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Fundstücke => unbekannte Gesteine, auch meteoritenverdächtige => Thema gestartet von: Buchit am März 28, 2022, 18:15:27 Nachmittag

Titel: Unbekannte Brekzie
Beitrag von: Buchit am März 28, 2022, 18:15:27 Nachmittag
Hallo, Freunde der unbekannten Gesteine :hut:
und insbesondere: Hallo, Freunde der nordischen Geschiebe,

das unten abgebildete Stück fiel mir vor einigen Tagen an der Nordseeküste (Ellenbogen bei List/Sylt) in die Hände. Zuerst hielt ich es für einen unkonventionellen Ignimbrit, aber nach dem Schneiden musste ich feststellen, dass da imho nur Gesteinsfragmente, aber kein einziger, magmatisch gebildeter Kristall zu sehen ist, was doch für die skandinavischen Ignimbrite eigentlich typisch ist. Kennt jemand von Euch dieses Material? Neben tw. kräftig roten Kalifeldspatbruchstücken stechen auch Bruchstücke von Quarz in der Matrix, aber sie sind deutlich weniger auffällig.

Gruß,
Holger
Titel: Re: Unbekannte Brekzie
Beitrag von: Buchit am März 31, 2022, 20:55:06 Nachmittag
...und hier noch eine Nahaufnahme eines bereits zum Schleifen aufgeklebten Scheibchens. Also, für einen Ignimbrit halte ich das keinesfalls. Irgendein Kataklasit vielleicht?
Titel: Re: Unbekannte Brekzie
Beitrag von: Eckard am März 31, 2022, 23:58:56 Nachmittag
Hallo Holger,

Kataklasit dürfte schon stimmen, nur sagt die Bezeichnung nichts aus über die Gesteinsart oder die enthaltenen Mineralien.
Kataklasit ist lediglich ein Hinweis auf das Gefüge des Gesteins, das wohl durch tektonische Einflüsse so geformt wurde.

Vielleicht kann das jemand hier doch noch etwas besser erklären.

Ein Ignimbrit ist es ganz sicher nicht!

Besten Gruß
 :winke:
Eckard
Titel: Re: Unbekannte Brekzie
Beitrag von: Buchit am April 10, 2022, 20:19:23 Nachmittag
Hallo,

ein paar Dünnschliffe später ist einiges klarer: Die Mineralogie ist relativ unkompliziert, denn der Hauptbestandteil ist Quarz, daneben sind Kalifeldspat, Chlorit und Hellglimmer vertreten. (Bemerkenswert: Alles, was makroskopisch wie Biotit aussieht, ist in Wahrheit Chlorit; Biotit scheint gar nicht vertreten.) Als überraschend häufiger Bestandteil tritt daneben akzessorisch Zirkon auf, noch dazu in relativ großen Kristallen bzw. Bruchstücken. Titanit ist zweifelhaft.

(Zu den Fotos: Die letzte Zahl im Dateinamen benennt die Vergrößerung des Objektivs; die tatsächliche Länge der langen Bildkante beträgt bei 5: 2,9 mm; bei 10: 1,45 mm; und bei 40: 0,36 mm.)
Titel: Re: Unbekannte Brekzie
Beitrag von: Buchit am April 10, 2022, 20:21:21 Nachmittag
Die Struktur ist breccienartig bis in den mikroskopischen Bereich hinein, es gibt praktisch keine Korngrenze, die nicht Bruchstrukturen zeigt (von den noch im Gesteinsverbund des Ursprungsgesteins befindlichen Mineralkörnern abgesehen). Manche Quarze sind – in sehr kleinräumigem Maßstab – an diesen Bruchkanten weiter gewachsen, so dass diese Kanten eine Art „Sägezahnstruktur“ aufweisen.

Quarz und Feldspat löschen im polarisierten Licht teilweise undulös aus, zeigen also deutlich Spuren der mechanischen Beanspruchung. Der Chlorit ist stellenweise erkennbar deformiert. Was nicht vorhanden ist, auch nicht ansatzweise, sind planare Deformationsstrukturen.

Ob die Breccie rein monomikt oder doch polymikt ist, fällt schwer zu entscheiden; ich tendiere allerdings inzwischen zu letzterem: Es gibt Bruchstücke, die deutlich auf kleinkörnige Gneise zurückgehen, und bei denen es schwerfällt, sie sich im natürlichen Verbund mit den größeren „Brocken“ von Kalifeldspat und Quarz vorzustellen (wobei bei einem Paragneis sicher auch kleinräumige und/oder lagenförmige Strukturwechsel vorstellbar sind). Auch das Auftreten der Zirkone ist an einen bestimmten Typ von Gesteinsbruchstücken gebunden, in anderen sind sie nicht auffindbar.
Titel: Re: Unbekannte Brekzie
Beitrag von: Buchit am April 10, 2022, 20:23:26 Nachmittag
Völlig deplatziert wirken dagegen die einzigen idiomorphen Bestandteile dieser Breccie, und das sind Pseudomorphosen von Goethit oder Limonit nach – ja, nach was? Ich meine, hier eine kubische Kristallform wahrzunehmen (vielleicht Oktaeder oder Würfel). Das Ursprungsmineral ist nur an sehr wenigen Stellen erhalten und zeigt dort eine eisengraue Farbe, ist als ganz bestimmt kein Pyrit. Da der Goethit/Limonit relativ weich ist, wurde er an manchen Stellen beim Schleifen auch fast vollständig entfernt, so dass nur noch eine dünne Randzone zum Nebengestein seine ehemalige Anwesenheit und Form anzeigt. Diese Form allerdings ist ein Rätsel: Wie können in einem Gestein, dass bis an die Grenze der Vergrößerung sonst nur aus ungleichmäßigen Bruchstücken anderer Gesteine/Minerale besteht, diese idiomorphen Formen auftauchen? Jedes ursprünglich vorhandene Erzmineral wäre doch bei der Kataklase genauso zertrümmert worden, wie die umgebenden Silikate? Aber nein: Die Goethit/Limonit-Pseudomorphosen sehen manchmal so, als wäre das Vorgängermineral regelrecht in die umliegenden Bestandteile „hineingedrückt“ worden und hätten den anderen Bestandteilen ihre Form aufgezwängt.

Insgesamt sind diese Pseudomorphosen nur als akzessorische Bestandteile vorhanden und machen deutlich weniger als ein Prozent des Gesteins aus. Zudem erreichen sie maximale Größen von etwa 0,1 mm, sind also recht klein.

Was könnte das sein? Oder genauer – was könnte das ursprünglich gewesen sein, wenn man die Lithologie des Gesamtstücks in Betracht zieht?