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Meteoriten => Meteorite => Thema gestartet von: Hungriger Wolf am Dezember 01, 2008, 18:51:05 Nachmittag

Titel: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Hungriger Wolf am Dezember 01, 2008, 18:51:05 Nachmittag
Hallo Forenmitglieder!

Was ist die Ursache für die Chondriten-Bildung in Steinmeteoriten?
 
Liegt die primäre Ursache darin, das nicht mischbare Komponenten (Metallanteile und Nichtmetallanteile) in Steinmeteoriten, in der Schwerelosigkeit, kugelförmige Körper ausbilden?
Warum bildet sich aber kein zentaler Kern (innen Metall/aussen Nichtmetall) ist die (Weltall)-Temperatur dazu zu gering?

schöne Grüsse von  :prostbier:
Achim
 
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Hungriger Wolf am Dezember 01, 2008, 18:54:33 Nachmittag
Hallo Forenmitglieder!

Hier zwei weitere Beispiele (Photos):

schöne Grüsse von :prostbier:
Achim

Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: MarkV am Dezember 01, 2008, 19:05:38 Nachmittag
Hallo Achim,
die Chondren haben sich nicht in den Steinmeteoriten gebildet, sondern die Steinmeteorite haben sich aus dem chondritischen Material geformt. Erst war die Chondre, dann kam der Stein.
Wie genau die Chondren entstanden sind, weiss man nicht. Vermutlich kam es zu einer kurzzeitigen (im Minutenbereich oder kürzer) starken Erhitzung der Staubkümpchen in der protoplanetaren Scheibe. Dadurch wurden die Staubklumpen kurz angeschmolzen und wurden zur Chondre. Später haben sich daraus Asteroiden und Planeten geformt. Je grösser der Asteroid, um so mehr hat sich das chondritische Material durch Radioaktivität erhitzt. Dadurch sind die Chondren stark in Mitleidenschaft gezogen worden, so dass sie bei den meisten Meteoriten (H5, L6 etc) nur noch schwer zu erkennen sind. Nur bei Meteoriten, die nie stark erhitzt wurden (L3), sind die Chondren noch gut erhalten. Bei kohligen Chondriten sind die Chondren auch teilweise durch Wasser zerstört worden.

Grüsse,
Mark
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: lithoraptor am Dezember 01, 2008, 19:16:25 Nachmittag
Moin Achim!

An dieser Stelle mal wieder der Hinweis auf vernünftige Literatur, die diese Frage und auch viele andere klären dürfte:

http://www.amazon.de/The-Cambridge-Encyclopedia-of-Meteorites/dp/0521621437/ref=sr_1_3?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1228155207&sr=8-3

Beim Preis handelt es sich aber bestimmt um einen  :auslach: Fehler :auslachl: in der Kommastelle!?

Gruß

Ingo
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: pallasit am Dezember 01, 2008, 19:27:16 Nachmittag
Hallo,

Etwas neues zu diesem Thema:
G. Jeffrey Taylor(2008):"Tiny Molten Droplets, Dusty Clouds, and Planet Formation". Hawai‘i Institute of Geophysics and Planetology.
http://www.psrd.hawaii.edu/Nov08/chondrule_sodium.html (http://www.psrd.hawaii.edu/Nov08/chondrule_sodium.html)

Auch mal in deren Archiv schauen:
http://www.psrd.hawaii.edu/Archive/Contents.html (http://www.psrd.hawaii.edu/Archive/Contents.html)

Grüsse Willi  :prostbier:
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: ben.g am Dezember 01, 2008, 19:48:43 Nachmittag
...Beim Preis handelt es sich aber bestimmt um einen Fehler in der Kommastelle!?
Dieser Preis ist zwar unverschämt, aber z.Zt. ist anscheinend kein (lieferbares!) Exemplar unter $250 zu finden!  :eek:

Gruß
Ben
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: pallasit am Dezember 01, 2008, 20:13:15 Nachmittag
Hallo Ben,

Schau mal bei:
http://www.abbeys.com.au/items.asp?id=163759 (http://www.abbeys.com.au/items.asp?id=163759)

oder:
http://www.booksatpbfa.com/search/results.php?g_author=&g_title=Cambridge+Encyclopedia+of+Meteorites&g_keywords=&g_seller=&g_offset=0&Submit=Search (http://www.booksatpbfa.com/search/results.php?g_author=&g_title=Cambridge+Encyclopedia+of+Meteorites&g_keywords=&g_seller=&g_offset=0&Submit=Search)

Grüsse Willi  :prostbier:
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: lithoraptor am Dezember 01, 2008, 20:19:54 Nachmittag
Moin!

Das hier ist wohl auch sehr gut, habe ich aber noch nicht in meiner bescheidenen Sammlung; steht aber weit oben auf meinem Wunschzettel:

 http://www.amazon.de/Chondrules-Chondrites-Cambridge-Planetary-Science/dp/0521836034/ref=sr_1_1?ie=UTF8&s=books-intl-de&qid=1228159104&sr=8-1

Gruß

Ingo
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Norbert am Dezember 03, 2008, 10:29:10 Vormittag
In folgendem Link erklärt Prof. Harald Lesch sehr gut, was Chondren bzw. Chondrulen sind:

http://www.br-online.de/br-alpha/alpha-centauri/alpha-centauri-chondrulen-2006-ID1208177782213.xml

Video ca. 15 Minuten

Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: lithoraptor am Dezember 03, 2008, 11:12:14 Vormittag
Hallo Norbert,

DANKE für den Link. Sehr anschauliche Erklärung- ein paar Bildchen oder Animationen in der Sendung wären, meiner Meinung nach, sicher eine sinvolle Ergänzung gewesen. Es hätte sicher viele Leute fasziniert zu sehen, wie so eine Chondre ausschaut. Man überlege sich mal, ein paar Rasterelektronenmikro-Bilder, ein paar Dünnschliffe etc... und schon sin ma weiter...

