3. Tinguait
3.1 Särna-Tinguait (Leitgeschiebe)
Tinguaite stellen das Gangäquivalent von Phonoliten dar. Sie zählen als Ganggesteine, wie Grorudit und Sölvsbergit, somit zu den Vulkaniten bzw. Subvulkaniten. Vom Chemismus ist der Särna-Tinguait, wie alle Tinguaite, ein Nephelin-Syenit (Intrusivgestein) mit den Foiden Nephelin und Cancrinit. Das Alter liegt bei 287 +/- 14 Millionen Jahre. Herkunft: Region Dalarna, Schweden.
Das Magma, aus welcher Tinguaite hervorgegangen sind, muss sehr arm an Kieselsäure gewesen sein, wodurch die Bildung von Quarz verhindert wurde. Stattdessen konnten sich in dem basischen Milieu Foide (Feldspatvertreter) bilden. Diese zeigen sich als braunrote Kristalle (Cancrinit) und Nephelin. Die kleinen schwarzen Nadeln bestehen aus Aegirin und sind zum Nachweis dieses Gesteins zwingend erforderlich. Als weißes Mineral kommt gelegentlich Calcit im Gestein vor, mitunter als Mandelausbildung. Die typische graugrüne Färbung erhält dieser Porphyr durch eingeschmolzenes Epidot und das ebenfalls grüne Chlorit. Deutlich grüne Grundmassen sind seltener anzutreffen als die grau-grüne Variante. Die Einsprenglinge folgen manchmal einer fluidalen Einregelung. Der Särna-Tinguait ist ein Subvulkanit, im oberen Magma-Schlot ausgekühlt. Bekannte Anstehende finden sich als ca. 3 Meter breite Gänge im Nordwesten der Schwedischen Region Dalarna, südlich der Stadt Särna gelegen. Särna-Tinguait zählt zu den klassischen Leitgeschieben. Das Anstehende der Särna-Tinguaite befindet sich an mehreren Stellen rund um Särna, z. T. innerhalb der anstehenden Särnaite an den Bergen Ekorråsen und Siksjöberget. Normalerweise ist Tinguait nicht oder nur kaum merklich liniert; allenfalls zeigen die Einsprenglinge eine annähernd parallele Lagerung. Bei Brattberg kommt eine fluidale Variante vor. Die Grundmasse ist dicht oder etwas körnig und mutet gewöhnlich quarzitisch an. Als Einsprenglinge sind vorhanden:
1. Vor allem Feldspat oder
2. Nephelin, Feldspat und Ägirin (manchmal auch Cancrinit) oder
3. Feldspat, Cancrinit, Sodalith und Ägirin (manchmal auch Natrolith) oder
4. überwiegend Nephelin…“
Am Auffälligsten sind Särna-Tinguait Geschiebe vom südlichen der bekannten Anstehenden um Särna, dem Berg Ekorråsen. Dort zeigen die Tinguait-Gänge eine intensive, blaugrüne Farbe.
Aufgrund der zum Teil überproportional häufigen, lokalen Funde im Norden Jütlands wird vermutet, dass es noch weitere Anstehende, bzw. durch Korrosion abgetragene Muttergesteine gegeben haben könnte, z.B. im Särna-Porphyr und Dala-Sandstein (Hjelmqvist 1966, Magnusson 1923).
