Ja jehnu, ich hatt halt die Befürchtung, daß wenn Außenstehende diesen Thread lesen,
wähnen müßten, daß wir hier eine Ansammlung von banausischen Volldimpfln seien,
wenn wir angesichts dieser unglaublichen Katastrophe einer handvoll eh schon brandfarbener Steine nachweinen...
Meteoritenkultur d'accord - nur erfüllt die ehem. Angra-dos-Reis-Walnuß die Tragik eigentlich kaum.
Angra dos Reis ist zigmal bearbeitet, analysiert und ausgemessen worden. Alles weithin veröffentlicht und somit erhalten.
Ja selbst das 66g-Stückerl selber ist von allen Seiten photographiert und gefilmt.
Und Angra dos Reis ist ja nicht für immer verloren, kratzt man allein die Stücke und Proben in den Sammlungen der Welt zusammen, die der Bulletin listet kriegt man schon noch soviel zusammen - wo das Gros der 1,5kg hingekommen, da müßte man die diversen Jahrbücher wälzen bzw. hoffen, obs noch Vor-Tschermaksche Aufzeichnungen gibt.
Auch denk ich, daß Angra dos Reis keine kleinstteilige inhomogene Brekzie ist, sodaß man aus dem verlorenen Stück etwas wesentlich anderes herauslesen könnte als aus den noch erhaltenen.
Für die Wissenschaft war das 66g-Spezimen sowieso Totholz;
denn es glaube keiner ernsthaft daran, daß Zucolotto und nachfolgende Generationen je erlauben werden würden, auch nur noch ein einzelnes Molekül von dem Steinchen abzuzwicken.
Nutzstück war es nicht,
Zierstück sowieso nicht - es war ja nie ausgestellt, macht ja auch nix her, - so ein Popel neben der Bendego-Unmasse.
Kein Brasilianer, sofern er den kulturellen Drang danach verspürte, konnte es beäugen.
Wie steht es um den national-kulturellen ideengeschichtlichen Wert? Brasilien ist kein Land mit Meteoritentradition, alle Erstberichte -analysen und -veröffentlichungen zu Angra dos Reis wurden in Europa hergeforscht und besorgt,
und alle wesentlichen und maßgeblichen modernen Untersuchungen an Angra dos Reis, die vor allem in den 70ern/80ern nach der Auffindung von d'Orbigny wieder einsetzen, wurden ebenfalls samt und sonders im Ausland erbracht, weils Brasilien zu der Zeit eben an know-how und Ausstattung gefehlt hat.
Und all das geschah natürlich nicht an dem 66g-Stück.
So möcht ich sagen, daß die Angra-Stücke in Wien, Albuqerqe oder London in der Hinsicht eigentlich den größern wissenschaftsgeschichtlichen Kulturwert haben, nur eben einen national-englischen, -amerikanischen oder k.&k.-seligen, gell?
Und wie schauts aus um den wissenschaftlichen Wert, also wenns darum geht, den Mutterkörper der Angriten zu erschließen und die Entstehung des Sonnensystems?
Nu, doch auch nicht so finster, haben wir doch neben den gesicherten Reststücken von Angra dos Reis noch:
- den 16.5kg-Brummer d'Orbigny
- unter etlichen Nummern 11kg gemischte aus der Sahara
- und 3 verschiedene aus der Antarktis 0,067kg.
Ja schad is scho, größte noch zusammenhängende Bröckerl des Klassenprimus,
aber letztlich eh weggepackt im Schachterl -eher ein Nice-to-have als ein identitätsstiftendes Kulturgut.
Wie vielmehr direkt schlecht wird einem, wenn man an die Dokumentation der Indigenen denkt. Völker, die nicht in Stein gebaut, keine Siedlungsspuren hinterlassen und die keine Schriftkultur hatten, da kann man archäologisch nix mehr erneut finden.
Keine Backup-Kopien und das meiste davon nicht in anderen Arbeiten anderwärtig veröffentlicht. Sprache, Kulturschatz, Gebrauchs- und Ritualgegenstände - alles weg, für immer.
Zum zweiten Mal ausgestorben und aus dem Gedächtnis der Welt einfach getilgt, als hätten sie nie gelebt.
(Mei und brasilianischer Kaisersaal, nicht falsch verstehen, aber Repräsentationsprotz aus Empire und Historismuskitsch steht auf Erden noch jede Menge rum, dito ist Barock in Südamerika an Kolonialem eh bedeutender und schöner).
Was kümmern einen da die paar Gäste aus dem All.
Der Bendego, wenn der wirklich durch die Brandhitze bis ins Herz rekristallisiert ist - es gibt noch etlich Kilo unbeschädigt in anderen Sammlungen. Und sollte sich die Form verändert haben, dann erarbeitet man aus den erhaltenen Aufnahmen ein Modell im Computer, schmeißt später den fetten 3D-Drucker an und baut sich Plaste-Hohl-Modell - und läßt die Brandleiche daneben a la Monument Gedächtniskirche zur Mahnung stehen.
So bitter der Verlust ist, der Hörb hat ja eine Inventarliste verlinkt,
die Meteoritensammlung in Rio war nicht von erstem Rang und der absehbare Schaden geht himmelweit über sie hinaus.