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Meteoriten => Meteorite => Thema gestartet von: Allende am Februar 06, 2016, 23:08:45 Nachmittag

Titel: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 06, 2016, 23:08:45 Nachmittag
Angehängtes Bild zeigt eine mikroskopisches Aufnahme eines Eisenmeteoriten bei 50-facher Vergrösserung. Nital-Ätzung, ca. 3%ige Säuerkonzentration.

Ich stelle dieses Bild zur allgemeinen Diskussion. Erzählt mir mal was Ihr da so alles erkennt. Wir können es als "Rätsel des Monats" in die längst verstaubte Rätselecke hineinstellen.

Was ist das Weisse?
Was ist das Dunkle?
Was ist das Schraffierte?
Was ist das unregelmässige Feld im oberen Teil des Bildes?
Warum die Teilung zwischen dem schraffierten und dem unregelmässigem Strukturbereich?
Welche Temperatur hat das Eisenstück erlebt?

Chrisl fängt an  :hut:

Gruss, Allende
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 06, 2016, 23:11:24 Nachmittag
Nichts wirklich Wichtiges: Die Ätzung habe ich am 15. Januar in diesem Jahr gemacht, das Foto ebenfalls.
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: rbartoschewitz am Februar 06, 2016, 23:36:50 Nachmittag
Hallo Jürgen,

tolles Stück, welcherer Meteorit ist es? Ich habe ja nun auch einige Erfahrung, doch zur Temperatur könnte ich so auf Anhieb auch nichts sagen, doch zum Shock aufgrund der e-Strktur.

Schöne Übung, sollte wir hier als Trainingsprogramm einführen!

Rainer

Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Dirk am Februar 07, 2016, 04:13:06 Vormittag
Hallo Allende,

wenn ich meinen Buchwald durchblättere, dann vermute ich mal, daß das Weiße Schreibersit sein könnte. Und der unregelmäßige obere Teil könnte durch Hitze strukturell verändert worden sein. Alles ohne Gewähr  :weissefahne: und eher aus der Hüfte geschossen ....  mal sehen, was die anderen zu dem Stück sagen werden. Macht aber eindeutig Spaß, sich mit so was zu befassen  :super:

 :winke:  :prostbier:
Dirk
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Buchit am Februar 07, 2016, 07:25:49 Vormittag
Hallo,

hm, dunkel...wie wär's mit Kohlenstoff?

Gruß,
Holger
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: gsac am Februar 07, 2016, 12:50:36 Nachmittag
Sensationell schönes Bild, Kompliment!  :super: :wow:

Aber ich halte mich aus der Raterei heraus wg.
Befangenheit, bzw. weil ich glaube,  das Eisen
irgendwie zu kennen. Der Rest wäre unfair.

Auf die Auflösung des Rätsels bin ich gespannt.
[Fast so spannend wie die Spurensuche in der
Gerichtsmedizin, gell Herr Professor Börne... :-)]

:hut: Alex

PS: doch, eins kann ich mir wirklich nicht verkneifen -
diese "Tröte" links unten im Bild, unter der plessitischen
Struktur in der oberen Mitte, welche vielleicht durch eine
kurzfristige Hitzeeinwirkung (Randbereich des Meteoriten?)
verändert ist gegenüber dem deutlich strukturierten Bereich
darunter, sieht aus wie ein Alphorn oder ein Didgeridoo.
Was ist das denn?

Einfach klasse, was die Natur so alles kann!  :smile:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Thin Section am Februar 07, 2016, 15:01:47 Nachmittag
... hm, dunkel...wie wär's mit Kohlenstoff?

Schließe mich Holger an und tippe mal auf Graphit (Zersetzung von Cohenit) und was die Temperatur angeht, die das Eisenstück erlebt hat ... vielleicht 350-400°C?

Bernd  :winke:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Mettmann am Februar 07, 2016, 16:00:52 Nachmittag
Nu, mein Rateversuch:

Ich tipp bei den weißen, eckigen, länglichen Flächen auf skelettierten Schreibersit,
praktisch die untere Hälfte alles prächtige Neumänner, d.h. schwerer Schock im All. Obere Hälfte griselig, also Strukturverlust durch Erhitzung und Rekristallisation, entweder durch den Wummsdych der die Neumänner hergeschockt hat oder aber ein reheated rim (wahrscheinlicher, weil das Schreibersit einen solchen meist gut überlebt tät). Das Dunkle in den vermuteten Schreibersit-Tröten tät ich als Ausbrüche wähnen, weils Schreibersit ja sehr spröde ist und leicht bricht, vom zersäbeln. (Troilit und Cohenit von Schreibersit umgeben, das tät eine sehr scharfe Abgrenzungslinie ergeben). Da es kein durchgängiger Kamazitblock ist, wird es kein Hexaedrit sein - natürlich erinnnern die vermuteten Schreibersite an die Hieroglyphen in Fredericksburg oder großskaliger an Guanaco, sondern vielleicht wird es ein grober bis sehr grober Oktaedrit sein,
manch Sikhote ist mit solchen Schreibersiten und Neumännern bewehrt, aber wie ich den Allende kenn, wirds wohl eine viel exquisitere Lokalität sein
...und wahrscheinlich lieg ich völlig daneben, da die Vergrößerung gegenüber den sonstigen Sehgewohnheiten völlig trügt...

