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Meteoriten => Meteorite => Thema gestartet von: ironsforever am Mai 24, 2013, 15:57:50 Nachmittag
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Hallo Forum,
nachfolgend ein kurzer Expeditionsbericht von unserer Tour in die Westsahara im März 2013, die wir eigentlich erst für den Herbst 2013 planten, jedoch wegen Terminskollisionen kurzfristig vorziehen mussten.
Unser Team bestand aus 6 Teilnehmern und 3 Autos. Wir starteten diesmal getrennt: Marc, Thomas und Sergey starteten einige Tage früher nach Agadir, um dort Proviant und Equipment zu bunkern und fuhren unsere 3 Toyota Land Cruiser die ca. 600 km von Agadir nach Laayoune. Dort stießen Svend, Andi G. und meine Wenigkeit hinzu und wir brachen gleich nach der Landung in Laayoune auf in die Wüste.
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Die Flora war zu Beginn unserer Tour erstaunlich üppig, da es ein paar Tage zuvor geregnet hatte. Die häufigste Pflanzenart war eine feuchtigkeitsspeichernde Art mit dicken saftigen Blättern, die das Fahren stellenweise schier unmöglich machte: Die überfahrenen Blätter verklebten die Reifenprofile, sodass man keinen Grip mehr hatte. Hinzu kam, dass der Boden, insbesondere in den Tälern, sehr weich war und man ständig bedacht sein musste, nicht stecken zu bleiben.
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Ein paar Tage später erreichten wir wieder sehr trockene Gebiete ohne nennenswerten Bewuchs, wo uns jedoch das teilweise recht schwierige Terrain und tiefer Sand zu schaffen machten. Hinzu kam, dass die Hitze an einem Tag weit über 45° C im Schatten erreichte, wo jeder Versuch, ein steckengebliebenes Auto auszuschaufeln bzw. anzuschieben, in der Sonne alles andere als erstrebenswert gewesen wäre.
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So versuchten wir, ein Steckenbleiben unbedingt zu vermeiden. Thomas brachte mir bei, wie man solche Passagen meistert: Vor ersichtlich losem Treibsand Gas geben und mit möglichst hoher Geschwindigkeit und 4-Rad-Antrieb durchbrettern. Während der Passage sehr gefühlvoll Gas geben. Einerseits ist zu vermeiden, dass die Räder durchdrehen, andererseits aber auch, dass man zu langsam wird und stecken bleibt. Und bloß nicht schalten, denn dann steckt man im nu fest!
Und wenn´s dann doch passiert, darf man sich nicht durch sinnlose Befreiungsversuche weiter eingraben. Nun muss die Untersetzung rein, die Differentialsperre (soweit nicht bereits vorher geschehen) und man lässt äußerst gefühlvoll die Kupplung kommen. Die Reifen dürfen dabei kaum merklich drehen. Das Auto arbeitet sich auf diese Weise im Zeitlupentempo aus dem Sand heraus. Häufiger Anfängerfehler: Man gibt zu viel Gas und das Auto gräbt sich weiter ein.
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Das abendliche Lagerleben war regelmäßig ein Highlight des Tages. Jeder fand „seine“ Aufgabe, die er täglich automatisch erledigte: Sergey mixte uns bei Ankunft regelmäßig erst mal einen Gin-Tonic als Aperitif. Marc und Sergey richteten die Küche ein und Marc begann zu kochen. Svend baute derweil Marcs Zelt auf, ich war für die Feuerstelle zuständig und wir alle waren wechselweise Marcs Küchengehilfen. Nach dem Essen gabs regelmäßig „Party“.
Einmal hatten wir sogar Gäste, als ein Kamelhirte den Weg in unser Lager fand (erstes Foto Mitte links) und später auch der Besitzer der Kamele mit seinem alten Land Rover Santana einen Besuch abstattete. Wie es der Brauch verlangt, wechselten Gastgeschenke die Runde (Pistazien, Oliven, Coca Cola).
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Marc und Sergey waren zunächst das erfolgreichste Team mit gleich 5 Funden hintereinander. Die beiden anderen Teams waren zunächst noch erfolglos, was sich aber bald ändern sollte. Svend machte den in meinen Augen schönsten Fund: Ein relativ frischer, wunderschön skulpturierter Chondrit mit einem Gewicht von 330 Gramm.
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Noch am selben Tag sollten auch Thomas und ich endlich einen Fund verzeichnen können. Die Umstände waren recht komisch und ich will sie Euch nicht vorenthalten: Um die obligatorisch lästigen Fliegen im Auto zu bekämpfen, die es ständig auf Mund und Gesicht abgesehen hatten, nutzten wir mit Erfolg Thomas´ Weihrauchofen. Dieser bestand aus einer aufgeschnittenen Coladose, die wiederum in einem brandsicheren, mit Sand gefüllten Topf gelagert war. In der Coladose wurde ein Stück Kohle entzündet. Darauf legte man ein Stückchen Weihrauch, das dort nach und nach verdampfte. Den Fliegen gefiel das gar nicht :platt:, uns deshalb umso mehr.
