem Aspekt Geld herumreitest, liegt einfach darin begründet, wie in den andern Empörungswarenfeldern, der Lohnsklaverei in Indien, den Nähern in Pakistan usw.
Denn in der Regel werden die Steine in der Sahara von bettelarmen Menschen aufgelesen, denen sie ein willkommenes Zubrot sind.
Allein deren Armut begründet überhaupt die Masse an den Funden und die unsinnig niedrigen Preise der Meteorite.
Meteorite sind kein Konsumgut, daher sind bei weitem für den Endhändler nicht die Margen zu erreichen, wie auf die Artikel bei Dir im Modehaus. Ich werd nie vergessen, wie ich dereinst in Tucson war und unklassifizierte Meteorite tatsächlich weniger gekostet haben, als der Käse nebendran im Supermarkt. Wohlgemerkt, ein jeder Chondrit ist mengenmäßig immer noch so rar wie das gleiche Gewicht an geförderten schleifwürdigen Diamanten.
Die Sucher dort mit GPS auszustatten ist praxisfremd, solange Meteorite am Aufwand gemessen so skandalös niedrige Preise erzielen, könnten die mit dem Geld sicher etwas sinnvolleres anzufangen wissen. Und tatsächlich praxisfremd, wie Dir ja sicher nicht nur aus dem West-Sahara-Konflikt bekannt ist, sind sich Marokko und Algerien spinnefeind, daher ist es, sieh in den Einfuhrbestimmungen nach, schon aus militärischen Gründen verboten, GPS-Systeme einzuführen und wenn man in dem Land schon verhaftet werden kann, wenn einem ein Telefonat nach Algerien nachgewiesen werden kann, so sollte man sich besser nicht mit einem solchen in der Ödnis und in fremden Zungen sprechend erwischen lassen.
Zum Postkolonialismus und zu uns Ausbeutern noch zurück, die Meteoritenwissenschaft wird tatsächlich hptsl. in Erstweltländern durchgeführt, in den Sahara-Ländern hat man sich nie dafür interessiert, keine Universitätsstellen geschaffen, keine Nationalsammlung aufgebaut, mit einziger lüngerer Ausnahme Marokko, die allerdings noch sehr auf die internationale Zusammenarbeit angewiesen sind.
Und die Goldgeizigen Händler... jetztim Wahlkampf hatten wir ausgiebig die Diskussion, ob denn ein Mindestlohn von 8,50Brutto die Stunde menschenwürdig sei und es besteht einhelliger Konsens, daß ein solcher Lohn in die Altersarmut führt.
Sei versichert, Pinchacus, daß es weltweit überhaupt nur wenige einzige Meteoritenhändler gibt, die diesen Stundenlohn erreichen.
Diese Cosmic-Debris-Verramsche führt zu einem viel graviererenden Datenverlust, denn der allergrößte Teil der Saharafunde kann nicht mehr klassifiziert werden, nämlich die äquilibrierten Chondrite, da bei den Verkaufspreisen für jeden professionell an der NWA-Kette beteiligten, es nicht mehr darstellbar wäre, für die Klassifizkosten aufzukommen.
Übrigens, um den Schwarzmarkt den letzten Zahn zu ziehen, versteuern die Metthändler auch noch ihre Meteorite, in den Verkaufsländern wäre es daher sogar theoretisch kostenneutral, sich die Labs über die kostenlosen Hinterlegungsmassen, den Täuschen, den Schenkungen hinaus mit Mets vollzuladen, wenn nicht die mächtigen Steuern und Abgaben in die Pensionsrücklagen der Forscher gingen (die, sobald sie eigenständig auf Such gehen, ja auch zu den Beschaffungskosten der Funde letztlich zählen).
So liegt das Problem eigentlich meiner Meinung nach woanders. Wenn man sich anschaut, wie die Budgets der Fachbereiche und der institutionellen Sammlungen innert der letzten Jahrzehnte und oft auch gerade zum Zeitpunkt des beginnenden Wüstenbooms kurz und klein gestrichen wurden, sodaß sich die meisten Instutionen nach 200 Jahren und grad in der Goldenen Zeit völlig aus dem Meteoritensystem ausgeklinkt haben, dann ist das wesentlich beweinenswerter als der Verlust von Fundkoordinaten.
Alles in allem ist das Wüstensystem, wie es sich etabliert hat, äußerst produktiv und effizient, und die Forschung zählt zu den ersten Gewinnern (Was der Statistiker allein an der Anzahl der Publikationen, aber auch der steigenden Anzahl an Autoren, über die NWAs nüchtern wird nachweisen können.
Und die Sammler freuts auch.
Und schließlich, sagt der Herr Rat, es ist noch keinem ein besseres System eingefallen.
(Ich hatts schon öfters gesagt, hätt sich das Ansmet nur 1% der realen Kosten der Suchen aufgespart, hätte sie sich an den Wüstenfunden eine zwotsammlung zusammenkaufen können, die die der Antarktischen an Mächtigkeit und Signifikanz überträfe....)
Grundsätzlich kann man aber schon zweierlei Auffassung sein,
man könnte ja auch sagen, nun die Mets laufen ja nicht weg, man könne deren Auffindung und Erforschung kommenden Generationen überlassen, die dann dokumentieren und mit sachgerechter Akribie zu werke gehen, respektive selbst Campagnen durchführen, gestreckt, wie es eben Personal und Budget zulassen.
D'accord.
Problem ist nur, daß es dann wohl 300-500 Jahre gedauert hätte,besser gesagt noch dauern würde, um auf die nunmehr vorhandene Überfülle an Steinen und bemerkenswerten Resultaten zu kommen, die meisten Forschers und auch die Sammlers lebe aber jetzt und sie sind so furchtbar neugierig!
Mettmann
Anmerkung zur SZ.
Es handelt sich nicht um einen Artikel, der die Meinung des Autors wiedergibt, so wie seinerzeit die unseligen BBC- und NYT-Artikel, sondern um ein Interview im Frage- und Antwortspiel. Solche werden von der SZ immer vor Veröffentlichung dem Interviewten nocheinmal vorgelegt, zu dessen Korrektur und dessen Einverständnis. Denn grad in der SZ gab es letztes Jahr eine Litanei an Artikeln von Journalisten, die beklagen, daß sie bereits vor einem Interview mit einem Politiker oder Prominenten Schreiben von deren Anwälten erhalten, in denen sich die Interviewten das Recht festschreiben, das Interview vor Drucklegung zusammenzustreichen, zu verändern oder gar bestimmte Fragen von vornherein auszuschließen, sodaß kritischer Journalismus kaum mehr möglich sei.
Daher kann ich mir nicht recht vorstellen, daß das Interview in seiner abgedruckten Form vom TG nicht autorisiert wäre, es sei denn, vielleicht hat es eine kleinere Lokalredaktion oder ein Freelancer geführt.