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Meteoriten => Meteorite => Thema gestartet von: astro112233 am Mai 25, 2008, 23:54:02 Nachmittag

Titel: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: astro112233 am Mai 25, 2008, 23:54:02 Nachmittag
Kurze Frage an die Spezialisten.

Ist diese Definition so korrekt?

Widmannstättensche Figuren

... Diese Muster entstehen durch das extrem langsame Abkühlen und Auskristallisieren der beiden Minerale Taenit und Kamazit unter dem Einfluss der im Weltall herrschenden Schwerelosigkeit. Die Abkühlung des betroffenen Materials beträgt in 1 Million Jahre lediglich 1° Celsius.

Gruß Konrad  :hut:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: paragraf am Mai 26, 2008, 01:30:39 Vormittag
Hallo Konrad,

so steht es in den Schriften überall geschrieben...

Nur wundere ich mich dabei über so einiges: Abkühlung also in 1 Mio. Jahren um 1° C ... Alter 4,6 Milliarden Jahre, macht 4600 Millionen Jahre.. oder? War das Teil dann 4600° C ursprünglich heiß? Und wer oder was hat es auf seiner Reise durch den Raum mit Wärme versorgt? Ich dachte, im Raum herrscht knapp der absolute Nullpunkt? Wieso kühlt sich dann so ein Teil so langsam ab?

Bin sehr gespannt, ob da jemand eine Erklärung dazu hat, mit der ich leben kann...
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Mettmann am Mai 26, 2008, 03:41:59 Vormittag
Mit der vielleicht?

http://www.psrd.hawaii.edu/April07/irons.html

 :prostbier:
Martin
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: tozi am Mai 26, 2008, 09:16:30 Vormittag
hallo,
das alter von 4,6 mrd jahren heisst ja nicht dass der met die ganze zeit abkühlt. er kühlt meinetwegen 1200 mio jahre ab, also ca. 1200° und den rest fliegt er einfach kalt weiter... grins.
gruß tom
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Aurum am Mai 26, 2008, 15:04:55 Nachmittag
Hallo alle ,

die Sache mit der Abkühlung beschäftigt mich auch schon eine weile , und so ganz verstanden habe ich sie auch nicht , ich kann mir diese grossen abkühlungs Zeiträume nur erklären wenn es sich um große Brocken handelt .
Bei denen würde die Äußere Schicht schnell abkühlen und den inneren Bereich " Eventuell "gegen die Weltraum Kälte Isolieren .
Wenn das Stimmen würde müssten es aber Eisenmeteoriten ohne Witt/Neumasche Linien geben  :gruebel:
Ich habe noch von keinem gehört . :nixweiss:
Es kann aber auch sein das der Äußere Mantel aus Gestein besteht  , wie bei den Condriten , denen traue ich auch  bessere IsolierEigenschaften zu .
Was meint ihr  :gruebel:

Bis dann Lutz  :winke:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Mettmann am Mai 26, 2008, 18:52:54 Nachmittag
Nu natürlich entstanden die Eisen nicht einfach so als kleine Bröckchen direktemang aussem Nebel.
Sondern, hatmer ja schon oft, was sind überhaupt die Wärmequellen, die so einen Asteroid erwärmen?
Kontraktion, Kollision und die Zerfallswärme der schweren instabilen Isotope. Daß er überhaupt der letzteren soviel produzieren kann, sodaß er teilweise oder vollends aufschmelzen kann, sodaß sich überhaupt das Metall von den Silikaten trennen kann (ausgangspunkt? Rischtisch aufgepaßt: die 3er!) und wegen seine höheren Dichte zum Kern absinkt und sich dort ansammeln kann, muß er groooß sein.

Und groooße Körper halten die Wärme eben länger, als kleine. Zum einen weilse dick sind, zum andern weil je größer (und runder) ein Körper ist, desto kleiner wird das Verhältnis der Oberfläche (von der die Wärme ja abgestrahlt werden muß) zum Volumen.

Drum sind die Pinguine, die Seeelefanten und die Pottwale auch möglichst groß und rund, weil sie so einen kleineren Wärmeverlust haben, als wennse nur Mausgroß wären.

