Autor Thema: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa  (Gelesen 7130 mal)

Offline Neutron

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Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« am: Juni 17, 2015, 20:35:49 Nachmittag »
Hallo Zusammen,

wenn man im Netz nach Häufigkeit von Meteoriten sucht stolpert man öfters darüber über die Behauptung, dass die Häufigkeit von Meteoriten in Deutschland/Europa höher ist als bisher allgemein vermutet. Manche Stellen gehen sogar von einem Meteorit im 100 Gramm Bereich pro Hektar aus.

Kennt jemand eine Literaurangabe (Fachbuch, wissenschaftl. Artikel etc.) in dem verlässliche Zahlen genannt werden?
 
Grüße Neutron

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Offline ironsforever

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #1 am: Juni 17, 2015, 23:30:21 Nachmittag »
Hallo Neutron,

jep: http://www.lpi.usra.edu/meteor/metbull.php. "Germany" in die Suchmaske bei "search limits" einfügen. Da werden verlässliche Zahlen genannt. Alles andere ist Schnickschnack.

Gruß,
Andi

Online lithoraptor

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #2 am: Juni 17, 2015, 23:57:35 Nachmittag »
Moin!

Manche Stellen gehen sogar von einem Meteorit im 100 Gramm Bereich pro Hektar aus.

Mich würde interessieren, aus welcher Quelle diese Aussage stammt - schon allein der Quellenkritik wegen. Über welchen Zeitrahmen soll denn diese theoretische 100 Gramm/ha Akkumulation stattgefunden haben? Diese Frage muss man sich ja auch stellen, denn über wenige Jahre kann das ja nicht sein, da diese Häufigkeitsannahme dann ja alle Funddichten in den heißen Wüsten, die bisher Material geliefert haben, sprengen würde.

Gruß

Ingo

Offline herbraab

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #3 am: Juni 18, 2015, 09:34:33 Vormittag »
Kennt jemand eine Literaurangabe (Fachbuch, wissenschaftl. Artikel etc.) in dem verlässliche Zahlen genannt werden?

Halliday et al.: "The flux of meteorites on Earth's surface", in: Meteoritics, Vol. 24, pp. 173-178 (9/1989). (Hier online verfügbar)

Demnach fallen 58 Meteorite mit einer Masse von 100g oder mehr pro Jahr auf einer Fläche von 1 Million Quadratkilometer, das sind 0,00000058 Meteoriten pro Hektar und Jahr. Anders ausgedrückt fällt auf eine Fläche von einem Hektar statistisch gesehen alle 1,7 Millionen Jahre ein Meteorit von mindestens 100g Masse. Größere Meteorite sind entsprechend seltener: Einen Meteorit mit 1kg Masse fällt auf einen Hektar statistisch gesehen nur alle 11 Millionen Jahre, von 10kg Masse alle 130 Millionen Jahre, und von 100kg gar nur etwa alle 500 Millionen Jahre.

:hut:
Herbert
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Offline Dirk

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #4 am: Juni 21, 2015, 00:24:20 Vormittag »
Auch hier gibts es Angaben über Fallhäufigkeiten:

Schulz, Ludolf (1997). Planetologie, Eine Einführung.

Der Autor schreibt auf Seite 94: "So erwartet man, daß jährlich etwa zwischen 10 und 100 Meteorite mit einer minimalen Masse von 1kg auf eine Fläche von 10 Millionen km² fallen. Dies entspricht etwa der Fläche von Frankreich, der Schweiz, Österreich und Deutschland zusammen. Hier sind in den letzten 100 Jahren aber nur 35 Fälle beobachtet worden, was einer wesentlich geringeren Fallrate entspricht. Offensichtlich wird nur ein Bruchteil der auf die Erde fallenden Meteorite auch direkt beobachtet und anschließend gefunden."

 :user:  :winke:
Dirk


Offline Thin Section

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #5 am: Juni 21, 2015, 12:49:47 Nachmittag »
Nininger schätzte einmal, dass 500 Meteorite zwischen 100 gr und 10 kg jedes Jahr auf festen Boden (also nicht ins Meer oder in Seen) fallen. Auf die gesamte Erde bezogen wären das etwa 2000. Neuere Daten (Quelle: Canada's Meteor Observation and Recovery Project) gehen von 23.930 Meteoriten pro Jahr als weltweite Fallrate aus.