Gruß  x-10

Ingo
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Norbert am Dezember 04, 2008, 07:21:00 Vormittag
Ja, da hast Du durchaus recht, lithoraptor. Aber es gehört nun einmal gerade zum Stil von Harald Lesch in der Sendereihe Alpha Centauri. Besondere Kennzeichen der Sendung sind die an einen Klassenraum erinnernde Studiodekoration, der sparsame Einsatz von Anschauungsmaterial, sowie die brillante Vortragskunst des Astrophysikers, der auch hochkomplizierte Vorgänge des Universums in laienverständlicher und lockerer Form beantworten kann.


Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: MarkV am Dezember 04, 2008, 17:49:07 Nachmittag
In folgendem Link erklärt Prof. Harald Lesch sehr gut, was Chondren bzw. Chondrulen sind:

http://www.br-online.de/br-alpha/alpha-centauri/alpha-centauri-chondrulen-2006-ID1208177782213.xml

Video ca. 15 Minuten



Hallo,
von Lesch wird in dem Video die Theorie vertreten, dass die Chondren durch Schockwellen in der protoplanetaren Scheibe entstanden sind. Ist das die derzeit herrschende Meinung unter den Wissenschaftlern, oder ist es nur eine von vielen anderen Theorien? Im neuen Norton steht zur Chondrenentstehung leider gar nichts.

Grüsse,
Mark
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Hungriger Wolf am Dezember 04, 2008, 18:18:42 Nachmittag
Hallo Norbert und Forenmitglieder!

Die Sendung http://www.br-online.de/br-alpha/alpha-centauri/alpha-centauri-chondrulen-2006-ID1208177782213.xml habe ich mir angeschaut. Besonders interessant fand ich die Beschreibung der Bildung der Chondren. Allerdings habe ich auch z.B. im Buch von Norton/Chitwood -Field Guide to Meteors and Meteorites- nichts ähnliches über die Bildung der Chondren gefunden!
Hierzu habe ich noch weitere offene Fragenstellungen! :gruebel:

Kurze Zusammenfassung (ich hoffe ich gebe das so richtig wieder):
Nach dem Urknall kommt es zu einer Materieansammlung. Die Materie befindet sich in einer Art spiralartigen Ansammlung; die sich in einer ständigen Rotationsbewegung befindet. Durch schockwellenartige Erhitzung und einer anschliessenden Abkühlphase, kommt es zu einer Materieaggregation, die zu Chondrenbildung führte (Steinmeteoriten); anschließend bildeten sich die Planeten, die einen Grossteil der chondritartigen Materie (Materieansammlungen) aufnehmen.

Mir ist dabei folgendes Aufgefallen/neue Fragestellung:
Steinmeteoriten (mit Chondren) enthalten Silikate und Eisensulfid (also eigentlich ein alkalisches Medium) sind dann Eisenmeteoriten in einem mehr sauren Medium entstanden (H2S/HF)?
Gab es dabei wellenarte Neutralisationsschübe, solange bis sich das System in einem chemischen Gleichgewicht eingependelt hatte oder ist die schockwellenartige Erhitzung mehr physikalisch zu betrachten bzw. durch einen plötzlichen initialen Zerfall von superschweren Elemente (Uran; Plutonium+++)?

Was ist die eigentliche Ursache für die schockwellenartige Erhitzung?

Was ist Eure Meinung dazu?

schöne Grüsse von :prostbier:
Achim
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: MarkV am Dezember 04, 2008, 18:57:44 Nachmittag
Kurze Zusammenfassung (ich hoffe ich gebe das so richtig wieder):
Nach dem Urknall kommt es zu einer Materieansammlung. Die Materie befindet sich in einer Art spiralartigen Ansammlung; die sich in einer ständigen Rotationsbewegung befindet. Durch schockwellenartige Erhitzung und einer anschliessenden Abkühlphase, kommt es zu einer Materieaggregation, die zu Chondrenbildung führte (Steinmeteoriten); gleichzeitig bildeten sich die Planeten, die einen grossteil der Chondren (Materieansammlungen) aufnehmen.

Der Urknall und die Entstehung des Sonnensystems sind zwei ganz verschiedene Dinge. Der Urknall fand vor etwa 14 Milliarden Jahren statt, die Entstehung unseres Sonnensystem mitsamt Chondren vor 4,56 Milliarden  Jahren. Zur Grössenordnung: Es gibt allein in unserer Milchstrasse (eine von über 50 Milliarden) über 200 Milliarden Sterne. Die Sterne (und nichts anderes als ein Stern ist auch die Sonne) haben sich aus Staubscheiben gebildet. Es gab also allein in unserer Milchstrasse in der Geschichte viele Milliarden verschiedene und räumlich getrennte Staubscheiben, aus der sich dann jeweils ein Stern und manchmal auch ein Planetensystem gebildet hat. Nur von unserem Sonnensystem weiss man sicher, dass sich in der Staubscheibe Chondren ausgebildet haben. Ob das auch bei anderen Sonnensystemen die Regel ist, weiss man nicht sicher.


Zitat
Mir ist dabei folgendes Aufgefallen/neue Fragestellung:
Steinmeteoriten (mit Chondren) enthalten Silikate und Eisensulfid (also eigentlich ein alkalisches Medium) sind dann Eisenmeteoriten in einem mehr sauren Medium entstanden (H2S/HF)?

Die Eisenmeteorite sind letztlich auch aus Chondren entstanden. Ich hab ja oben schon geschrieben, dass sich die Chondren zu Asteroiden und Planeten zusammengeballt haben. Bei grossen Asteroiden wurde das chondritische Material stark durch radioaktive Prozesse erhitzt. Dadurch wurden viele Chondren stark beschädigt. Bei sehr grossen Asteroiden und auch bei den Planeten war die Hitze aber so stark, dass die Chondren komplett geschmolzen sind. Daher findet man auf der Erde auch keine Gesteine mit Chondren. Das schwere Eisen aus den Chondren hat sich durch die Schwerkraft in der Mitte des Asteroiden oder Planeten angesammelt. Später ist der Asteroid dann langsam abgekühlt und das flüssige Eisen im Kern ist erstarrt. Dort ist dann ein anderer Asteroid eingeschlagen und hat den Eisenkern zertrümmert und machmal fällt so ein Eisenstück als Eisenmeteorit auf die Erde.