Oder Experiment zu Hause - die Gummibären in der Standardgröße werden wenn man sie länger liegen läßt viel schneller hart als bspw. die größeren Motive a la Tiere, Teifeln usw. aus dem Sortiment des Markenführers, obwohl sie aus demselben Material sind.
Warum, weil die Gummibären viel kleiner sind und noch dazu von sehr unregelmäßiger Form mit ihren Füßlein,
sodaß sie mehr Oberfläche pro Volumen haben als die andern Viecher und daher mehr ihrer Feuchtigkeit im gleichen Zeitraum an die Luft abgeben.
Ich hab Hunger.

Allzu verwundern sollten Euch die Abkühlraten nicht - denn wenn ihr Euch an die Schulzeit zurückerinnert, was habtihr da gelernt?
Daß die Erde einen Eisennickelkern hat, der so heiß, daß er sogar teilweis noch flüssig ist.
Und unsere Erde hat über die 4,5Mrd Jahre ihre Wärme noch so gut gehalten, daß man ja nur ein paar hundert Meter tief Bohren muß, will man Wasserkochen und Energie gewinnen, bzw. sprudelt und spritzt an vielen Stellen noch geschmolzenes Gestein aus den Vulkanen usw.
Der kleinere Mond z.B., da war der Ofen vor 3,3Mrd Jahren schon aus. Seitdem tut sich nix mehr (und aus dieser Spätphase stammt übrigens unser neuester Lunait). Der Mars, der ja nun auch nicht sooo wahnsinnig viel größer ist, als der Mond, aber  der hat ja mindestens noch vor 1Mrd Jahre rumgemacht.

Übrigens historisch waren das die allerersten Versuche, das Alter der Erde zu bestimmen, in dem man im Labor Metallkugeln erhitzt und ihre Abkühlung gemessen hat und daß dann auf eine Metallkugel in der Größe der Erde umgerechnet hat.
Das wahre Alter der Erde wissmer ja erst durch die Meteorite und seit dem man die Altersbestimmung über die Zerfallsketten der Isotope durchführen kann.

 :prostbier:
Mettmann
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: paragraf am Mai 27, 2008, 00:35:43 Vormittag
Hallo Martin,

Deine Ausführungen kann ich soweit hinsichtlich der Abkühlgeschwindigkeit soweit nachvollziehen, die Studie, aud die Dein Link hinweist, berechnet die Abkühlgeschwindigkeit auch für eine angenommenen Größe eines Körpers von 300km/d.

Soweit, so gut... Wenn aber der Abkühlprozess - nach sagen wir mal nach einer Milliarden Jahren - abgeschlossen ist und diese Widtmannstättschen Figuren entstanden sind, müsste sowas doch auch im irdischen (gediegenen) Erz vorkommen, evtl. geborgen aus großen Tiefen...

Gruß
Bernd

Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Mettmann am Mai 27, 2008, 01:04:11 Vormittag
Nein, der feste Nickeleisenkern der Erde, der umfaßt ja von den 12700km Erdurchmesser nur die inneren 2500km
und ist übrigens 6700° heiß. Drumrum schwimmt der flüssige Eisennickelkern auch nochmal 2200km mächtig, etwas weniger als 3000° heiß.
Und drüber hast den Silikatischen Mantel bis zur Kruste/Oberfläche, also nochmal 2900km

Das bisserl Eisen in der Kruste kommt ja kaum in großen gediegenen Batzen vor, weswegen wir ja so müsahm die Erze verhütten müssen, um metallisches Eisen zu gewinnen.
Und natürlich ists nicht alt genug, die Erdkruste ist ja dauernd in Bewegung, dauert driften die Platten auseinander, Magma quillt hervor, neues Gestein wird gebildet, und andernorts schieben die sich übereinander, sodaß das Gestein unten wieder aufgeschmolzen wird, Plumes brechen hervor, Vulkanismus, Erosion usw.
Drum hats ja auch erst der Meteorite bedurft, um das Alter der Erde herauszufinden, denn 90% der Gesteine die hier so oben herumliegen, sind nicht älter als 0,6 Mrd Jahre.

Die Bislang tiefste Bohrung erreichte eine Tiefe von 12,2km...