Bernd  :winke:
(247553) Berndpauli = 2002 RV234

Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Offline Neutron

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #6 am: Juni 22, 2015, 22:43:39 Nachmittag »
Erstmal besten Dank für eure Antworten!

@ironsforever: Ich habe das mal eingegeben - aber so wie ich das sehe - bzw. wenn ich die Suche richtig angewendet habe - werden nur die Gefundenden genannt. Mich interessiert aber die Wahrscheinlichkeit bzw. Verteilung/Fläche. 

@herbraab: Besten Dank für den link zu dem paper! Das paper fand ich zwar etwas alt (1989) weil ja auch in den letzten Jahren viel an Daten durch die Antarktis und Wüstenexpeditionen dazu kamen aber dank Herbert weiß ich nun dass man das "flux" nennt!!  DAs war das Stichwort das ich brauchte bzw. nicht wusste!! :super:

@Dirk: Das ist in der Tat sehr wenig .... und deswegen habe ich mich mal auf die Suche nach Daten gemacht, die auch Objekte < 100g beinhalten weil diese sicherlich häufiger vorkommen.

Das beste und neueste paper das ich nun hierzu gefunden habe war:


Zolensky et al 2006 Flux of Extraterrestrial Materials

http://www.lpi.usra.edu/books/MESSII/9021.pdf

dort geht man von 42 000 Meteoiten > 10g/ Jahr weltweit aus, die auf der Erde ankommen. Das dekt sich mit den Zahlen von Thin Section ... naja in etwa zumindest.  :smile:

Als durchschnittliche "Überlebensdauer" aufgrund von Witterung wird eine Zahl von 10^4 - 10^5 Jahren genannt.

Und wenn man das dann mal hochrechnet:

42 000 (Anzahl) x 10 000 Jahre (bis verwittert) = 4,2 x 10^8 Meteoriten weltweit.

Wenn man dann noch den Faktor Verhältnis Wasser/Landfläche mit einbezieht (0,293) kommt man auf 1,23 x 10^8 Meteoriten auf dem Land

und bezogen nur auf Landmasse (1,49 x10^8 km2) wären das dann circa. 0,82 Meteoriten/km2  --> Wenn ich mich nicht verrechnet habe......  :user:

Was meint Ihr.....Könnte das hinkommen oder habe ich einen Denkfehler in der Rechnung?   






Grüße Neutron

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Offline Buchit

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #7 am: Juni 23, 2015, 09:49:25 Vormittag »
Hallo Neutron,

mir fallen hier zwei "Denkfehler" auf - wenn man sie denn so nennen will. (Mathematisch ist das Ergebnis wohl korrekt.)

Punkt Eins: Du operierst mit mehreren unvollständig begründeten Annahmen, wie etwa der durchschnittlichen Verwitterungsdauer. Gerade die dürfte jedoch durch die Größe und mineralogisch-petrologische Natur der Stücke sowie die in Betracht zu ziehenden, unterschiedlich großen Klimazonen der Erde stark beeinflusst werden. Hier einfach eine Konstante einzusetzen (auch wenn es der ungünstigere Wert aus der Literatur ist) - das erscheint gewagt.

Punkt Zwei: Selbst wenn man die Annahmen gelten lässt - etwa unter der Prämisse "Ich will nur einen Durchschnittswert errechnen, wobei mir völlig klar ist, dass der rein hypothetisch ist" - dann stellt sich immer noch die Frage: Wozu das Ganze? Selbst wenn diese Zahlen exakt stimmen sollten - was erreicht man damit? (Wenn hier das Ziel sein sollte, eine erhöhte Fundchance für den einzelnen Sammler zu begründen, wenn er bei uns durch Wald und Flur streift: Damit würde man sich in die Tasche lügen. Denn für diesen Zweck müssen nach wie vor die tatsächlichen Fundzahlen als Basis herhalten (worauf Andi schon hingewiesen hat); und da sieht das Ganze schon viel bescheidener aus. Seit Generationen ziehen Leute mit geologischer Ausbildung durch Deutschland - und trotzdem kam nicht viel zutage, was nicht direkt mit einem Fall assoziiert werden konnte.)