Grüsse,
Mark
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: lithoraptor am Dezember 04, 2008, 20:23:58 Nachmittag
Moin!

Die Eisenmeteorite sind letztlich auch aus Chondren entstanden. Ich hab ja oben schon geschrieben, dass sich die Chondren zu Asteroiden und Planeten zusammengeballt haben. Bei grossen Asteroiden wurde das chondritische Material stark durch radioaktive Prozesse erhitzt. Dadurch wurden viele Chondren stark beschädigt. Bei sehr grossen Asteroiden und auch bei den Planeten war die Hitze aber so stark, dass die Chondren komplett geschmolzen sind. Daher findet man auf der Erde auch keine Gesteine mit Chondren. Das schwere Eisen aus den Chondren hat sich durch die Schwerkraft in der Mitte des Asteroiden oder Planeten angesammelt. Später ist der Asteroid dann langsam abgekühlt und das flüssige Eisen im Kern ist erstarrt. Dort ist dann ein anderer Asteroid eingeschlagen und hat den Eisenkern zertrümmert und machmal fällt so ein Eisenstück als Eisenmeteorit auf die Erde.

Das ist nicht ganz richtig bzw. etwas fragwürdig formuliert  x-03:
Innerhalb der Staubscheibe haben sich durch kurzzeitige Aufhitzung Chondren und Matrixkomponenten gebildet. Also quasi Silikatstrukturen in mehr oder weniger kugeliger Form (Chondren), gelegentlich mit kleinen Beimengungen von Fe/Ni-Körnchen. Es sind aber nicht alle Partikel in der Staubscheibe zu Chondren kondensiert sondern einige sind vereinzelte Körnchen geblieben. Beide zusammen haben sich dann zu immer größeren Asteroiden zusammengebalt (sog. Akkretion). Auf diese Weise sind ganz unterschiedlich große Asteroide entstanden, die, so kann man vermuten, auch ganz unterschiedliche Verteilungsdichten von Chondren und Matrix hatten. Je größer die Asteroiden nun wurden, desto mehr thermische Energie wurde in ihnen frei (eben durch den Zerfall der radioaktiven Isotope). Diese Aufheizung resultierte zunächst (bei kleineren Körpern gänzlich, bei ganz kleinen gar nicht) in einer Zonierung des Grades an Chondrenzerstörung (die wir heute mit dem petrologischen Typ eines Chondriten beschreiben). Kurz bedeutet dies, dass je weiter man ins Innere eines solchen Körpers vor dringt, desto zerstörter sind die Chondren (bzw. da auch Rekristallisation einsetzt, desto weniger scharf lassen sie sich von der Matrix abgrenzen). Demnach befindet sich chondritisches Material des Typs 3 nur ganz außen in einer recht dünnen Randzone und das Material vom Typ 6 (bzw. 7) im Kernbereich. ((((Es sei erwähnt, dass es auch Verfechter der Theorie gibt, dass die Aufheizung nicht von innen nach außen verlief sondern genau anders herum, dass also der thermische Einfluss von ganz anderen Faktoren als dem radioaktiven Zerfall gesteuert wurde.))))
Wie auch immer, bleiben wir bei dem Zerfall: Hat der Körper eine gewisse Größe erreicht bzw. überschritten, dann geht die Aufheizung des Asteroiden so weit, dass dieser innerlich gänzlich aufschmilzt (sog. Anatexis). Auf diese Weise können sich die unterschiedlichen Minerale ihrer Dichte nach sortieren (sog. Differenziation). Eisen und Nickel sammeln sich dabei im Kernbereich, die silikatischen Minerale im Mantel. Das Eisen ist also nicht aus den Chondren ausgeschmolzen oder gar entstanden (so könnte man das ja verstehen), sondern alle Eisenkörnchen egal ob nun zufällig in Chondren oder Matrix gebunden, haben sich (im gesamten chondritischen Mutterkörper) von den Silikaten getrennt und sich im Kern gesammelt. (das war der Punkt, den ich eigentlich etwas anders formulieren wollte Mark, mehr nicht; nimm es mir also bitte nicht krumm, dass ich gleich etwas weiter ausgeholt habe...  :user: ).
Ja, und wie Mark schon sagte, eben weil die Erde ein differenzierter Körper ist, findet man keine Chondren mehr in unseren Gesteinen.
Im übrigen kann bei differenzierten Körpern (man sieht es ja auch bei uns oder auf dem Mars) auch Vulkanismus entstehen, der, auf dem Mantel aus Silikaten, für eine sehr dünne Kruste sorgen kann.

Mit einer gut sortierten Meteoriten-Sammlung kann man also die Differenziationsprozesse ganz unterschiedlicher Ausgangskörper bis ins Kleinste nachvollziehen und so die Planetenbildung begreifen. Na, wenn dat nix is!   :prostbier: x-09

So, nun bin ich aber wieder  x-12

Ingo
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Thin Section am Dezember 04, 2008, 21:13:43 Nachmittag
Guten Abend Forum,

Zum Thema Entstehung von Chondren (nicht Chondriten, Achim!) in Chondriten noch dieses:

Der inzwischen leider verstorbene R. Hutchison hat die bis 2004 gängigen Theorien zur Entstehung mit all ihrem Für und Wider zusammengefasst und zwar auf den Seiten 231-233 in seinem Buch:

HUTCHISON R. (2004) Meteorites: A Petrologic, Chemical, and Isotopic Synthesis (Cambridge Planetary Science Series).