 :prostbier:
Mettmann

Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Allende am Mai 28, 2008, 22:22:33 Nachmittag
Stop!  :gruebel:

Da geht (wiedermal) etwas durcheinander, bzw. sollte klarer beschrieben werden. Ich möchte versuchen, es einfach zu erklären, wie es mit der Bildung der Widmannstättenschen Figuren abläuft/ablief:

Wir sind uns wahrscheinlich alle einig, dass Eisenmeteoriten Proben aus dem Zentrum grosser, differenzierter Körper (Asteroide mit +/-100 km Durchmesser) sind. Das Zentrum dieser grossen Asteroide sammelte über einige Millionen Jahre im heissen Kern die schweren Elemente (Eisen, Nickel, Kobalt, in Spuren auch Edelmetalle Gold, Iriduim und andere). Dann irgendwann versiegte die innere Wärmequelle und der XXL-Körper kühlte langsam vor sich hin im Weltraum. Der thermische Ausgleich, bis so ein XXL-Körper innen kalt ist, hat sicher einige zig-Millionen Jahre gedauert.

Unser +/-100 km Durchmesser Körper durchlief dabei im Inneren bei seiner Millionen Jahre langen Abkühlungsdauer auch den Temperaturbereich von etwa 900 bis 700°C. In diesem Temperaturbereich bildeten sich die Widmannstättenschen Figuren im metallischen Kern unseres Asteroiden aus. Abhängig von seiner chemischen Zusammensetzung läuft der Wachstumsprozess der Widmannstättenschen Figuren unterschiedlich schnell ab. Vor bald 25 Jahren haben Narajan & Goldstein mit ihrem Artikel „A major revision of iron meteorite cooling rates“ (GCA, 1985, Vol.49, p397-410) die Basis für unser heutiges Verständnis der Abkühlraten der wichtigsten Eisengruppen gelegt. Die Untersuchungen sind grösstenteils auch heute noch gültig. Die Abkühlraten der wichtigsten Chemischen Eisengruppen wurden damals neu unter Berücksichtigung des Einflusses von Phosphor errechnet und liegen um eine Grössenordnung von 100-fach grösser (= schneller) als in noch früheren Berechnungsmodellen. Vor mehr als 25 Jahren sprach die Wissenschaft von „wenigen Grad Celsius pro Millionen Jahre“. Heute spricht man von Abkühlungsraten von 100 bis 200°C/Mio Jahre für IID, IIIB und IIIC-Eisen. IVA-Eisen haben sogar Abkühlungsraten von 1'000 bis 50'000°C/Mio Jahre. Auf „kleine Zeiträume“ gerechnet (Beispiel: 1 Jahr) sind das aber immer noch irrsinnige Temperarturkonstanzen (0.001-0.005°C/Jahr für IVA-Eisen). Der Ni-Gehalt spielt bei der Strukturbildung eine wesentliche Rolle, aber es sind auch noch andere Elemente, die das Ganze rauf und runter, das heisst zu schnelleren oder langsameren Abkühlungsraten beeinflussen. Der in vielen populärwissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern genannte Wert von „etwa 1°C“ hat wohl wenig mit der Wahrheit zu tun, schleppt sich aber (leider) seit vielen Jahren durch die Köpfe und inzwischen (leider) auch durch viele Internetseiten, wohl, weil man sich den Wert leichter einprägen kann und weil sich einfache Bücher leichter lesen lassen als wissenschaftliche Fachliteratur (Beispiele: Die Artikel von „Meteoritcs & Planetary Science“ und „Geocimica et Cosmochimica Acta“). Sehr empfehlenswert sind z.B. auch die Bücher „Planetologie“ (L. Schultz, 1993) und „Meteorites“ (R. Hutchison, 2004).

In der Hoffnung, jetzt nicht alle Forummitglieder vor den Kopf gestossen zu haben, grüsse ich euch alle recht freundlich aus Niederhasli/Helvetien.  :winke:

Allende

PS: Alexp, Du hast Recht. Ich muss mich ab und zu mal mit einem Beitrag bemerkbar machen

PS2: Ich hoffe, dass ich einige von Euch in Ensisheim (20.-22. Juni) treffen werde  :prostbier:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Aurum am Mai 28, 2008, 22:29:10 Nachmittag
Hallo Allende ,

schön mal wieder einen Beitrag von dir gelesehn zu haben , also mich hast du mit deinem Beitrag bestimmt nicht vor den Kopf gestossen , im gegenteil einiges von dem du geschrieben hast bestättigte mich in meinen annahmen .