Gruß,
Holger

Offline herbraab

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #8 am: Juni 23, 2015, 16:01:50 Nachmittag »
@herbraab: Besten Dank für den link zu dem paper! Das paper fand ich zwar etwas alt (1989) weil ja auch in den letzten Jahren viel an Daten durch die Antarktis und Wüstenexpeditionen dazu kamen aber dank Herbert weiß ich nun dass man das "flux" nennt!!  DAs war das Stichwort das ich brauchte bzw. nicht wusste!! :super:

Sehr viele neue Daten sind nicht dazu gekommen, denn für eine Abschätzung der aktuellen Fallrate sind die Funde in den Wüsten und in der Antarktis nur bedingt geeignet. Die Fallraten in dem von mir genannten Paper wurden aus Feuerkugel-Beobachtungen errechnet: Sie erfassen damit, was tatsächlich runterfällt (ob es am Ende geborgen wurde oder nicht) und keine alten Funde (mit oft großer Unsicherheit im terrestrischen Alter).

dort geht man von 42 000 Meteoiten > 10g/ Jahr weltweit aus, die auf der Erde ankommen.
[...]
Als durchschnittliche "Überlebensdauer" aufgrund von Witterung wird eine Zahl von 10^4 - 10^5 Jahren genannt.

Die großem Zahlen, die hier genannt werden, sind in der niedrig angesetzten Grenze für die Masse (10g) begründet. Kleine Meteorite sind natürlich sehr viel häufiger als größere (siehe die von mir oben zitierten Zahlen für 100g, 1kg und 100kg). Einen 10g Meteoriten in einem bekannten Streufeld zu finden ist schwierig genug, aber einen 10g schweren "Einzelgänger" zu finden, der 10^4 oder 10^5 Jahren im feuchten europäischen Boden verbracht hat, ist wohl ein Ding der Unmöglichkeit...

Bezüglich Auffinden alter Fälle in nicht-aridem Klima möchte nur die Anstrengungen in Erinnerung rufen, die notwendig sind/waren, um in neuerer Zeit beispielsweise Meteorite aus den Streufeldern von Pultusk oder Kainsaz zu bergen. So weit ich weiß, wurden dort aber auch kaum (keine?) Meteoriten mit ~10g Masse gefunden, obwohl diese eigentlich häufiger sein müssten als größere Stücke. Wer sich in Europa auf die Suche nach alten Fälle machen möchte, möge diese oder ähnliche bekannte Streufelder als Trainingsgelände nutzen.

Wem die Anreise dorthin zu mühsam ist, der kann zu Trainingszwecken auch einen 10g schweren, verwitterten NWA-Chondriten kaufen und von einer anderen Person auf einer vorher definierten, 1,2km² großen Fläche (ca. 200 Fußballfelder - macht 0,83 Meteorite pro km²) auf mittels Zufallsgenerator ermittelten Koordinaten ablegen (oder noch besser: vergraben) lassen. Wie viel Zeit wird man investieren müssen, um das Stück zu finden?

:hut:
Herbert
« Letzte Änderung: Juni 23, 2015, 16:51:18 Nachmittag von herbraab »
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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #9 am: Juni 24, 2015, 15:44:05 Nachmittag »
Moin Neutron!

Ich würde noch immer gerne wissen aus welcher Quelle die eingangs genannten Zahlen stammen.

Zum Rest: Die Frage nach Fundhäufigkeiten wird hier sehr häufig gestellt - besonders von Neulingen. Es muss ja zwangsläufig mehr da draußen liegen, als gefunden wird und dem ist 100%ig so. ABER: Es gibt einen signifikanten Unterschied zwischen dem "was theoretisch irgendwo fällt oder fallen müsste" und dem was gefunden wird bzw. wurde. Ich habe dazu vor einer Weile mal einen Text mit Selbstversuchen geschrieben, den ich hier in Anlehung an die Aussage von Herbert nur zu gern verlinke:
http://www.jgr-apolda.eu/index.php?topic=10332.msg127023#msg127023

Bevor das hier jetzt wieder falsch verstanden wird: Jeder hier im Forum würde gerne mal einen Meteoriten in Deutschland oder Europa finden. Die Chancen dafür, dies tatsächlich bei einer völlig willkürlichen Suche vor der Haustür zu schaffen, sind vernichtend gering. Man würde eher die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen finden (denn mit Magnet und Metalldetektor ist man da "schnell" durch). Dennoch kannst Du versichert sein, dass hier jedes Forenmitglied sich zigmal nach "auffälligen" Steinen am Wegesrand gebückt hat. Wie groß bzw. ungebrochen der Enthusiasmus der (foralen) Gemeinde dennoch ist (und das weit über unser Heimatland hinaus) zeigt sich immer wieder, wenn es darum geht, dass die zur Verfügung stehenden Daten tatsächlich einen Fall vermuten lassen - siehe den Geislingen Thread hier: http://www.jgr-apolda.eu/index.php?topic=6072.0