16 nebeneinanderstehende oder bestehende Theorien, die bezeugen, daß hier noch lange nicht das letzte Wort gesprochen sein dürfte! Sie haben alle ihr Für und Wider (bei Hutchison For und Against genannt) aber das hier einzubringen, würde zu weit führen.

Planetare Theorien:

(1) Kondensation von Flüssigkeitströpfchen in heißen Atmosphären gigantischer Protoplaneten
(2) Meteorablation: Abspaltung von Tröpfchen von festen Körpern, die in die Planetenatmosphären eindringen
(3) Impaktaufschmelzung von Planetesimalen im Größenbereich von wenigen Metern
(4) Impaktaufschmelzung von Planeten oder großen Asteroiden
(5) Magmatismus/Vulkanismus auf Planeten oder großen Asteroiden
(6) Kollisionsspritzer geschmolzener Planetesimale
(7) Wiederholtes Zerreißen und Wiederzusammenfügen durch Kollisionskräfte oder Gravitationskräfte von teilweise geschmolzenen, differenzierten Asteroiden oder planetaren Körpern.

Nebulare Theorien:

(1) Kondensation von Flüssigkeitströpfchen aus Gas in einem heißen Nebel im inneren Bereich des Sonnensystems, oder aber:
(2) Erhitzung fester, bereits vorhandener Materie in einem heißen Nebel im inneren Bereich des Sonnensystems
(3) Erhitzung fester, bereits vorhandener Materie in einem heißen Nebel im inneren Bereich des Sonnensystems während Ausbrüchen von FU Orionis Sternen
(4) Ablation fester Materie oder thermische Aufbereitung körnigen Materials bei bipolaren Abfließvorgängen von Materie
(5) Erhitzung von Chondrenursprungsmaterie in lokalen Blitzentladungen
(6) Erhitzung von Chondrenursprungsmaterie nach magnetischen Flares und "reconnection events" (hab' kein deutsches Wort dafür)  :traurig:
(7) X-Wind Modell, eine T Tauri Variante von (6). Chondren bilden sich, indem feste Chondrenursprungsmaterie am inneren Rand der planetaren Scheibe aufgeschmolzen wird; durch den X-Wind werden sie dann nach außen getragen und fallen im Bereich des Asteroidengürtels auf die planetare Scheibe zurück
(8) Reibungserhitzung interstellarer Chondrenursprungsmaterie beim Durchgang durch erhitztes Gas – erhitzt durch den Akkretionsschock, verursacht durch Gas aus der Muttermolekülwolke, die auf die protoplanetare Scheibe fällt
(9) Chondrenursprungsmaterie, die in der protoplanetaren Scheibe entstand, war bei Schockvorgängen (ausgelöst durch wiederholt auf die planetare Scheibe einstürzende Materie) beträchtlichem Gaswiderstand oder Strahlungshitze ausgesetzt.

So, ich glaube, jetzt tauche ich besser mal wieder ab!  :weissefahne:

Gruß,

Bernd x-02
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Hungriger Wolf am Dezember 04, 2008, 21:16:50 Nachmittag
Hallo Mark, Ingo und Bernd!


Jetzt verstehe ich die Chondrenbildung schon viel besser!
Danke! :danke:

schöne Grüsse von :prostbier:
Achim
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: gsac am Dezember 04, 2008, 22:12:21 Nachmittag
Der inzwischen leider verstorbene R. Hutchison hat die bis 2004 gängigen Theorien zur Entstehung mit all ihrem Für und Wider zusammengefasst und zwar auf den Seiten 231-233 in seinem Buch:

HUTCHISON R. (2004) Meteorites: A Petrologic, Chemical, and Isotopic Synthesis (Cambridge Planetary Science Series).

16 nebeneinanderstehende oder bestehende Theorien, die bezeugen, daß hier noch lange nicht das letzte Wort gesprochen sein dürfte! Sie haben alle ihr Für und Wider (bei Hutchison For und Against genannt) aber das hier einzubringen, würde zu weit führen.

Bernd nennt hier eines der momentan wohl immer noch weitgehend aktuellen Standardwerke der
Meteoritenliteratur. Empfehlenswerte Anschaffung! Ich weiß nicht, was das jetzt aktuell kostet,
aber ich habe mein Exemplar Anfang des Jahres bei amazon.com bestellt und $84.90 für das Buch
plus $12.48 für Shipment und Handling, macht zusammen $97.38, bezahlt - eine aus meiner Sicht
lohnenswerte Investition.

Auf den Seiten 231-233 sind, wie Bernd schreibt, die gängigen Theorien der Chondrenentstehung
nach Art einer Tabelle zusammengefaßt, auf den Seiten 219-229 steht es unter dem Thema "Origin
of chondrules" beschrieben, übrigens gefolgt von einem Kapitel über "Origin of calcium-aluminium-rich
inclusions [CAIs]".

Wer sich noch intensiver damit beschäftigen will, liest "Meteoritics and Planetary Sciences" (MAPS),
das Journal der Meteoritical Society....

Das "letzte Wort" zur Chondrengenese scheint indes noch lange nicht gesprochen zu sein, anders als es
der übrigens sehr einprägsame und gut gemachte (...bis auf fehlende Demonstrationsobjekte!!!) Beitrag
von Prof. Lesch suggeriert. Ich denke, Herr Lesch hat sich da als "best guess" einfach eine der Theorien
herausgesucht, die gut zu den Beobachtungen und den Regeln der Elektrothermodynamik paßt. Ob es die
letzte Wahrheit oder Teil einer letzten Wahrheit ist, wird sich noch zeigen, denn dieses Thema ist in der
Wissenschaft noch nicht abgeschlossen und wird weiterhin kontrovers und lebhaft diskutiert, wie man in
Tagungsberichten oder den Fachjournalen nachlesen kann.