Unser Auto erinnerte aufgrund des Weihrauchnebels unweigerlich an eine mobile Kirche, weshalb ich einwarf, dass wir nun gewissermaßen auf einer Mission Gottes unterwegs sind und wir schon deshalb fündig werden müssten. Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, rief ich laut „Stoooop!“. Thomas bremste abrupt. Ich sah in Thomas´ Gesicht und stellte fest „wir haben einen“.
Als ich ausstieg und nachsah, lag keine 3 m von unserer Reifenspur entfernt ein Chondrit-Individual, nebst 2 kleineren Fragmenten in unmittelbarer Umgebung. (Bild k-11 mit freundlicher Genehmigung von S. Buhl/ Copyright S. Buhl)
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Die Umstände forderten ihren Tribut, als am Land Cruiser von Marc und Sergey erst der rechte, kurze Zeit später auch noch der linke Rohr-Stoßdämpfer an der Vorderachse brach. Auch wenn schwer reparable Pannen dieser Art sich in der Wüste zu einem massiven Problem auswachsen können, entbehrte das Ganze nicht einer gewissen Komik: Jede Bodenwelle ließ den Wagen mitsamt den Insassen Marc und Sergey wie einen Gummiball auf- und abhüpfen, weil die Schwingung der Hauptfeder nicht mehr vom Gegenstoßdäpfer gebremst wurde. Dabei gab das Auto furchterregende Geräusche von sich, wenn Metall auf Metall schlug.
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Glücklicherweise waren wir an diesem Tag nicht allzu weit von der Zivilisation entfernt, sodass wir noch am Abend Boujdour erreichten. Marc und Sergey konnten bei diesem Trip ihre Seetauglichkeit unter Beweis stellen.
Am darauffolgenden Tag machten wir eine Werkstatt ausfindig, deren Meister es tatsächlich schaffte, innerhalb kürzester Zeit passende Teile aufzutreiben und den Schaden zu beheben. Die Reparatur dauerte ca. 3 Stunden, was maßgeblich auf den Stromausfall zurückzuführen war, währenddessen nicht geschweißt werden konnte.
Wir versüßten uns den Zwangsaufenthalt während der Reparatur mit frischer Dorade vom Grill, während uns die dicke Frau des Fischladeninhabers unter dem Gelächter der umherstehenden Händler und Marktfrauen mit ihren Deutschkenntnissen überraschte „Isch liiieeebe disch!“. Hut ab auch vor dem Improvisations- und Organisationstalent unseres Marokkanischen Automechanikers! :hut:
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Den Aufenthalt in der Zivilisation nutzten wir noch für einen Besuch des Hafens, wo wir sehr günstig einen recht großen Hummer mit einem TKW von 3,5 kg erstanden, der uns am Abend meisterhaft vom Chefkoch des UN-Hotels in Laayoune zubereitet und kredenzt wurde.
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Vor dem Hotel stießen wir auf einen „Vamtac“, ein martialisch aussehendes Wüsten-Vehikel, den Prototyp eines spanischen Herstellers, der in dieser Gegend nach Aussage der beiden spanischen Fahrer hier gerade getestet wurde. Mangels typischer Gebrauchsspuren an Chassis, Reifen und Fahrwerk, wie z.B. Dornenkratzer, Abplatzer und Beulen, mussten wir davon ausgehen, dass bislang offenbar lediglich die Straßentauglichkeit auf der Hauptstraße zwischen Boujdour und Laayoune getestet wurde.
Bleibt abzuwarten, ob Nissan Patrol oder Toyota Land Cruiser in 10-20 Jahren durch Vamtracs verdrängt werden. Wir alle bezweifelten das schon aufgrund der Verfügbarkeit von passenden Ersatzteilen.
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Wir genossen den kurzen Ausflug in die Zivilisation sehr und schöpften Kraft für den Wechsel in eine andere Suchgegend in der Wüste. Unsere 2. Suchgegend war aber trotz aller Erwartungen nicht ergiebig. Gleichwohl entschädigte die schöne Landschaft für alle Strapazen. Alle unsere Funde (insgesamt 10 Meteoriten) machten wir während des ersten Teils unseres Trips. Leider verging die Zeit wieder mal wie im Fluge.
Mein Dank gilt allen Team-Kollegen, die mir wieder mal eine unvergessliche Erfahrung ermöglichten!
Gruß,
Andi :prostbier:
P.S. Abschließend noch ein paar Impressionen aus der Wüste, die wohl für sich sprechen und keines weiteren Kommentares bedürfen…
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(Auf der Spitze des rechten Hügels auf dem letzten Foto steht übrigens Haschr :winke:)
Gruß,
Andi :prostbier:
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Hallo Andi,
toller Bericht, macht Lust auf Wüste :lechz:
Grüße
speul
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Moin Andi!
Vielen Dank für diesen reich bebilderten Bericht. Meteorite, Wüste und Hummer auf einer Tour, das klingt wie das Paradies für mich. Könnte mir vorstellen, dass man da auch alle Widrigkeiten vergessen kann.