Gruß

Ingo

Offline Neutron

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #10 am: Juni 24, 2015, 23:55:01 Nachmittag »
Der Grund für mein posting hier war dass ich beim Lesen über Meteorite im Internetz eben über grob zwei Aussagen gestolpert bin was die Häufigkeit der Steinchen auf der Erde betrifft. Die eine Aussage eben "sehr unwahrscheinlich gleich einem Lottogewinn" und zum anderen eben dass es "sehr viel mehr Meteoriten gibt als bislang vermutet". Und mich hat eben verwundert, dass die Meinungen derart auseinander gehen .....

Diese Angaben zur höhren Wahrscheinlichkeit konnte man auf sowohl auf verschiedenen englischsprachigen als auch als auch auf deutschen Webseiten lesen und ich schätze die meisten dieser Seiten (nicht alle) eigentlich als relativ verlässlich ein. (Bei google einfach mal Schlagworte eingeben wie "meteorit entdeckung deutschem boden" da werden z.B. in den ersten (1-5) Treffern zwei pages gelistet die meiner Meinung nach eine "Pro Wahrscheinlichkeit" vertreten, dort ist auch die Angabe pro Hektar zu finden) 

Nun nach all dem Lesen hier im Forum (und auch weiter im Netz) denke ich, dass auf der einen Seite mit der hohen Fallwahrscheinlichkeite (ob nun 20 000 oder 40 000 das sei mal dahingestellt) was dran sein muss ansonsten würde man das ja wohl nicht publizieren. Und somit diese Zahlen Ihre Berechtigungen haben. Auf der anderen Seite - das ist durch die Beiträge hier im Forum/Datenbankeinträge etc. deutlich geworden - man aber kaum Meteoriten findet. Also schätze ich mal (salomonisch gesprochen  :smile: ), dass die Realität wahrscheinlich irgendwo in der Mitte zu finden ist vielleicht fallen mehr als gedacht aber man kann sie nur sehr schwer finden. 

Klar ist, dass wir in Europa und vor allem in Deutschland in einer sehr Meteoriten-ungünstigen Umgebung (Flora/Landwirtschaft/Städte etc.) und Klima leben was das Ganze deutlichst erschwert und vermutlich ein Hauptgrund für mangelndes finden ist.

Nur so mal interessehalber und mal abgesehen davon dass das von Meteorit zu Meteorit unterschiedlich ist - bis zu welchem Verwitterungsgrad (W0-W6) kann man einen Meteoriten in etwa optisch (ohne physikalisch/chemische/petrographische Analyse) noch als solchen erkennen?

Und - wieviele Jahre (circa) schätzt Ihr dauert es bis dieser Verwitterungsgrad z.B. in Deutschland erreicht ist?

Und - ich habe hier im Forum gelesen, dass der Nickeltest unzuverlässig sei, was mich sehr wundert, denn alle Tests zum Nachweis von Nickel (mir ist kein anderer bekannt) basieren auf Dimethylglyoxim. Das ist die Standardmethode in der Chemie weil eben zuverlässig. Woher kommt diese Unzuverlässigkeit des Nachweises - ist darüber in punto Meteoriten was bekannt?


PS. was vielleicht auch mal gesagt werden sollte - ich bin nicht erpicht darauf mir/der Welt oder wen auch immer zu beweisen, dass mehr Meteoriten auf der Erde sind als angenommen - ich finde das Thema einfach nur spannend und es interessiert mich mehr darüber zu erfahren...und scheinbar bin ich hier bei euch an der richtigen Adresse denn man bekommt hier (auch durch die anderen threads) sehr viel input!  :super:

PS2. Egal wie die Meinungen/Realitäten/Wahrscheinlichkeiten sind - ich werde trotzdem weiterhin jeden dunklen Stein aufheben, der mir komisch vorkommt   :einaugeblinzel:
Grüße Neutron

(the absence of evidence is not the evidence of absence)

Offline Buchit

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #11 am: Juni 25, 2015, 07:33:10 Vormittag »
Egal wie die Meinungen/Realitäten/Wahrscheinlichkeiten sind - ich werde trotzdem weiterhin jeden dunklen Stein aufheben, der mir komisch vorkommt   :einaugeblinzel:
Da bist Du nicht der Einzige hier - aber pass' bloß auf, dass Du nicht aus Versehen mal im Vogelsberg Urlaub machst :einaugeblinzel: (ich sehe sonst schon die Schlagzeilen vor mir: "Unbekannte tragen den Vogelsberg ab!" :laughing: Der Harz könnte auch gefährdet sein...)