Alex
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Thin Section am Dezember 04, 2008, 23:04:42 Nachmittag
Guten Abend Alex und Forum,  :wa:

Zitat
Bernd nennt hier eines der momentan wohl immer noch weitgehend aktuellen Standardwerke der Meteoritenliteratur. Empfehlenswerte Anschaffung!

Auf alle Fälle eine sehr empfehlenswerte Anschaffung, wenn nur die Bilder bzw. Photographien nicht so miserabel wären!!! Hier kommt natürlich wieder O.R. Norton ins Spiel mit seinen beiden, Maßtäbe setzenden Werken:

1) NORTON O.R. (2002) The Cambridge Encyclopedia of Meteorites (Cambridge University Press, ISBN 0 521 62143 7, pp. 354).
2) NORTON O.R. (2008) Field Guide to Meteors and Meteorites (Patrick Moore's Practical Astronomy Series, ISBN 978-1-84800-156-5).

Exzellente Bilder, für den Laien verständliche Erklärung schwieriger Sachverhalte, Begeisterung weckende Darstellung!

Aber: vom Inhalt her habe ich in der letzten Zeit immer öfter zu Hutchison gegriffen, ... das muß auch gesagt werden. Nur würde ich als Einsteiger bei unserem faszinierenden Hobby bei Hutchison wahrscheinlich oft nur "Bahnhof und Abfahrt" verstehen, womit wir wieder bei O.R. Norton wären.

Bahnhof,
Abfahrt,

Bernd  :we:
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: gsac am Dezember 04, 2008, 23:29:50 Nachmittag
Kurze Frage/Bitte an den Admin: kannst Du "Chondritenbildung" im Threadtitel durch
"Chondrenbildung" ersetzen, oder wäre das schon zu viel einer vernünftigen Zensur?

Bernd, Du hast recht, die Bilder sind eher miserabel, aber es scheint eine ungeschriebene
Regel zu sein, daß Bilder in Referenzwerken einen anderen "Info-Transportwert" haben als
Abbildungen in Büchern, die sich mehr an ein breites Publikum wenden, welches optisch
ansprechender bedient werden will, damit es das Buch überhaupt kauft. Das Hutchison-
Buch ist insofern wohl eher nicht an den meteoritischen Laien gerichtet, sondern steht
in der Tradition von Lehrbüchern alten Stils. Selbst für die Bücher von Hap McSween läßt
sich das m. E. sagen, oder sogar die erste Ausgabe von Nortons "Rock from Space"...

Aber es gibt auch qualitativ sehr gut bebilderte Klassiker mit hohem Anspruch, die das
Gegenteil beweisen ---> z. B. Vagn Buchwalds berühmter Dreiteiler über Eisenmeteorite,
selbstverständlich ganz in dezentem, aber gut aufgelöstem s/w!

Nortons letztes Buch oder auch schon seine Encyclopedia sprechen dann eine ganz andere
optische Sprache. Oder man schaue nur in die tollen "Bilderbücher" von Killgore/Lauretta
oder die "Sammlungsbücher" von z. B. Jim Schwade oder Bob Haag...

Alex

 
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: paragraf am Dezember 04, 2008, 23:42:19 Nachmittag
Die Sterne (und nichts anderes als ein Stern ist auch die Sonne) haben sich aus Staubscheiben gebildet. Es gab also allein in unserer Milchstrasse in der Geschichte viele Milliarden verschiedene und räumlich getrennte Staubscheiben, aus der sich dann jeweils ein Stern und manchmal auch ein Planetensystem gebildet hat.

Wenn das so sein soll, welche Kraft hat dann die vielen Staubscheiben zu Scheiben geformt?   x-12

Gruß
§Bernd
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: pallasit am Dezember 04, 2008, 23:50:52 Nachmittag
Guten Abend Forum,

HUTCHISON R. (2004) Meteorites: A Petrologic, Chemical, and Isotopic Synthesis (Cambridge Planetary Science Series).
Dieses Buch ist für mich das klassische Lehrbuch. Damit kann sich auch ein studierter Mineraloge lange beschäftigen.

Wer noch einen Schritt weiter gehen möchte, dem empfehle ich ein schon etwas älteres Nachschlagewerk. Jeder Wissenschaftler der sich mit Meteoriten beschäftigt hat es auf seinem Schreibtisch liegen. Sehr detailreich, ist sozusagen die Grundlage zur Klassifikation von Meteoriten.

PAPIKE J.J. (1998): : Planetary Materials (Mineralogical Society of Amerca). ISBN 0939950464.
http://www.minsocam.org/MSA/Rim/Rim36.html (http://www.minsocam.org/MSA/Rim/Rim36.html)

 x-09
Grüsse Willi
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: gsac am Dezember 05, 2008, 00:15:55 Vormittag
Wenn das so sein soll, welche Kraft hat dann die vielen Staubscheiben zu Scheiben geformt?   x-12

Klassische Mechanik --> Erhaltungssätze (Energie, Drehimpuls) und dazu Gravitation.
Eine ganz nette Zusammenfassung findet sich übrigens hier:

http://www.biosphaere.info/biosphaere/inhalt.php?artnr=000057&thema=UUTUGE

Alex
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: gsac am Dezember 05, 2008, 00:19:26 Vormittag
PAPIKE J.J. (1998): : Planetary Materials (Mineralogical Society of Amerca). ISBN 0939950464.
http://www.minsocam.org/MSA/Rim/Rim36.html (http://www.minsocam.org/MSA/Rim/Rim36.html)

Klasse Buch, leider bisher in genau dieser Form wohl nicht fortgeschrieben....  x-06

Alex
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Thin Section am Dezember 05, 2008, 11:46:54 Vormittag
Guten Morgen, bzw. guten Tag Forum,

Hier eine kurze, prägnante Formulierung aus dem Jahr 2004:

Zitat
ZANDA B. (2004) Chondrules (Earth and Planetary Science Letters 224, no 1-2 , Pages 1-17, 30 July 2004): The current most popular mechanisms for forming chondrules in a nebular setting are radiation emitted by the protosun in the X-wind setting or shock waves propagated in the protoplanetary disk.

