Meteorite-Mineralien-Gold-Forum.de

Meteoriten => Meteorite => Historische Meteorite bis 1849 => Thema gestartet von: Allende am Juni 08, 2015, 22:37:01 Nachmittag

Titel: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am Juni 08, 2015, 22:37:01 Nachmittag
Hallo Forum

Das jetzt vorgestellte Stück Steinbach/Gotha/Grimma ist ein in Ostdeutschland gefundenes IVA-ANOM-Eisen (frühere Klassifikation: SID = Siderophyr). Zu diesem historischen Meteoriten werden folgende Funde als zugehörig gezählt:

- Steinbach/Gotha/Grimma: Fund 1724, 1 kg
- Rittersgrün: Fund 1833 (oder 1847?), 86.5 kg
- Breitenbach: Fund 1861, 10.5 kg

Mein kleines Sammlungsstück (ehemals 20g, jetzt noch 15.4g) ist ein von einer grösseren Masse abgemeisseltes Bruchstück, das ich 1992 im Tausch mit einer Universität als ein Stück ohne Sammlungsettiket, aber mit der mündlichen mit der Beschreibung „wahrscheinlich Krasnojarsk“ erhalten hatte. Von Krasnojarsk sind viele abgemeisselte Proben mit teils absichtlich herausgebrochenen Olivinen in früheren Zeiten in Universitäts- und Museumssammlungen gelandet. Gespannt, ob es ein Krasnojarsk-Stück war oder nicht, hatte ich kurzerhand die Säge angesetzt und eine Schnittfäche von ca. 5cm²) geschnitten. Die Metallverteilung, die Ätzfiguren nach dem Schleifen und Polieren, die Farbe der Silikateinschlüsse zeigten aber schnell, dass es ein Stück „Steinbach“ und kein Pallasit ist. Steinbach enthält im Gegensatz zu Krasnojarsk als Silikatphase mehrheitlich Bronzit (Pyroxen Fs 15.0) anstelle von Olivin. Der hier gezeigte Dünnschliff ist aus dem Sägeabschnitt der abgemeisselten Probe gefertigt worden.

„Steinbach“-Material ist heutzutage recht gut, zumindest in kleineren Platten, Teilstücken auf dem „Markt“ verfügbar. Heute wird das meiste von diesem Meteoriten im Umlauf befindliche Material pauschal als „Steinbach“ benannt. Das ist vielleicht nicht ganz richtig.

Zur Erklärung:
Die 1833 gefundene Rittersgrün-Masse (86.5 kg = 173 Pfund) wurde 1861 durch Oberbergrath, Professor Breithaupt, durch Ankauf für die mineralogische Sammlung der Freiberger Bergakademie/Sachsen erworben. Die Masse wurde an ihrem grössten Durchmesser (ca. 100 Quadratzoll Fläche) auf Verwendung des Dr. Hörnes, dem damaligen Directors des k.k.Hofmineraliencabinets, in Wien durch einen Herrn Clement, welcher während der zwei volle Monate in Anspruch nehmenden Ausführung 14 Stahlblätter und 2 Centner Schmirgel verbrauchte, geteilt. Der grössere der beiden Abschnitte (heute noch in der Bergakademie Freiburg zu bestaunen) wog 110 Pfund, der kleinere, welchen man behufs näherer Untersuchung wieder in einzelne Platten zersägte, beinahe 48 Pfund. Schnittverlust = 15 Pfund! Daher stammen wohl die meisten der im Umlauf befindlichen „Steinbach“-Stücke, die somit eher als „Rittersgrün“ bezeichnet werden sollten.

Aber egal ob es nun Steinbach oder Rittersgrün genannt wird, es ist tolles, spannendes und zugleich absolut einzigartiges Material (der einzige dieser Art!), leider mit einer leichten Tendenz zur Anrostung. Ein 0.9g Teilscheibli, hälftig aus Silikat bestehend, hälftig aus Metall habe ich noch abzugeben. Bei Interesse einfach eine PM schreiben…

Wer möchte im Anschluss an meine Infos und Bilder sein „Steinbach“-Sammlungsstück vorstellen?