Was die Zuverlässigkeit des Nickeltests mit Diacetyldioxim angeht - der ist zuverlässig im Rahmen eines anorganischen Trennungsgangs, d.h., wenn störende Kationen diverser anderer Metalle entfernt oder maskiert wurden. Darüber hinaus wissen viele Leute nicht, dass das positive Zeichen für die Anwesenheit von Nickel bei diesem Test die Bildung eines roten Niederschlags ist; aber dass eine bloße Rotfärbung nicht ausreicht (die kann nämlich schon durch Eisen erzeugt werden... :platt:). Außerdem gibt es genügend Stahllegierungen anthropogenen Ursprungs (und damit auch Schlacken oder Metallabfälle - gerne als Meteoriten mißgedeutet), die ebenfalls Nickel enthalten; selbst wenn der Test bei einer Probe also unzweifelhaft positiv ausfällt, heißt das noch nichts, außer dass eben Nickel darin ist.

Und was die Veröffentlichungen zur Flux-Rate angeht: Nur weil etwas veröffentlicht wird (auch in wissenschaftlichen Journalen), muss es noch lange nichts heißen. Gerade auf diesem Gebiet ist ein gewisser spekulativer Charakter mancher Veröffentlichungen ziemlich offensichtlich. Motto: "Wozu wurde die Statistik erfunden, wenn wir sie nicht mißbrauchen?" :laughing: Das heißt - einen Zweck erfüllen diese Publikationen immer: Sie verlängern die Publikationsliste der Autoren... :fluester:

Gruß,
Holger

Offline Katharer2014

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #12 am: Juni 25, 2015, 12:12:59 Nachmittag »
Ich war ja einer von den Betroffenen, die dachten, man könne mal eben im Urlaub ein paar -zig Meteoriten sammeln...
War auch einer von den ganz doll Uneinsichtigen.  :streit:
Inzwischen sehr viel gelesen und (auch hier) erfahren.
So habe ich mich gewundert, wie es dazu kommen konnte, dass ich so beratungsresistent war?  :bid:

Es wird einem nicht fachkundigen Steinefan tatsächlich immer mal wieder suggeriert, es wäre so einfach. Z.B. durch die Zahlen, die Neutron da nennt - und die ja tatsächlich immer wieder kursieren...
Da ist von mehreren Tonnen täglich die Rede! ...nunja, dass das den MeteoritenSTAUB einschließt, wird dann im Kleingedruckten erwähnt.
Wenn man dann die sehr häufigen Pressemeldungen sieht, wo wieder ein Bolide, Feuerball, sonstwas runtergedonnert ist, die dann auch ordentlich aufgebauscht werden...
Könnte man denken, beim Spaziergang ist doch wohl ein Helm sicherer.
Das ist also das Erste:
ein völlig schiefes Bild durch Sensationsmedien (Facebook, Youtube vorweg...)

Dann lernt man dazu (am besten hier :einaugeblinzel:) und stellt fest:
es gibt einige nicht wenige bewiesenermaßen echte Funde, die völlig untypische Merkmale oder gar keine Merkmale haben!

Unterm Strich denke ich manchmal dass mehrere ganz typische Erkennungsmerkmale einen Fund eher noch unwahrscheinlicher erscheinen lassen....
Wenn dann der Faktor Verwitterung dazu kommt, muss man schon tatsächlich einen frischen Fall präzise durchkalkulieren um mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit rechnen zu können...
Oder eben ein bereits völlig zerwühltes bekanntes Streufeld mit einem Bagger bearbeiten  :platt:

Die Aussage, dass Meteoriten sehr deutlich seltener sind als Diamanten, ist da schon enttäuschend.

Und: trotzdem gehöre ich auch weiterhin zu denen, die jedes verdächtige Steinchen in die Hand nehmen... wenn auch der unscheinbare graue Klumpen daneben vielleicht ein Stück Mond ist...
"Es ist einfacher ein Atom zu zertrümmern als ein Vorurteil" ... Albert Einstein

Offline Haschr Aswad

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #13 am: Juni 25, 2015, 19:31:45 Nachmittag »
Danke Ingo für den Hinweis auf diesen thread, habe es in der letzten Zeit leider nur selten geschafft, hier vorbeizuschauen.
Dank auch an den Fragesteller, der zu Recht über die genannte Zahl gestolpert ist.