Die beiden, zur Zeit gängigsten Theorien bezüglich des Mechanismus der Entstehung von Chondren in einem solaren Urnebel sind:

(1) Strahlung, ausgehend von der Protosonne in einem X-Wind Umfeld
(2) Shockwellen, die sich in der protoplanetaren Scheibe ausbreiten.

Gruß,

Bernd  x-00
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Thin Section am Dezember 05, 2008, 14:07:47 Nachmittag
Dann wäre da noch dieser Auszug aus einem Artikel in MAPS:

Zitat
It is important to understand the origin of chondrules because of their prevalence in primitive (chondritic) meteorites and because of the clues that they may therefore provide about the early accretional period of solar system formation. Most detailed analyses have inferred that these millimeter-sized, once-molten inclusions formed in short-duration heating events in a relatively cool, dust-rich solar nebula environment (Taylor et al., 1983; Wood, 1984; Hewins, 1988; Grossman et al., 1988; Grossman, 1988, 1996). Many chondrules have apparently been thermally processed repeatedly and some contain recycled fragments of previous generations of chondrules (Kring, 1988, 1991; Alexander, 1994). Multiple heating events are therefore indicated. Similar, but somewhat modified, characteristics have been inferred for larger calcium-aluminum-rich inclusions (CAIs) that are prevalent in some carbonaceous chondrites (MacPherson et al., 1988). In addition to the basic requirement of rapid, multiple heating events in a relative cool nebula, meteoritic data have imposed several additional constraints that must be satisfied by any successful chondrule formation model. Among these are the experimentally derived temperature conditions of chondrule formation.

Quelle: HOOD L.L. et al. (2001) The scale size of chondrule formation regions: Constraints imposed by chondrule cooling rates (MAPS 36-12, 2001, pp. 1571-1585).

Übersetzung der wichtigsten Passagen:

Die meisten ins Detail gehenden Analysen gehen davon aus, daß diese millimetergroßen, einstmals geschmolzenen Einschlüsse sich bei Aufheizungsvorgängen von nur kurzer Dauer in einem relativ kühlen, staubreichen Umfeld des Sonnennebels gebildet haben. Viele Chondren sind augenscheinlich wiederholt Veränderung durch Hitzeeinwirkung ausgesetzt gewesen und einige unter ihnen enthalten umgebildete Fragmente früherer Chondrengenerationen. Dies weist darauf hin, daß sie mehrfach Erhitzungsvorgängen ausgesetzt waren... Zusätzlich zu der Grundbedingung schneller, mehrfacher Erhitzungsvorgänge in einem relativ kühlen solaren Nebel erfordern die bei der Untersuchung von Meteoriten gewonnenen Daten weitere zwingende Einschränkungen, ohne die keinem der Entstehungsmodelle zufriedenstellender Erfolg beschieden ist. Dazu gehören die experimentell gewonnenen Temperaturbedingungen der Chondrenentstehung.

Gruß,

Bernd :wa:
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: Thin Section am Dezember 05, 2008, 14:28:54 Nachmittag
Und das noch:

VOGEL N. et al. (2004) Noble gases in chondrules and associated metal-sulfide-rich samples: Clues on chondrule formation and the behavior of noble gas carrier phases (MAPS 39-1, 2004, 117-135):

Zitat
Chondrules are small silicate spherules in primitive meteorites that show evidence for a once molten stage. Although they are common in most chondrite groups (e.g., Brearley and Jones 1998), their formation mechanism(s) and environment(s) are uncertain. The two main theories are nebular chondrule formation by melting of dust-ball precursors and chondrule formation in a planetary environment (see, e.g., Brearley and Jones [1998] and Rubin [2000] for comprehensive reviews about chondrule formation and heating models).

Chondren sind kleine Silikatkügelchen in primitiven Meteoriten, die Indizien zeigen, daß sie sich einmal in einem geschmolzenen Zustand befunden haben müssen. Obwohl man sie in den meisten Klassen der Chondrite findet, ist es bislang ungewiss, wie genau und wo genau (im solaren Urnebel) sie entstanden sind. Die beiden gängigsten Theorien sind, daß sie entweder aus einem Nebel entstanden sind, indem ursprünglich vorhandene kugelige Staubklümpchen aufgeschmolzen wurden oder, daß sie in einem planetaren Umfeld gebildet wurden.


Ciao,

Bernd :we:
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: wannkommtdernächste am Dezember 05, 2008, 15:54:02 Nachmittag

Dank @all für die Literaturhinweise, und namentlich an Bernd: das sind sehr schön ausgewählte Stellen zum Thema.

Kann jemand von naturwissenschaftlicher Seite her sagen, ob es denkbar wäre, den differenten Konzepten - hauptsächlich nah-planetare oder präsolare-Nebel-Genese - qua Simulation der Bedingungen im Experiment auf den Zahn zu fühlen?

Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: wannkommtdernächste am Dezember 06, 2008, 01:11:17 Vormittag
Guten Abend Forum,

Zum Thema Entstehung von Chondren (nicht Chondriten, Achim!) in Chondriten noch dieses:

Der inzwischen leider verstorbene R. Hutchison hat die bis 2004 gängigen Theorien zur Entstehung mit all ihrem Für und Wider zusammengefasst und zwar auf den Seiten 231-233 in seinem Buch:

HUTCHISON R. (2004) Meteorites: A Petrologic, Chemical, and Isotopic Synthesis (Cambridge Planetary Science Series).

16 nebeneinanderstehende oder bestehende Theorien, die bezeugen, daß hier noch lange nicht das letzte Wort gesprochen sein dürfte! Sie haben alle ihr Für und Wider (bei Hutchison For und Against genannt) aber das hier einzubringen, würde zu weit führen.