Da Särna-Tinguait eng mit den Gesteinen der Grorudit-Tinguait-Serie verwandt ist, ist die Möglichkeit eines gemeinsamen Stammmagmas durchaus diskussionsfähig:
Die bekannten anstehenden Gänge des Särna-Tinguait befinden sich im Grenzgebiet des Transskandinavischen Magmatitgürtel (TMG) zum Kaledonischen Gebirge und gleichzeitig in der Verlängerung des nordöstlichen Endes des Rendal-Graben, welcher den Transskandinavischen Magmatitgürtel penetriert, und den N Abschluss des Oslo-Rift bildet. Die Riftstrukturen enden hier in quer zur Scherrichtung verlaufenden Verwerfungen. Zu erwähnen sei an dieser Stelle, dass die Ausläufer des Oslo-Rift in den letzten Jahren um etliche km nach NO korrigiert wurden. Diese geographische Einbindung in die Störungszonen des Oslo-Rift legt die Vermutung nahe, dass beide Gesteine, der Tinguait von Särna, und die aus der Telemark stammenden Tinguaite, beide in der Riftbildung begründet liegen. Das Alter des Särna-Tinguait wird mit 287 +/- 14 Millionen Jahre (Ma) benannt und fällt damit ebenfalls in die Zeitspanne des permischen Magmatismus des Oslo-Graben (299 – 251 Ma). In der weitläufigen Umgebung von Särna, fällt der Särna-Tinguait durch sein weitaus jüngeres Alter auf, als die ihn umgebenden svekofennischen Wirtsgesteine. Dieses impliziert ein Ereignis, welches nicht mit der Bildung des Kristallin im sonstigen Transskandinavischen Magmatitgürtel einher gegangen sein wird. Tinguaite stellen generell das Ergebnis von intrakontinentalem Alkalivulkanismus dar. Zugrunde liegen Zerrungsvorgänge der Erdkruste, wobei gelegentlich die diesbezüglich lokalen kontinentalen Lithosphärenplatten reißen, und als Konsequenz daraus alkalibetonte Magmen aus tiefliegenden Herden im oberen Erdmantel gefördert werden. Bei diesem speziellen vulkanischen Ereignis, erfahren die Magmen innerhalb ihrer Kammern vielfältige Differezierungsprozesse, aus denen sich basische Gesteine ausbilden können. Da die Ereignisse, welche zur Genese der Tinguaite aus der Telemark, und denjenigen aus Dalarna, einst auf intrakontinentalem Alkalivulkanismus beruhten, kann eine gemeinsames Ereignis, welches zur Bildung beider Gesteine geführt hat, vermutet werden. Da intrakontinentaler Alkalivulkanismus generell mit Riftbildungen vergesellschaftet ist, kann die Bildung des Särna-Tinguait, durchaus mit diesem Ereignis in Verbindung gebracht werden; zumal die norwegischen wie auch schwedischen Tinguaite eine genetische Nähe zueinander aufweisen, was auf ein gemeinsames Stammmagma hinweist. Diese Vermutung brachte auch LUNDQVIST 1997 zu Papier, und stellte ebenfalls einen Zusammenhang zwischen permischer Riftbildung und der Entstehung von Skandinavischen Tinguaiten her:
“Boulders of the tinguaites connected with the alkaline Siksjöberget-Ekorråsen massif near Särna, northern Dalarna, have been distributed southward by the inland ice as an erratic fan. The fan and the different tinguaite types indicate that spreading has taken place from two or possibly three different centres. Theoretically, these may correspond to protuberances from a plume of alkaline mantle materia in the extension of the Permo-Carboniferous rift in the Oslo region, Norway, a model that must be checked using geophysical measurements. A plume may also account for the updoming of porphyry which emerges through the overlying Jotnian sandstone. Two of the tinguaite centres are situated within this dome.” 1
1Quelle: Jensch J.-F. 2012: Die Leitgeschiebe-Zusammensetzung in der Vigsø Bucht in Nord-Jütland / The Indicator Glacial Erratics Composition oft the Vigsø Bay in Northern Jutland, Geschiebekunde aktuell 28 (5): 137-145, 5 Abb. Hamburg / Greifswald. (ISSN 0178-1731)
Weitere Literatur zu der Theorie: LUNDQVIST, J., 1997: The tinguaite boulder fan in northern Dalarna, Sweden, and the Permo-Carbouniferous rifting of Scandinavia, GFF, Vol. 119 S. 123 – 126 (ISSN1103-5897).
Allgemeine Literatur zu Särna-Tinguait:
• Hjelmqvist, Sven,1966: Beskrivning till berggrundskarta över Kopparbergs Lan. Sverigas geologiska Undersökning Ser.Ca. Nr. 40
• Magnusson, Nils, 1923: The alkaline rocks of Siksjöberget and Ekorråsen in Särna. Geol.Fören.Förhandl. Bind 45 side 295 - 334.
• Lundqvist, Jan, 1951: Särnatinguaiterna och deras blockspridning. Geologiska Föreningens Förhandlingar. Bind 73 Häfte 1. side 15 - 50.