Ja, die infragestehende Zahl steht auf meiner Website - und sie ist sicher falsch und zwar mindestens um den Faktor 100 zu hoch.

Habe das einmal kurz für die Dar al Gani DCA durchgerechtet, basierend auf den Zahlen aus diesen beiden papers:

Exposure history and terrestrial ages of ordinary chondrites
from the Dar al Gani region, Libya
K. C. WELTEN et al.

The Dar al Gani meteorite field (Libyan Sahara): Geological setting, pairing of meteorites, and recovery density
Schlüter, J.; Schultz, et al.

Mit einem maximalen terrestrischen Alter von 35kyr (Ausnahme DaG 343 mit terrestrial age 150 ± 40 kyr nicht berücksichtigt) und einem TKW von 687 kg bei 869 Einzelmassen, sowie einer Gesamtfläche von ~8,000 km2 komme ich unter den idealen Aggregationsbedingungen des Dar al Ghani auf maximal ~0,8 g / Hektar - für 35kyr wohlgemerkt, ein irdisches Alter das hierzulande sicher kaum ein Chondrit erreichen wird.

Schlüter selber nennt für das DAG die Zahl 1 Meteorit je 6,5 km2. Bei einem durchschnittlichen Gewicht von 790g je Masse auf 650 ha wären das ebenfalls ~0,8g/ Hektar.

Selbstverständlich dürfte die Zahl für Flächen mit heimischen Bedingungen noch einmal erheblich niedriger sein.

Noch einmal danke für den Hinweis, die Passage wird bei der nächsten Überarbeitung gestrichen.

Beste Grüße
Haschr

Online lithoraptor

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Re: Häufigkeit Meteoriten Deutschland/Europa
« Antwort #14 am: Juni 25, 2015, 23:21:21 Nachmittag »
Moin!

Nach dem kurzen Email-Kontakt mit Haschr zur Klärung heute habe ich in den klassischen deutschsprachigen Werken der letzen Jahrzehnte auch mal nach Zahlenwerten gesucht. Ich bin hier und dort auch fündig geworden:
JOCHEN SCHLÜTER  schreibt in "Steine des Himmels" (1996) S. 84: "Wissenschaftliche Forschungen haben ergeben, daß statistisch gesehen innerhalb von 1000 Jahren mindestens ein mehr als 10 Gramm schwerer Meteorit auf eine Fläche von einem Quadratkilometer fällt."

ROLF W. BÜHLER zitiert in "Meteorite Urmaterie aus dem interplanetaren raum" (1992) u.a. aus Arbeiten wie:
- HALLIDAY, I., BLACKWELL, A. T., and GRIFFIN, A. a. (1978): The Innisfree Meteorite and the Canadian Camera Network. J. Roy. astron. Soc. Canada 72: 15-39.
und
HUGHES, D. W. (1981): Meteorite Falls and Finds: Some Statistics. Meteoritics 16: 269-281
wonach die Kanadier von 38 Körpern mit einem Fundgewicht von über 100 Gramm pro 1 Mio. Quadratkilometern und Jahr und andere (etwa HUGHES) von 60 oder sogar 90 Meteoriten bei gleicher Zeit- und Flächeneinheit ausgehen würden. BÜHLER weist aber zugleich daraufhin, dass es eine deutliche Diskrepanz zwischen diesen theoretischen Werten und den tatsächlich Fundzahlen gibt. So bemerkt er: "Offenbar spielen topographische, regionalgeologische und meteorologische Gegebenheiten eine wesentlich größere Rolle." Er kommt zu dem Schluss, dass Meteoritenfunde im europäischen Raum als "Riesenzufälle zu werten" sind. (Insgesamt kann ich jedem Anfänger in Sachen Meteoriten nur raten sich einen Bühler zuzulegen auch wenn seine Zeilen über Meteoritenfunde ab Seite 48 sicher etwas desillusionierend sein werden.)

Gruß

Ingo

P.S. @ Andreas: Schwamm drüber! Ich wollte hier auch nicht das Kamel spielen, welches irgendwelches gewachsenes Gras wieder abfrisst - nur etwas verdeutlichen. Letztlich ziehen wir Forumler doch ALLE an einem Strang und so muss das auch sein. :prostbier:

 

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