Freundliche Grüsse
Allende  :hut:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am Juni 08, 2015, 22:39:45 Nachmittag
Hier die Rückseite.

Scharfkantig Meisselprobe mit Bruchfläche und mit leider nicht mehr entzifferbarer alter roter Sammlungsnummer.
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am Juni 08, 2015, 22:41:23 Nachmittag
Eine Detailaufnahme der anpolierten und geätzten Fläche. Deutlich erkennbar die feine Widmannstättensche Stuktur eines Of (Balkenbreite ca. 0.3 mm).
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am Juni 08, 2015, 22:43:27 Nachmittag
Jetzt der universitär hergestellte Steinbach-Dünnschliff. Sorry, das Bild ist vielleicht ein wenig dunkel. Ich muss vielleicht besser tagsüber, statt am Abend unter der Schreibtischlampe...
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am Juni 08, 2015, 22:44:55 Nachmittag
Und hier die Detailaufnahme des Steinbach-Dünnschliffes. Bildausschnitt ca. 8 x 6.5 mm, ohne Polarisationsfilter.
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Thin Section am Juni 08, 2015, 22:56:36 Nachmittag
Mein kleines Steinbach "Belegstück". Im Forum schon einmal vorgestellt aber hier nun noch mal im neuen Thread => Historische Meteorite.
A propos, Steinbach enthält 10-60 vol% SiO2 ... jawoll, richtig gelesen, SiO2 !

Bernd  :winke:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: speul am Juni 09, 2015, 20:27:33 Nachmittag
Moin moin,
und dazu gehört natürlich auch die passende Publikation von Clemens Winkler:
http://www.astroamateur.de/Rittersgruen/Winkler_Meteorit_Rittersgruen_1878.pdf
Gelegentliche findet man die auch im Original.
und ein kleines Scheibchen kann ich auch noch beisteuern: 1,71 g von einem geschätzten Forenmitglied

Grüße
speul
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Thin Section am Juni 09, 2015, 20:38:14 Nachmittag
... und dazu gehört natürlich auch die passende Publikation von Clemens Winkler

Danke, speul, interessant und umfangreich!

Bernd  :winke:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: MetGold am Juni 10, 2015, 06:41:52 Vormittag
Ah, Steinbach - sehr schön!
Und der Dünnschliff von Allende begeistert mich besonders!  :super:


 :winken:  MetGold

Da will ich doch mein Scheiberl auch noch mal zeigen:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am Juni 10, 2015, 20:08:26 Nachmittag
Hoi zäme

Schön, dass Bewegung in die einzelnen Themen hineinkommt...  :super:

Hier noch ein Internet-Link zu einem MAPS-Artikel von 2006, in dem u.a. recht interessante und ausführliche Informationen zur Zusammensetzung von Steinbach dargestellt sind. Habe den Abstract unten gleich mit drangehängt. Es lohnt sich da mal rein zu lesen.