Gruß
Ingo
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Einen hab ich noch:
Wir hatten natürlich auch diesmal wieder unseren Kamera-Drachen dabei, der unser Lager und die Gegend von oben fotografierte (Copyright: T. Füllengraben/ A. Koppelt).
Gruß,
Andi :prostbier:
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Wieder mal ein toller Bericht und ein echtes Lesevergnügen, das Sehnsüchte weckt!
Vielen Dank dafür, Andi! :super:
:prostbier:
Martin
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Sehr schöner Bericht und gute Bilder.
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Wir hatten natürlich auch diesmal wieder unseren Kamera-Drachen dabei, der unser Lager und die Gegend von oben fotografierte (Copyright: T. Füllengraben/ A. Koppelt).
Herrliches Bild!
Herzlichen Dank für all diese Impressionen!
Bernd :winke:
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Hallo Andi,
vielen Dank für den ausführlichen und sehr anschaulich geschriebenen Expeditionsbericht.
Die Bilder dazu untermalen nur zu gut das geschriebene.
Einfach Klasse zu lesen. :hut:
Viele Grüße Mirko :prostbier:
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Hallo Andi,
toller Bericht ... man war fast mit dabei :super:
Und Glückwunsch zu den Funden.
:hut: Jörg
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Super Impressionen, danke!
Off topic:
Bei der abgebildeten Granate handelt es sich vermutlich um eine sowjetische 85mm Flakgranate (Zeitzünder an der Spitze abgerissen). Anbei eine Zeichnung dieses Typs.
An den eingeschnittenen Führungsbändern kann man erkennen, dass es sich hier um eine verschossene Granate, also einen Blindgänger handelt. Sehr gefährlich!
Dieser Typ hatte einen Zeitzünder mit Selbstzerlegungsmechanismus, der hier versagt hat. Jede Bewegung kann das Ding aber unvermittelt zur Detonation bringen.
Wer solche Sachen findet, im Eigeninteresse liegen lassen, nicht bewegen und (gilt für Europa) die Polizei benachrichtigen.
Christian
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Sehr fein. Jungs, ich bin immer, wenn ich solche Fotos sehe, etwas in Sorge, ob ihr bei euren Foto-Niederwerfungen stets auch korrekt nach Mekka orientiert seid.
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Hallo Andi,
toller Bericht ! Ein beneidenswerter Trip :super: :super:
Viele Grüße,
Robert
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Danke für die Blumen! :hut:
Freut mich sehr, dass Euch die Fotos und der (recht schnell geschriebene) Reisebericht gefallen. Haschr wird in gewohnter Weise tiefer recherchieren und wieder einen ausführlichen Bericht verfassen, wo noch viele weitere Ereignisse und Bilder von diesem Trip verarbeitet werden (ich sach nur: "Tankstelle des Vertrauens und Tankstelle des Grauens" :einaugeblinzel:).
Von meinen Bildern gefällt mir der kleine, freche Freund auf dem verdorrten Busch am Besten. Er flüchtete zunächst vor dem Auto, weshalb ich ihn überhaupt sehen konnte. Ich hielt an und verfolgte ihn zu Fuß. Als er auf den Busch flüchtete, robbte ich auf dem Boden, um ihn abzulichten. Sehr fotogen, das kleine Kerlchen, nicht? Kann mir ein Reptilienexperte vielleicht sagen, zu welcher Art er gehört? Oben war er sandfarben wie der Untergrund. Mit Schwanz war er ca. 30 cm lang. Leider konnte ich ihn nicht von oben fotografieren.
Gruß,
Andi :prostbier:
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Sehr fein. Jungs, ich bin immer, wenn ich solche Fotos sehe, etwas in Sorge, ob ihr bei euren Foto-Niederwerfungen stets auch korrekt nach Mekka orientiert seid.
:laughing: Orientiert sind unsere Mets, Millie! Wir orientieren uns dann an diesen.
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Das könnte der Acanthodactylus boskianus asper sein,
der Afrikanische Fransenfinger.
:prostbier:
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Oder vielleicht auch dieser hier:
Acanthodactylus aureus
Fotos zum Vergleich:
http://www.moroccoherps.com/galeria/Acanthodactylus_aureus/
http://www.moroccoherps.com/ficha/Acanthodactylus_aureus/
Die Website http://www.moroccoherps.com ist übrigens insgesamt ganz gut zur Bestimmung der marokkanischen Tierwelt geeignet.
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Aber der Goldfransenfinger ist deutlich kleiner als Boskens Fransenfinger und wird maximal nur 20cm lang.
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Mensch Andi genial, vielen Dank für diese Eindrücke :wow:
So eine Expedition wär schon lange mein Traum.
Einfach traumhafte Impressionen :super:
Grüßle
Marco
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Hallo Andi,
vielen Dank für den launigen Bericht und die tollen Fotos! Würde am liebsten selbst mal auf so eine Suchexpedition gehen - Wüste, Sand und Steine, genau mein Ding! Ich freue mich schon auf den ausführlichen Bericht.
Gruß,
Rainer
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Hallo Andi,
danke für den interessanten Reisebericht. Und Glückwunsch zu den Funden! :super:
Stefan