Bis dann Lutz  :winke:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: JaH073 am Mai 28, 2008, 22:49:56 Nachmittag
Hallo Jürgen,

Danke für deinen fachlichen Beitrag.
Prima wenn man auch belegen kann wo diese wissenswerte Informationen stehen.
Ich habe wieder festgestellt, daß ich noch viel zu wenig Literatur über unser Hobby habe.

Was meinst du zu der obigen Abbildung.
Kann man diese so stehen lassen ?

Gruß

Hanno
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: gsac am Mai 28, 2008, 23:25:06 Nachmittag
PS: Alexp, Du hast Recht. Ich muss mich ab und zu mal mit einem Beitrag bemerkbar machen

Bob Haags Lieblingsspruch "No problems, I hate problems!" pflegte oder pflegt er immer noch
zu komplementieren mit einem druffgesattelten "Big is beautiful!" oder "The bigger, the better!".

Die "High Roller" (...übrigens nicht meine Wortschöpfung, sondern die von "Sky&Telescope" in
einem Uralt-Artikel über Bob Haag!) haben den Vorteil der frühen Stunde, schönes Material in
guter Menge angesammelt und sich darüber auch über lange Zeit schlau gemacht zu machen.

Wenn ein berufliches Metallkundeprofil sich dann noch mit fundierter privater Expertise vereinigt,
haben wir ein gutes Ergebnis - compliments!

:super: Alexp :prostbier:

[PS: ..und all die Anderen, Dieter, Rainer..? Where art thou?? No woman no cry, no man no voice? No contributions!]


Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: paragraf am Mai 29, 2008, 01:56:00 Vormittag
Jo,

so sind sie halt, die Schweizer, präzise, auf den Punkt genau und wer Zweifel hat, bekommt die Fundstelle um die Ohren gehauen, natürlich seriös leidenschaftslos.  :winke:
Vielen Dank für die Ausführungen!

Gruß
Bernd
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: astro112233 am Juni 01, 2008, 00:15:34 Vormittag
Hallo Freunde,

vielen Dank für die sehr informativen Beiträge zum Thema. Nun ist mir die komplexe Entstehung der W-Figuren wesentlich transparenten und verständlicher.

Ein spezielles Dankeschön in die nahe Schweiz. Herr Allende, meine Hochachtung für die erstklassigen Erläuterungen und Ausführungen.

Gruß Konrad  :hut:     
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Allende am Juni 01, 2008, 11:57:51 Vormittag
Jungs, Mädels, Eisenliebhaber!

Noch ein paar ergänzende Anmerkungen zur Entstehung und Ausbildung der Widmannstättenschen Figuren:

Wir kennen die Kugel als thermodynamisch energieeffizienteste geometrische Form. Bei zwei miteinander in Kontakt tretenden festen Phasen sieht es etwas anders aus. Bei struktureller Inkohärenz (Zusammenhangslosigkeit) zwischen zwei festen Phasen in Eisenmeteoriten (kubisch raumzentriertes alpha-Eisen = „Kamazit“ und kubisch flächenzentriertes gamma-Eisen = „Taenit“) wird deren Gestalt durch das thermodynamische Streben nach kleinster Phasen-Grenzflächenenergie bestimmt und im Falle des Kamazits in Form von Platten, die nach dem Oktaeder aufgebaut sind, umgesetzt. Das bedeutet auch: Wärme muss sein, ohne Wärme laufen physikalische/chemische/thermodynamische Prozesse nicht ab. Die Bildung des Kamazits und seine Wachstumsgeschwindigkeit werden dabei durch die Diffusion der Nickelatome über kleine Strecken gesteuert. Der gesamte Prozess der Ni-Diffusion bei abnehmender Temperatur, der zeitgleichen Kamazitbildung und der Ni-Anreicherung in den restlichen Taenitbereichen (bis 55%!), die Wachstumsgeschwindigkeit der Widmannstättenschen Figuren, alles unter Berücksichtigung der Anwesenheit der Nichtmetalle Phosphor, Schwefel (und Kohlenstoff) ist recht komplex und da möchte ich jetzt eine grosszügige Auslassung machen statt Seiten zu füllen, aber man sollte noch verstehen, dass unterschiedliche Gruppen von Eisenmeteoriten mit nahezu gleicher chemischer Zusammensetzung (Beispiel: IID-Eisen und IIC-Eisen) nur dann sinnvoll erklärt werden können, wenn deren Bildungsbedingungen durch den Zeitfaktor massgeblich beeinflusst werden/wurden. Beispiel: Die Off-Struktur der IIC-Eisen muss also durch eine erheblich höhere (= schnellere) Abkühlungsgeschwindigkeit entstanden sein, als die Om-Struktur der chemisch fast gleichen IID-Gruppe. Die ermittelten/errechneten Abkühlungsgeschwindigkeiten gehen dann auch tatsächlich von rund 100°C/Mio Jahre für IID-Eisen und ca. 20'000°C/Mio Jahre für IIC-Eisen aus (nach Narajan & Goldstein).