Planetare Theorien:

(1) Kondensation von Flüssigkeitströpfchen in heißen Atmosphären gigantischer Protoplaneten
(2) Meteorablation: Abspaltung von Tröpfchen von festen Körpern, die in die Planetenatmosphären eindringen
(3) Impaktaufschmelzung von Planetesimalen im Größenbereich von wenigen Metern
(4) Impaktaufschmelzung von Planeten oder großen Asteroiden
(5) Magmatismus/Vulkanismus auf Planeten oder großen Asteroiden
(6) Kollisionsspritzer geschmolzener Planetesimale
(7) Wiederholtes Zerreißen und Wiederzusammenfügen durch Kollisionskräfte oder Gravitationskräfte von teilweise geschmolzenen, differenzierten Asteroiden oder planetaren Körpern.

Nebulare Theorien:

(1) Kondensation von Flüssigkeitströpfchen aus Gas in einem heißen Nebel im inneren Bereich des Sonnensystems, oder aber:
(2) Erhitzung fester, bereits vorhandener Materie in einem heißen Nebel im inneren Bereich des Sonnensystems
(3) Erhitzung fester, bereits vorhandener Materie in einem heißen Nebel im inneren Bereich des Sonnensystems während Ausbrüchen von FU Orionis Sternen
(4) Ablation fester Materie oder thermische Aufbereitung körnigen Materials bei bipolaren Abfließvorgängen von Materie
(5) Erhitzung von Chondrenursprungsmaterie in lokalen Blitzentladungen
(6) Erhitzung von Chondrenursprungsmaterie nach magnetischen Flares und "reconnection events" (hab' kein deutsches Wort dafür)  :traurig:
(7) X-Wind Modell, eine T Tauri Variante von (6). Chondren bilden sich, indem feste Chondrenursprungsmaterie am inneren Rand der planetaren Scheibe aufgeschmolzen wird; durch den X-Wind werden sie dann nach außen getragen und fallen im Bereich des Asteroidengürtels auf die planetare Scheibe zurück
(8) Reibungserhitzung interstellarer Chondrenursprungsmaterie beim Durchgang durch erhitztes Gas – erhitzt durch den Akkretionsschock, verursacht durch Gas aus der Muttermolekülwolke, die auf die protoplanetare Scheibe fällt
(9) Chondrenursprungsmaterie, die in der protoplanetaren Scheibe entstand, war bei Schockvorgängen (ausgelöst durch wiederholt auf die planetare Scheibe einstürzende Materie) beträchtlichem Gaswiderstand oder Strahlungshitze ausgesetzt.

So, ich glaube, jetzt tauche ich besser mal wieder ab!  :weissefahne:

Gruß,

Bernd x-02


Hallo Bernd,

wunderbar zusammengefasst.

In dem Zusammenhang bin ich gerade über einen Artikel in Spiegel Online vom 26. Jan. 2005 gestolpert. Dort wird über die gemeinsamen Forschungen zur Genese unseres Sonnensystems von Yangting Lin von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und Laurie Leshin von der Arizona State University berichtet. Diese stützen sich v.a. auf Analysen des Meteoriten Ningqiang (C3-ung). Die Auswertung des Isotopenbefundes lässt die beiden Doctores von einer höchst ungemütlichen Entstehung des solaren Systems ausgehen - ich zitiere:

"Ihr Beweis wirkt recht harmlos: ein Meteorit, vom Himmel gefallen über der chinesischen Stadt Ningqiang. Für die Astronomen ist klar, dass der Stein ein Relikt aus der Kinderzeit unseres Sonnensystems ist. In dem Meteoriten, der zur Klasse der kohligen Chondriten gehört, fanden die Forscher sogar Einschlüsse von noch älterem Material.

Und diese Einschlüsse könnten den Beweis für die neue Entstehungstheorie unseres Sonnensystems liefern, da sie Sodalit enthalten. Das Mineral enthält reichlich Chloratome und darüber hinaus auffällig viele Schwefel-36-Atome. Das Isotop kann in dem Meteoriten nur durch den radioaktiven Zerfall des Chlorisotops Chlor 36 entstanden sein, schreiben die Wissenschaftler in der Online-Ausgabe des Fachblatts "Proceedings of the National Academy of Sciences".

(...)

Die Frage ist nun, wie Chlor 36 in den Meteoriten kam. "Heute gibt es in unserem Sonnensystem kein natürliches Chlor 36 mehr", sagt Laurie Leshin, Direktorin des Zentrums für Meteoritenstudien an der Arizona State University. Das Isotop hat eine Halbwertzeit von 300.000 Jahren, so dass alles Chlor 36 aus der Frühzeit des Sonnensystems längst zerfallen ist. "Aber wir haben nun einen direkten Beweis, dass es einmal hier war", so Leshin.

Zwei Ereignisse könnten das Chlor 36 in die Ursuppe unserer planetaren Nachbarschaft gestreut haben: Eine nahe gelegene Supernova oder Strahlung aus einer Nebelwolke. "Wir haben wirklich starke Argumente dafür, dass das Chlor-Isotop von einer Supernova produziert wurde, die in der Nähe unseres sich gerade formierenden Sonnensystems explodierte", sagt Leshin. Schon im vergangenen Frühjahr hatte die Forscherin nachgewiesen, dass in der Zeit der Sonnenentstehung das Isotop Eisen-60 vorhanden war - was sich ebenfalls nur durch eine Supernova erklären lasse."


(Nebenbei bemerkt: in diesem Sinne hätte Heraklit recht mit seiner Aussage, der Krieg sei der Vater aller Dinge ...)

Nun aber, langer Rede kurzer Sinn, meine Frage: könnte es sein, dass die Aufschmelzung der feinen Partikel und die darauf erfolgende Erstarrung zu "glasigen" Chondren Folge einer von einer Supernova abgestrahlten Schockwelle sein? Ich habe bei den oben genannten Thesen keinen Hinweis auf Supernovae entdecken können.