https://journals.uair.arizona.edu/index.php/maps/article/view/15371

Differentiation and evolution of the IVA meteorite parent body: Clues from pyroxene geochemistry in the Steinbach stony-iron meteorite
A. RUZICKA, M. HUTSON
Abstract:
We analyzed the Steinbach IVA stony-iron meteorite using scanning electron microscopy (SEM), electron microprobe analysis (EMPA), laser ablation inductively-coupled-plasma mass spectroscopy (LA-ICP-MS), and modeling techniques. Different and sometimes adjacent low-Ca pyroxene grains have distinct compositions and evidently crystallized at different stages in a chemically evolving system prior to the solidification of metal and troilite. Early crystallizing pyroxene shows evidence for disequilibrium and formation under conditions of rapid cooling, producing clinobronzite and type 1 pyroxene rich in troilite and other inclusions. Subsequently, type 2 pyroxene crystallized over an extensive fractionation interval. Steinbach probably formed as a cumulate produced by extensive crystal fractionation (~6070% fractional crystallization) from a high-temperature (~1450-1490 °C) silicate-metallic magma. The inferred composition of the precursor magma is best modeled as having formed by ≥30-50% silicate partial melting of a chondritic protolith. If this protolith was similar to an LL chondrite (as implied by O-isotopic data), then olivine must have separated from the partial melt, and a substantial amount (~53-56%) of FeO must have been reduced in the silicate magma. A model of simultaneous endogenic heating and collisional disruption appears best able to explain the data for Steinbach and other IVA meteorites. Impact disruption occurred while the parent body was substantially molten, causing liquids to separate from solids and oxygen-bearing gas to vent to space, leading to a molten metal-rich body that was smaller than the original parent body and that solidified from the outside in. This model can simultaneously explain the characteristics of both stony-iron and iron IVA meteorites, including the apparent correlation between metal composition and metallographic cooling rate observed for metal.

Gruss, Allende  :hut:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: herbraab am August 09, 2015, 12:20:29 Nachmittag
Anbei dein Bild der 1343g Steinbach-Masse im NHM Wien.

:hut:
Herbert
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: ironsforever am August 09, 2015, 22:03:02 Nachmittag
Hallo,

Steinbach ist wirklich feines Material. Hier meine kleine 2,0 g Scheibe, einmal mit Auflicht und einmal mit Durchlicht.

Gruß,
Andi
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Allende am August 10, 2015, 17:11:21 Nachmittag
Klasse, Andi

Im Durchlicht kannte ich das Hardware-Material noch nicht. Schöne Färbung der Silikatphase!  :wow:

Gruss, Allende
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Schönedingesammler am August 13, 2015, 15:27:58 Nachmittag
http://www.jgr-apolda.eu/index.php?topic=3858.0


Gesendet von meinem SM-G900F mit Tapatalk

Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: ironsforever am August 13, 2015, 16:22:47 Nachmittag
Zitat
Gesendet von meinem SM-G900F mit Tapatalk

Whow!
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Riesgeologie am Dezember 27, 2017, 16:06:36 Nachmittag
Hallo zusammen,

heute stelle ich Euch an dieser Stelle mein persönliches Weihnachtsgeschenk und meine Lieblingsscheibe vor:
Der Meteorit Steinbach
Das gute Stück wiegt 20.193 g und misst 50.8 x 47.7 x 2.5 mm. Aufgrund der 2.5 mm Dicke kann das Scheibchen durchleuchtet werden (siehe Foto). Ein interessanter Punkt: links unten befindet sich ein kugeliger und grünlicher Enstatitkristall (siehe Detailfoto).

Prominenz: Die ursprüngliche Scheibe (92.5 g) wurde auf den Titelseiten des „Meteorite Magazine“ im August 2002 und Februar 2003 gezeigt. Sie war ursprünglich Teil der Sammlung des Natural Histroy Museum (früher British Museum) in London, später war die Scheibe Teil der Macovich Collection und wurde schließlich 2007 bei Bonhams versteigert.

Vom neuen Besitzer wurden aus dem 92.5-Gramm-Stück 3 Scheiben geschnitten. Die Scheiben Nr. 1 besitzt noch der Ersteigerer. Die Scheiben No. 2 stelle ich hier vor und Scheibe Nr. 3 wurde leider in weitere Stückchen zwischen 0.1 und einigen Gramm weiter zerteilt.
Mirko Graul hat mir dankenswerterweise die wunderschönen Fotos  von meinem Scheibchen erstellt  :winke:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Riesgeologie am Dezember 27, 2017, 16:08:02 Nachmittag
Und hier sind noch die beiden anderen Fotos
Wollte mit der Auflösung nicht weiter runter gehen  :einaugeblinzel:

 :w-ge:
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: ironsforever am Dezember 27, 2017, 17:51:59 Nachmittag
Hallo Riesgeologie,

das ist wirklich ein fabelhaftes (Selbst-)Weihnachtsgeschenk in Deiner tollen Sammlung x-08! Eine traumhafte Scheibe und der grünliche Enstatitkristall ist einfach sagenhaft! Das habe ich noch nie in einem Steinbach gesehen. Dazu kommt noch die umfangreiche fachliche Dokumentation. Glückwunsch!