Ach und ich wurde noch direkt per email angefragt, wie das denn möglich ist, dass Eisenmeteoriten-Proben aus dem Zentrum grosser XXL-Asteroiden stammen können. Ich meine die Erklärung ist ganz einfach: Kollidieren zwei grosse Asteroide miteinander, dann gibt es bei katastrophaler Zerstörung auch Bruchstücke aus dem Inneren der Kollisionspartner, die dann irgendwann unsere liebe Erde erreichen konnten oder vielleicht noch erreichen werden. Es muss irgendwann in früheren Zeiten ordentlich da oben gerumst und gekracht haben…

Persönliche Anmerkung nach 24 Jahren andauernder Sammlertätigkeit: Eisenmeteorite sind sehr spannend, da wird einem nie langeilig und gegen den Rost kann man auch etwas tun: Trockenhalten und klimatische Lastwechsel vermeiden.

Allende

PS: Wir sehen uns dann (hoffentlich) alle in Ensisheim beim Meteor-Bier, Wein, Wildschwein und Tarte Flambeé   :prostbier:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: ironmet am Juni 01, 2008, 19:15:06 Nachmittag
Ups,

ich sehe ich bin hier in letzter Zeit zu selten online.
Sehr schöne Erklärung Jürgen!
Obwohl ich davon auch nicht alles verstehe.

Deine persönliche Anmerkung gefällt mir jedenfalls.
Das es nie langweilig mit den Eisen wird,kann ich nur allzugut bestätigen!
Nicht etwa wegen der Rostbekämpfung,nein nein :fingerzeig:

Und klar Jürgen sehen wir uns in Ensisheim!
Du mit dem Bier und ich mit dem Wildschwein! :einaugeblinzel:

Viele Grüße Mirko :prostbier:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Achgold am Juni 01, 2008, 21:17:18 Nachmittag
Hello Allende,beim Lesen Deines sehr lehrreichen Beitrages über die Bildung der Witmannst.Figuren und den ergänzenden Link vom Mettmann möchte ich mich mit folgender Frage an Dich wenden:Normalerweise sind doch Diffusionsvorgänge in Festkörpern ,und ich spreche hiermit die Nickelkonzentration bei abnehmender Temperatur an,so gerichtet,das eine Konzentrationsabnahme im Gesamtvolumen zustandekommt.Das heißt,der Diffusionsfluß verläuft von höherer zu niedrigerer Konzentration----es wird eine gleichmäßige Durchmischung angestrebt.Warum verhält sich die Nickelkonzentration bei abnehmender Temperatur aber gerade entgegengesetzt zu den die Diffusion antreibenden Gesetzmäßigkeiten???
Ist dieser Effekt vergleichbar mit Entmischungsvorgängen vor der Erstarrungsfront von Kristalliten,bei denen Atome nicht in Kristallgitter eingebaut werden und somit aus der Kristallisationszone herausgeschoben werden???(Technikanwendung Zonenschmelzen zwecks Halbleiterreinigung von Fremdsubstanzen)
                                                                                                                                          fragt neugierig wie immer Jochen
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Aurum am Juni 01, 2008, 21:37:49 Nachmittag
Hallo Jochen ,


Super Frage ,  :super: nun bin ich mal auf die Antwort gespannt , ich vermute das es etwas mit der Gravitation zu tun hat , aber mal abwarten .