Beste Grüße,

Matthias



Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: wannkommtdernächste am Dezember 06, 2008, 21:13:35 Nachmittag

P.S.

Ich präzisiere den von mir in meiner abschließenden Frage (s.o.) benutzten Begriff "Schockwelle"  zu: Gammablitz (resultierend aus Supernova). Das würde im übrigen gut zu der Vemutung passen, dass das Schmelzereignis sehr rasch stattfand. Die Gammablitz-These vertreten die beiden Astrophysiker Brian McBreen und Lorraine Hanlon vom University College in Dublin.


Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: wannkommtdernächste am Dezember 07, 2008, 22:01:59 Nachmittag

Dank @all für die Literaturhinweise, und namentlich an Bernd: das sind sehr schön ausgewählte Stellen zum Thema.

Kann jemand von naturwissenschaftlicher Seite her sagen, ob es denkbar wäre, den differenten Konzepten - hauptsächlich nah-planetare oder präsolare-Nebel-Genese - qua Simulation der Bedingungen im Experiment auf den Zahn zu fühlen?



Hm wenn ich mir inzwischen selber antworten darf – ja,  experimentelle Simulationen der Chondrenentstehung gibt es in Ansätzen (was die Aufheizung selbst und die Erzeugung makroskopischer Körper aus Mikropartikeln anbelangt). Hier bereits 2001:

http://www.geophys.tu-bs.de/alte_homepage/forschung/projekte/staublabor/chondrenentstehung.htm

Mehr zur Arbeit von Poppe und Poppe/Blum hier:

http://www.geophys.tu-bs.de/alte_homepage/institut/mitarbeiter/poppe/poppe_de.html

Seit 2000 gibt es offenbar Vorbereitungen zur experimentellen Simulation unter Bedingungen der Schwerelosigkeit auf der Internationalen Raumstation.

 http://209.85.129.132/search?q=cache:y5z17bzJgskJ:www.ari.uni-heidelberg.de/AG/m8430je1.ps+chondrenentstehung+%2Bsimulation&hl=de&ct=clnk&cd=4&gl=de&client=firefox-a (p. 10/11)

Leider konnte ich bislang nicht herausfinden, ob es mittlerweile zu diesen Experimenten gekommen ist und welche Resultate diese gegebenenfalls erbracht haben.

Bei der englischsprachigen Literatur stoße ich auf Anhieb überraschenderweise eher auf weniger aktuelle Ansätze.

Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: wannkommtdernächste am Dezember 07, 2008, 22:13:20 Nachmittag

P.S.

Ich präzisiere den von mir in meiner abschließenden Frage (s.o.) benutzten Begriff "Schockwelle"  zu: Gammablitz (resultierend aus Supernova). Das würde im übrigen gut zu der Vemutung passen, dass das Schmelzereignis sehr rasch stattfand. Die Gammablitz-These vertreten die beiden Astrophysiker Brian McBreen und Lorraine Hanlon vom University College in Dublin.




Zu (siehe oben) McBreen, Hanlon e.a. siehe diese interessante Publikation, die sogar - was ja meine zweite hier gestellte Frage betrifft - experimentelle Simulation der Chondrengenese mit einbezieht:

Gamma-ray bursts and X-ray melting of material to form
chondrules and planets (2004)
http://arxiv.org/PS_cache/astro-ph/pdf/0410/0410345v1.pdf

So, und damit gebe ich erstmal Ruhe.





Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: ben.g am Dezember 11, 2008, 17:48:00 Nachmittag
Hallo.

Hallo Ben,

Schau mal bei:
http://www.abbeys.com.au/items.asp?id=163759 (http://www.abbeys.com.au/items.asp?id=163759)

oder:
http://www.booksatpbfa.com/search/results.php?g_author=&g_title=Cambridge+Encyclopedia+of+Meteorites&g_keywords=&g_seller=&g_offset=0&Submit=Search (http://www.booksatpbfa.com/search/results.php?g_author=&g_title=Cambridge+Encyclopedia+of+Meteorites&g_keywords=&g_seller=&g_offset=0&Submit=Search)

Grüsse Willi  :prostbier:
(The Cambridge Encyclopedia of Meteorites)


Vielen Dank für den Tip, Willi !
Über den zweiten Link habe ich tatsächlich noch ein Exemplar für 24 Pfund (=27 Euro !) erwischt.
Angesichts der Mondpreise die z.Zt. teilweise für die Enzyklopädie verlangt werden, war das ein echtes Schnäppchen.  :smile:
Prima Buch übrigends, kann ich jedem empfehlen.

Gruß
Ben  x-10
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: pallasit am Dezember 11, 2008, 18:12:25 Nachmittag
Hallo Ben,

Das ist ja nett, dass du dich bedankt hast. Das ist leider nicht immer selbstverständlich!

Es lohnt sich eine Liste dieser vielen Internet-Buchläden anzulegen. Wenn man sich Zeit lassen kann, findet man meist ein günstiges angebot. Dieses Jahr habe ich z.B. Krinov "Giant meteorites" für 12 Dollar bekommen.

Grüsse Willi  :w-ge:
Titel: Re: Chondritenbildung in Steinmeteoriten
Beitrag von: gsac am Dezember 11, 2008, 19:45:13 Nachmittag
Es lohnt sich eine Liste dieser vielen Internet-Buchläden anzulegen. Wenn man sich
Zeit lassen kann, findet man meist ein günstiges angebot. Dieses Jahr habe ich z.B.
Krinov "Giant meteorites" für 12 Dollar bekommen.

Schier unglaublich - aber keine Sorge, ich glaube es Dir natürlich trotzdem, Willi!  x-08
[PS: wäre bei einem der größeren Internet-Buchhändler so aber gewiß nicht passiert]

Alex

PS: ...das ist "normal" eher ein 150/200-$/EUR-Buch!