Auf jeden Fall ein ereignisreiches Stück!

 :hut:
Mettmann
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 07, 2016, 16:49:59 Nachmittag
Hallo Forum

Noch hat keiner das Schliffbild richtig gedeutet. Es sind vom Ansatz her schon einige gute Gedanken dabei, andere Gedanken zielen jedoch in eine völlig falsche Richtung.  :gruebel:

Morgen und übermorgen bin ich geschäftlich im Ausland und habe keine Zeit und Gelegenheit zur Antwort. Aber am Mittwochabend werde ich die Lösungen zum „Rätsel“ präsentieren. Bis dahin möchte ich Euch gerne zur weitergehenden fachlichen Diskussion ermuntern.  :talk:

Allende
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: schwede-jens am Februar 07, 2016, 16:53:47 Nachmittag
Hej,
bei dem weissen vermute ich Taenit, das dunkle drin könnte dann Martensit sein.

Liebe Grüsse
Jens
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: herbraab am Februar 07, 2016, 22:59:38 Nachmittag
Ich bin ja nicht so der "Iron Man", aber ich versuch's mal:

Was ist das Weisse?
Kamazit

Was ist das Dunkle?
"Geglühter" (annealed) Kamazit

Was ist das Schraffierte?
Plessit

Was ist das unregelmässige Feld im oberen Teil des Bildes?
Alpha-2 Zone

Warum die Teilung zwischen dem schraffierten und dem unregelmässigem Strukturbereich?
Die Hitzeeinwirkung beim Durchflug durch die Erdatmosphäre war nur kurz, so dass die Wärme nicht weiter in das Stück eindringen konnte und die Ausbildung der Alpha-2-Zone daher auf einen schmalen Bereich entlang der Oberfläche des Meteoriten begrenzt ist.

Welche Temperatur hat das Eisenstück erlebt?
ca. 800° bis C900°C

:hut:
Herbert
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 10, 2016, 20:28:38 Nachmittag
Hallo Leute

Besten Dank an die, die mitgeholfen haben, das "Rätselbild" zu entschlüsseln. Die beste Strukturbeschreibung hat Herbert abgeliefert  :super: :hut: Die "Ätzweltmeister" Chrisl und Andi sind leider stumm geblieben... Schade, denn genau von ihnen hatte ich eigentlich eine fachliche Auskunft erwartet.  :gruebel:

Zur Auflösung: Es ist eine Mikroskopische Aufnahme von einem Strukturausschnitt des Eisenmeteoriten Treysa. Im angehängten pdf-File sind die Informationen zu den Punkten 1 bis 5 kurz beschrieben. Das Bild werde ich sicher in meinem Vortrag zur Metallographie vom Treysa-Eisen anlässlich des 8. Deutschen Meteoritenkolloquium am 2. April mit verwenden. Ich würde mich sehr freuen, den Einen oder Anderen von Euch dort zu treffen, zu sprechen.

Beste Grüsse
Allende  :winke:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 10, 2016, 20:31:49 Nachmittag
Falls gewünscht, kann ich gerne mal wieder ein spannendes Rätselbild zur Diskussion stellen.
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Thin Section am Februar 10, 2016, 21:34:20 Nachmittag
Im angehängten pdf-File sind die Informationen zu den Punkten 1 bis 5 kurz beschrieben.

Danke, Allende, Glückwunsch Herbert!  :super:

Bernd  :winke:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: herbraab am Februar 10, 2016, 23:35:02 Nachmittag
Die beste Strukturbeschreibung hat Herbert abgeliefert

Huch, dabei habe ich eigentlich auch nur die Alpha-2-Zone richtig. Also 1 von 5 - das wäre in der Schule ein glattes "Nicht genügend" gewesen...  :belehr:

Falls gewünscht, kann ich gerne mal wieder ein spannendes Rätselbild zur Diskussion stellen.

 :pro:

 :hut:
 Herbert
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: ironsforever am Februar 11, 2016, 08:02:44 Vormittag
Zitat
Chrisl fängt an

Zitat
Die "Ätzweltmeister" Chrisl und Andi sind leider stumm geblieben... Schade, denn genau von ihnen hatte ich eigentlich eine fachliche Auskunft erwartet.