Bis dann Lutz  :winke:
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Hungriger Wolf am Juni 01, 2008, 23:02:42 Nachmittag
Hallo!

Ich bin mir auch unschlüssig darüber, ob das alles so richtig ist, was in der wissenschaftlichen Buchliteratur so zu finden ist!

Bei meiner Internetrecherche bin ich auf den unteren Link (Seite 14)/Widmannstättensche Figuren in Stahlgussteile gestossen!

http://www.fh-gelsenkirchen.de/werkstoffkunde/Deutsch/Lehrveranstaltung/Studenten/WK_Eisengu%DFwerkstoffe.pdf

Also gibt es die Widmannstättensche Figuren auch auf der Erde bei der Herstellung eines Stahlgussteils?
Wie ist das richtig zu bewerten?

schöne Grüsse von :winke:
Achim
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: paragraf am Juni 02, 2008, 00:08:20 Vormittag
Hallo Achim,

janun gerade nicht! Ich glaube der Prof. hat das nur "Das Widmannstättensche Gefüge" genannt, weil Widmannstätten wohl der erste war, der Metallgefüge per Ätzung sichtbar gemacht hatte.

Gruß
Bernd
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Allende am Juni 02, 2008, 19:33:34 Nachmittag
Dreifacher kleiner Exkurs in die Metallkunde:  :user:

Info an Achgold:
Guter Einwand. Ich will versuchen es in der „very light version“ also knapp und doch so verständlich wie möglich auszudrücken. Der Taenit (austenitisches Gamma-Eisen) eines Eisenmeteoriten mit z.B. 10% Ni-Gehalt durchläuft bei Abkühlung aus einer Temperatur von >900°C irgendwann vom Einphasengebiet die Feststoff-Phasengrenze in das Zweiphasengebiet Alpha + Gamma hinein und dabei wandelt sich immer mehr Taenit in Kamazit um. Aus Taenit wird also Kamazit und Taenit bleibt (verändert) vorhanden. Ni-armes Kamazit bildet sich direkt aus dem vergleichsweise Ni-reichen Taenit. Kamazit kann maximal 7.5% Ni-Gehalt aufnehmen (typisch 5.5 bis 7%), im Taenit kann der Ni-Gehalt bis auf 55% anwachsen, mehr hat man noch nie gemessen. Bei absinkender Temperatur – alles schön langsam in Millionen von Jahren – wachsen die Kamazit-Lamellen und weisen am Rand und der Mitte ziemlich gleichmässig +/- 6% Ni-Gehalt. Die ursprüngliche Menge Taenit wird durch das Breitenwachstum der Kamazit-Lamelle „aufgezehrt“, wird also anteilsmässig reduziert, sammelt aber den „überschüssigen“ Ni-Gehalt, der in den Kamazit-Balken nicht gelöst werden kann, an. Misst man ein Ni-Profil (Line Scan), so ist der Ni-Gehalt im Kamazit nahezu eine Gerade, im Taenit ein starker Anstieg am Rand und in der Mitte vom Taenit ein Abfall auf eine wieder etwas niedrigere Ni-Konzentration (Stichwort: „M“-Profil) zu messen. Die Abkühlungsgeschwindigkeit und der Ausgangsgehalt von Ni und Beimengungen anderer Elemente, insbesondere von Phosphor sorgen dann dafür, wie breit die Kamazit-Balken werden. Es gilt: Je schneller die Abkühlungsgeschwindigkeit, desto schmaler die Kamazit-Balken und es gilt auch: Je mehr Ni-Gehalt, desto schmaler die Kamazit-Balken. Unser Eisenmeteorit mit über die Fläche gemessenen ca. 10% Ni-Gehalt hat also, wenn man etwas genauer hinschaut +/- 6% Ni im Kamazit und irgendetwas zwischen 25 bis 55% Ni-Gehalt im restlichen Taenit, der meist nur noch hauchdünn die Kamazit-Lamellen oder –Balken umgibt/umhüllt. Taenit wird deshalb auch als „Hülleisen“ bezeichnet. Ein weiterer Gefügebestandteil, die Plessitfelder, sind Überbleibsel aus diesem langsamen Strukturbildungsprozess bei tieferen Temperaturen und wenn man eine Lupe zur Hilfe nimmt, dann sind die Plessitfelder meist (nicht immer!) feinstreifig aus Kamazit und Taenit aufgebaut. Ich hoffe, dass reicht Dir das als Erklärung?  :gruebel:
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Info an Hungriger Wolf:
Ja, es gibt tatsächlich eine Art „Widmannstättensches Gefüge“ auch in technischen Eisenlegierungen mit meist geringen Kohlenstoffgehalten bis 0.4% (Stahlguss). Die Entstehung, die chemische Zusammensetzung und die mikroskopische Struktur hat aber ausser einer gewissen visuellen Ähnlichkeit eigentlich nichts mit dem Widmannstättenschen Gefüge der Eisenmeteoriten zu tun.