Gruß,
Andi

P.S.: Super Fotos, Mirko!
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Wunderkammerad am Dezember 27, 2017, 21:03:22 Nachmittag
Neulich in der MPODderie von Tucson bereits sehr bewundert, was ich gern auch hier nochmals tue. So schön, so rar und bedeutend. Großartige Sache inkl. nobler Provenienzen und Fotos.

Nur die Vorstellung der kleingehäckselten Scheibe No.3 verursacht Missbehagen.
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Riesgeologie am Dezember 28, 2017, 12:53:12 Nachmittag
Vielen Dank für Eure Komplimente.  :hut:
Ich muss zugeben, die Scheibe macht wirklich Freude.

Daneben bin ich gerade darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sich bei dem grünlichen Enstatit u. U. um Bronzit handelt.
In natura sieht der runde, grünliche Einschluss wirklich grün aus. Insbesondere im Vergleich zu der rötlichbraunen Silikatmatrix.
Eigentlich dachte ich, dass der bräunliche oder rötlichbräunliche Bronzit eher zur Matrix gehört.
Einen grünen Einschluß aus Enstatit wird auch hier beschreiben:
http://www.marmet-meteorites.com/id3.html

Was denkt Ihr?

 :fluester:

Ggf. sollte ich den Bildtext auf grünlichbraunem Bronzit abändern.
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: Thin Section am Dezember 28, 2017, 13:35:39 Nachmittag
... darauf aufmerksam gemacht worden, dass es sich bei dem grünlichen Enstatit u. U. um Bronzit handelt ... Was denkt Ihr? ... Ggf. sollte ich den Bildtext auf grünlichbraunem Bronzit abändern.

Na ja, letzten Endes sind es ja allesamt Orthopyroxene. Allerdings neige auch ich wegen des Grüntons zu Bronzit und falls lebhaft grün (wie bei dem Stück auf Peter Marmets Seite) zu Hypersthen. Trotzdem von Enstatit zu sprechen, dafür spricht diese Äußerung: "Nach der neuesten Klassifikation (Morimoto 1988) sollen nur noch die Namen Enstatit (Fs0-50) und Ferrosilit (Fs50-100) geführt werden. Diesem Vorschlag wird hier, in Anbetracht gängiger Gesteinsnamen wie Hypersthengranit, Bronzitit etc., nicht gefolgt."*

*Pichler H., Schmitt-Riegraf C. (1993) Gesteinsbildende Minerale im Dünnschliff (Ferd. Enke Verlag Stuttgart, p. 84).

Bernd  x-02
Titel: Re: Steinbach - ein alter Fund aus Ostdeutschland
Beitrag von: karmaka am August 13, 2019, 23:30:38 Nachmittag
Ein seeehr, seeehr alter 'Fall' !!!

Ein ganz aktuelle spannende Lektüre zu Steinbach!  :super:

Pb isotope evidence for rapid accretion and differentiation of planetary embryos

J.N. Connelly, M.Schiller, M.Bizzarro

Earth and Planetary Science Letters
Volume 525, 1 November 2019, 115722

PDF (https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0012821X19304145/pdfft?md5=d7fc5526b7e1653f9a78a7afb2c6ac0a&pid=1-s2.0-S0012821X19304145-main.pdf)

"    We report a Pb-Pb age of 4565.47 ± 0.30 Ma for the Group IVA meteorite Steinbach.

•    This age represents the oldest absolute age for an achondrite to date."