 :abgelehnt:

Weißt Du, Jürgen,

ich spring auf unsachliche Umgangsformen regelmäßig nicht erwartungsgemäß "fachlich" an.

Wer hier anfängt, auf Deine Einwürfe zu antworten, darfst Du getrost dem überlassen, der es veranlasst sieht.

Andi

P.S.: Stößt Dir etwas auf bzgl. des Parallelthreads "Ätzen eines Gibeon"? Nur raus damit. Tu Dir keinen Zwang an. Lass Druck ab... :einaugeblinzel:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Andyr am Februar 11, 2016, 12:32:50 Nachmittag
Hallo Jürgen,

könntest Du noch etwas zu der Phase unterhalb dem martensitischen Plessitfeld (in der Taenitzone) sagen (im Bild unten links)? Danke.

Gruß

AndyR
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 11, 2016, 20:37:32 Nachmittag
Sali AndyR

Mir ist jetzt nicht ganz verständlich, was genau Du in der linken unteren Ecke ansprichst, deshalb will ich gerne versuchen, die einzelnen dort erkennbaren Dinge zu deuten:

Das hellgraue breite „Band“ mit den Korngrenzen drin ist auch Kamazit. Im Buchwald werden derartige unterschiedliche Schattierungen, aber auch unterschiedlichen Ätzfiguren bei diversen Eisen mit epsilon-Struktur (shock-hatched kamcite) als „kamacite in various shades“ bezeichnet. Wenn Du im Buchwald blätterst, dann findest Du direkt vor Treysa das Eisen Trenton beschrieben. Auch eines mit shock-hatched kamacite. Schaue Dir das Bild 1790 auf der Seite 1231 an. Grosse Ähnlichkeit zu dem Strukturbereich von Treysa und auch der Beschrieb von dem Bild findet sich in ähnlicher Form immer mal wieder im Buchwald.

Die „Dreiecke“ unten links im Bild sind auch Taenit-Bereiche. Erkennbar ist aber schon eine erste „Entmischung“ zu kleineren Ni-Gehalten durch eine leichte Dunkelverfärbung im Inneren der Dreieckes. Ich werde beim Met-Kolloquium Line Scans durch genauso eine Zone in meinem Vortrag vorstellen und den messtechnischen Beweis dieser Aussage präsentieren.

Die parallelen Linien in dem Kamazitbereich links von dem mit Taenit umrahmten Plessitfeld sind mit grosser Wahrscheinlichkeit Neumann’sche Linien, die in Treysa bei einer Makroätzung gut erkennbar sind. In Mikroätzungen, wie im vorliegenden Fall, ist das nicht so eindeutig erkennbar. Wie ich an anderer Stelle schon bemerkt hatte, gibt es keine „beste Ätzung“, sondern immer nur eine Ätzmethode, mit der man dieses oder jenes sichtbar machen kann.

Am effektivsten wäre ein sogenanntes „Element Mapping“ in Kombination mit einer EDX-Punktanalyse bei interessanten Strukturbereichen zu machen. So lassen sich einzelne Gefügebestandteile und deren flächenhafte Ausdehnung und Zusammensetzung am einfachsten untersuchen. Als Privatperson sind aber meine Möglichkeiten sehr eingeschränkt, derartige Untersuchungen machen zu können oder machen zu lassen. Letztlich ist alles eine Frage vom Aufwand (Zeit und Kosten).

Ich hoffe, dass ich Deine Frage zumindest teilweise beantworten konnte.

Gruss, Allende  :winke:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Andyr am Februar 12, 2016, 06:55:58 Vormittag

Das hellgraue breite „Band“ mit den Korngrenzen drin ist auch Kamazit. Im Buchwald werden derartige unterschiedliche Schattierungen, aber auch unterschiedlichen Ätzfiguren bei diversen Eisen mit epsilon-Struktur (shock-hatched kamcite) als „kamacite in various shades“ bezeichnet.

Genau das meinte ich. Danke, Allende
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Allende am Februar 12, 2016, 23:59:54 Nachmittag
Hier noch eine 200-fach Aufnahme vom gleichen Motivbereich von der Trenngrenze im Kamazit. Oben thermisch umgewandelt beim Flug durch die Atmosphäre, unten "normaler" Kamazit wie nach der alpha-Epsilon-alpha-Umwandlung zu erwarten.

Ich finde es genial, was man mit Mikroätzungen alles tolles sichtbar machen kann...

Gute Nacht wünscht
Allende  :winke:
Titel: Re: Mikroätzungen - Strukturinterpretation
Beitrag von: Sikhote am Februar 13, 2016, 13:36:41 Nachmittag
Sehr anschauliches Foto!

Danke für´s Zeigen, Allende.

Grüße
Sigrid