Hier noch ein Zitat aus „Das Zustandsschaubild Eisen-Kohlenstoff und Grundlagen der Wärmebehandlung der Eisen-Kohlenstoff-Legierungen“, Verlag Stahleisen M.B.H. (1961), dass dieses „Widmannstättensche Gefüge“ korrekt, aber recht schwerverständlich beschreibt. Zum Verstehen sind sicher Kenntnisse von metallkundlichen Begriffen von Vorteil:

„In untereutektoidischen Legierungen beginnt die Umwandlung mit einer voreutektoidischen Ferritausscheidung, in übereutektoidischen Legierungen mit einer voreutektoidischen Zementitausscheidung. Diese voreutektiodischen Ausscheidungen bilden sich im allgemeinen an den Korngrenzen der Austenitkristalle; bei grobem Austenitkorn und erhöhter Abkühlungsgeschwindigkeit können sie aber auch im Inneren der Austenitkristalle an kristallographisch bevorzugten Gitterebenen entstehen. Man bezeichnet dieses Gefüge als Widmannstättensches Gefüge.“

Bitte nicht verwechseln:
Widmannstättensches Gefüge im Stahlguss ist ein Überhitzungsgefüge mit nachteiliger Sprödigkeit, die die mechanische Festigkeit der technischen Stahllegierung absenkt. Bei schneller Abkühlung aus einem überhitzten, grobkörnig geglühten Austenit können vorausgeschiedene Ferritnadeln, oder auch bei übereutektoidischen Stählen vorausgeschiedene Ferrit-/Zementitnadeln entstehen. Die Festkörperumwandlung von Austenit (Gamma-Eisen) Richtung Ferrit (Alpha-Eisen) verläuft dabei anomal. Durch Glühbehandlung (Normalisieren) kann die Gefügestruktur positiv beeinflusst werden.
In Gegenzug dazu entsteht Widmannstättensches Gefüge in Eisenmeteoriten durch extrem langsame Abkühlung. Einzig die Benennung wurde für zwei sehr verschiedene Prozesse in früheren Zeiten namentlich gleichgesetzt. Das ist sicher nicht vorteilhaft, aber auch nicht sehr schlimm.  :confused:
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Info an Paragraf:
Deine Aussage ist nicht ganz korrekt. Alois Beck von Widmannstätten hatte zwar etwa gegen 1808 die später nach ihm benannte Widmannstättensche Struktur durch chemische Ätzbehandlung einer Meteoreisenplatte gefunden und typographisch (Probe mit Druckerschwärze bestrichen und dann unmittelbar selbst als Druckstock verwendet, siehe in Schreibers, C.V.: Beiträge zur Geschichte und Kenntnis meteorischer Stein- und Metallmassen, 1820) benutzt, aber die Veröffentlichung der ersten mikroskopischen Gefügeaufnahmen an Metallschliffen wurde erst im Juni 1864 durch Henry Clifton Sorby (geb. 1826, gest. 1908) gemacht. Sorby hatte im Jahr 1863 erstmalig „Widmannstättensche Figuren“ an technischem Eisen (Stahlguss) gefunden. Die Arbeiten von Sorby fanden jedoch wenig Beachtung bis schliesslich Adolf Martens (geb. 1850, gest. 1914) im Jahre 1878 die Nutzbarmachung und Weiterentwicklung der Metallographie im Dienste der Werkstoffprüfung und -forschung durchsetzte. Der Name „Sorbit“ fand früher auch in der Metallkunde Gebrauch. „Sorbit“ und „Trostit“ waren alte, heute kaum mehr gebrauchte Begriffe für einen sehr feinlamellaren, bzw. einen groblamellaren Perlit (Gemisch aus Ferrit = alpha-Eisen und Zementit = Fe3C Eisenkarbid). Der Name Martens ist heute noch als Gefügebestandteil „Martensit“ (Härtungsgefüge) aus der Stahl- und Eisenhüttenkunde gut bekannt und dort nicht wegzudenken, in Eisenmeteoriten ist „Martensit“ auch bekannt. Bestes Beispiel: Tishomingo = Ni-reicher martensitischer Ataxit mit phantastischer Mikrostruktur!
Alles klar?!  :dizzy:

