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Sonstiges (hobbyspezifisch) => Literaturhinweise => Thema gestartet von: herbraab am Februar 25, 2022, 21:53:36 Nachmittag
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Diese Seite aus Conrad Lycosthenes "Prodigiorum ac ostentorum chronicon" von 1557 (Seite 508) zeigt offenbar den Metroitenfall von Valdinoce. Soweit ich das entziffern kann, sind am 5. Febuar 1496 ("quintu Caled. Febr.") zur dritten Stunde ("tertia diei hora") drei Steine ("tres lapides") gefallen, und zwar zwischen Cesena ("Caesenam") und Bertinoro ("Bertonoriu") gefallen.
Auch Chladni beschreibt den Fall in seinem Werk "Über Feuer-Meteore" so (S. 207/208), nennt aber als Datum des Falls den 26. oder 28. Jänner. Der 5. Februar im gregorianischen Kalender entspricht dem 27. Jänner im julianischen Kalender. Das kommt also einigermaßen hin - allerdings trat der gregorianische Kalender erst 1582 in Kraft... Das angegebene Datum ist also noch etwas rätselhaft...
Weiß jemand genaueres über das Werk und den dargestellten Fall?
Oder kann jemand den lateinischen Text weiter lesen?
:hut:
Herbert
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Der erste Satz heisst wohl: "Inter Caesenam & Bertinoro, tertia die hora, as quintu Calend Febr, tres lapides adusti coloris horrendo fonitu e coelo cociderut, precesit horu casum inges sonitus, et uelut fragor ruentis materie."
Google übersetzt das etwa so: "Zwischen Caesena und Bertinorus waren in der dritten Stunde, am fünften Februar, drei verbrannte farbige Steine mit einem schrecklichen Geräusch vom Himmel gefallen, und eine Stunde vor dem Fall erhob sich ein Geräusch eines Feuers und wie das Krachen zusammenbrechenden Holzes." :nixweiss:
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Hei Herb,
da hasts in der deutschen Ausgabe (die Texte zwischen der lat. & der dt. weichen unvermeidlich gelegentlich voneinander ab):
https://daten.digitale-sammlungen.de/0009/bsb00090910/images/index.html?id=00090910&groesser=&fip=193.174.98.30&no=&seite=492
Da der Lycosthenes die bekannteste Prodigienchronik war, wird Chladni ihn sicher gelesen haben.
Ein bisserl besprochen hab ich das Werk recht unlängst hier:
https://www.jgr-apolda.eu/index.php?topic=13292.0
:prostbier:
Martin
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Ah, sehr gut!
Vielen Dank, lieber Mettmann! :super:
Interessant, dass in der deutschen Ausgabe der 28. Jänner steht...
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Hmmm, guxx....
Der lateinische Text bei Lycosthenes ist indentisch mit jenem (früheren) aus der Chronik des Marcantonio Sabellico,
wie ihn Chladni hier zitiert:
https://digital.ub.uni-duesseldorf.de/ihd/content/pageview/9066224?query=Forli
..und der hat den 5.Februar.
:prostbier:
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Noch ein kleiner Hinweis: der Strich über einem Buchstaben in dem gedruckten Text markiert ein ausgelassenes "m" oder "n" an direkt nachfolgender Stelle, gelegentlich steht er auch für einen anderen Buchstaben. Man wollte dadurch Platz sparen und einen Ausgleich bei der Zeilenlänge erreichen.
Es heißt also "Bertinorum" und "quintum" usw.
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Vielleicht noch die Anmerkung,
daß die automatische Übersetzung ein paar sinnentstellende Fehler enthält.
praecessit horum casum - da hat das "horum" m.E. nix mit der Stunde (hora) zu tun, sondern ist das Relativpronomen hic, haec, hoc = dieser und zwar Gen. Plural neutrum und bezieht sich auf die drei Steine im vorhergehenden Satz. Und ""inges" ist mit der Tilde überm e ein "ingens" und daher kein Feuer (ignis).
Ich würd den Satz daher so übersetzen und dann wirds auch viel glaubwürdiger:
"Zwischen Cesena und Bertinoro sind am 5.Februar zur dritten Tagesstunde drei brandfarbene Steine mit einem schrecklichen Knall vom Himmel gestürzt,
dem Fall dieser ging ein gewaltiger Knall und ein Krachen wie von einstürzendem Bauholz voraus."
"Materia" ist in dem Fall nicht besonders unbestimmt, denn es kann spezifisch "das Bauholz" heißen, was hier zum ruere gut paßt.
Und sinngemäß übersetzt es ja auch Heroldt so: ein groß Getöß als eins pawes der infallen wolt.
Wer macht den nächsten Satz?
Ich muß jetzt eilen, gestern war schon alles leer geräumt; der Deutsche meint nämlich, daß Klopapier nicht nur gegen tödliche Seuchen, sondern auch gegen nukleare Erstschläge hilft.
:prostbier:
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Super, vielen Dank euch beiden! :super:
:hut:
Herbert
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Ächz, es ist auch schon 40 Jahre her, kundigere Lateiner korrigiert mich
Nächste Sätze:
Es gab welche, die glaubten daß es einer gewesen war, alle anderen, daß er bei seinem Fall in Teile zerplatzt sei.
Dies bezeugen besonders nicht nur die an viele Venetianer geschickten Nachrichten über dieses derartige Wunderzeichen,
sondern es wurde von vielen gewünscht, sich einen Teil des brandfarbenen Steins in der Öffentlichkeit anzuschauen,
Den letzten Satz ab ,obwohl quamquam muß aber der grobibär machen, der ist firmer....
:weissefahne:
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Hui Herb,
da ist eine viel detaillierte Beschreibung des Falls in Chladnis zweiter Quelle:
Antonio Burriel. Vita di Caterina Sforza Riario Contessa d'Imola e Signora di Forli
https://books.google.de/books?id=7WGhZngU4B4C&printsec=frontcover&hl=de&source=gbs_ge_summary_r&cad=0#v=onepage&q=bertinoro&f=false
(Klickst auf S.641 und scrollst nach oben, beginnt auf Seite 638)
Der hat den 26.Jänner
und daß es fünf Stücke waren und an welche Personen die gingen.
Auch wie sie ausgesehen, ein dreieckiger usw.
Jetzt müßt man halt Italienisch können...
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Die dritte Quelle Chladnis, Soldani, ist unergiebig.
Hat nur den Sabellico/Lycosthenestext:
https://it.wikisource.org/w/index.php?title=Pagina:Atti_dell%27Accademia_Delle_Scienze_di_Siena_detta_De%27_Fisio-Critici_-_Tomo_IX.djvu/19&action=edit&redlink=1
und
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