Info: In Ensisheim habe ich einige kleine geätzte Teilstücke vom martensitischen Tishomingo-Eisen abzugeben…
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Achso: All das muss man nicht unbedingt wissen wenn man Eisenmeteoriten nur sammelt, aber es macht enorm viel Spass und wird immer interessanter, je tiefer man in die Materie und in die Literatur eindringt. Ich sitze schon wieder viel zu lange am PC und muss jetzt draussen im Garten erstmal ein Bier trinken … und tschüss.

Allende  :winke:

PS: Wer Spass hat, sollte sich mal an folgendem Artikel versuchen: „Yang & Goldstein: The formation of Widmannstätten structure in meteorites“, MAPS 40, No. 2, pages 239-253 (2005). Da wir es dann richtig schwierig. Kann ich auf Wunsch als pdf-File durch die Leitung schieben.  :einaugeblinzel:

Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: paragraf am Juni 03, 2008, 01:36:11 Vormittag
Hallo Allende,

BOW! Kein Scherz: Meine Verehrung!

Das erinnert mich an meinen Orthopäden, dessen Motto es ist: "Bei mir wird nicht dilettantisch mit Spritzen übertüncht, hier wird eingerenkt und heile gemacht!"  :lacher:

Gruß
Bernd
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: herbraab am Juni 03, 2008, 11:59:16 Vormittag
Alois Beck von Widmannstätten hatte zwar etwa gegen 1808 die später nach ihm benannte Widmannstättensche Struktur durch chemische Ätzbehandlung einer Meteoreisenplatte gefunden und typographisch (Probe mit Druckerschwärze bestrichen und dann unmittelbar selbst als Druckstock verwendet, siehe in Schreibers, C.V.: Beiträge zur Geschichte und Kenntnis meteorischer Stein- und Metallmassen, 1820) benutzt

Hallo Allende,

ich dachte, Widmanstätten hätte die Figuren zunächst beim Erhitzen von Eisenplättchen vom Hraschina-Eisen gefunden, und diese erst später auch durch Ätzung herausgearbeitet? Die original Plättchen mit den Anlauffarben kann man übrigens in der Schausammlung im NHM Wien sehen.

Grüße, Herbert
Titel: Re: Widmannstättensche Figuren - Entstehung?
Beitrag von: Allende am Juni 04, 2008, 06:12:09 Vormittag
Hallo Herb

Deine Aussage ist richtig, Du bist gut informiert!  :super: A.v.Widmannstätten hat die nach Ihm benannten Figuren erstmalig an einem Stück Hraschina-Eisen durch einen Glühversuch durch die Anlauffarben sichtbar gemacht, aber bekannter sich seine frühen, wohl auch aus dem Jahr 1808 durchgeführten Ätzversuche geworden, die sich dann auch in dem von ihm geschriebenen Buch von 1820 wiederfinden. Das war ja auch die Frage oder Anmerkung von Kollege Paragraf, nach der ätztechnischen Sichtbarmachung der Struktur von der Eisenstruktur.

Strenggenommen hatte aber William Thomson aus England das Widmannstättensche Gefüge bereits im Jahre 1804 in einer Eisenpartie vom Krasnojarsk-Pallasiten entdeckt und von dort abgezeichnet. Referenz: Bibliothèque Britannique 27:135-154, 209-229, 1804). Eigentlich müssten die Widmannstättenschen Figuren zu Ehren von W. Thomson „Thomson’sche Figuren“ genannt werden.

Gruss, Allende