Gestern war ein interessanter Tag für mich. Ich hatte ein paar spannende, kleinere Proben eines Kohligen Chondriten hier im Forum angeboten, wurde mit urplötzlich mit unhaltbaren rechtlichen Schritten bedroht (Jessus Gott!), hatte im Anschluss alles – so denke ich – argumentativ klargestellt, offengelegt, meinen Interessenten sogar angeboten die reservierten Stücke nicht auszuliefern und dann aus eigenem Antrieb die Angebote plus Schriftwechsel hier im Forum löschen lassen. Mein Angebot zur weitergehenden bilateralen Diskussion mit dem Ankläger (mannnomannnomannn!) hat er natürlich nicht angenommen. Flasche leer…

Ich möchte aber hier ein paar Informationen beisteuern, die die hier Mitlesenden zum Nachdenken anregen sollen.

Gestern unter anderem genanntes Beispiel: NWA 7325
Auszug aus dem Met Bulletin-Eintrag:
History: Purchased by Stefan Ralew in April 2012 from a dealer in Erfoud, Morocco. The material was found reportedly in southern Morocco in early 2012.
Klare Aussage, SR hat alles gekauft, was damals im April 2012 verfügbar war. Dann sind die Marocs wieder auf Suche gegangen und haben weitere Stücke gefunden, die in die Verteilung geraten sind. SR hat „seine Nummer“ wie ein Löwe verteidigt (…) und andere Nummern sind generiert worden, obwohl es der exakt gleiche Met ist. Der Meteorit ist grossartig, einzigartig, aber die vielen Pairing Nummern sind für die Wissenschaft unnötig und – ehrlich gesagt – eine Kacke.

Gestern unter anderem genanntes Beispiel: Qued Mya 002
Auszug aus dem Met Bulletin-Eintrag:
History: Several pieces of the meteorite (totaling 127.4 g) were found November 2, 2020, in the area of Hassi Messaoud (In Salah, Algeria) and purchased from a dealer in Mauritania.
Oha! Da steht etwas Wichtiges drin, das ich erst beim zweiten Mal Durchlesen bemerkt habe. QM002 wurde in Algerien gefunden, ja, das hab ich auch auf meinem Sammlungskärtli draufstehen. Aber gekauft wurde es von einem Händler aus Mauretanien, wohl von einem lokalen Sucher (und der hatte wohl nur 127.4g gefunden), die der Finder an den mauretanischen Händler verkauft hat und der mauretanische Händler hat als Zwischenhändler das Zeug an einen feinen Herrn aus dem Hochpreissegment verkauft. Mein in Algerien aktiver Marokkaner hatte mir 50g, respektive 100g und sogar 250g vom gleichen Fundplatz angeboten, sogar mit Ortsbeschreibung und Bildern der Fundregion. Ein Algerier bot mir weitere 100g an. Dort vor Ort in Algerien wurde also definitiv nicht nur von mehreren Personen gesucht und gefunden, sondern das Fundmaterial lief auch über mehrere Verteilerkanäle. Meine 50g sind also genauso wie die 127.4g Originalmaterial. Insgesamt sind es ca. 2 kg, alles Originalmaterial, weil alles am +/-gleichen Fundplatz aufgesammelt. Aber nicht von einer, sondern von mehreren Personen. Sogar die Koordinaten des Fundplatzes sind im Met Bulletin nachlesbar!
Ich habe viel Kontakt zur ETH und dort werden viele Kleinproben für Edelgasuntersuchungen aufbereitet. Das ist sehr arbeits- und kostenintensiv. Pairings zu generieren, weil dadurch der Verkauf gefördert wird (klare Sache, dann gibt es mehrere Nummern, die an die gleiche Kundschaft verkauft werden kann) ist wissenschaftliche – nochmals ehrlich gesagt – Kacke. Pairings bringen keinen wissenschaftlichen Mehrwert, sie sorgen aber für Verwirrung und sind nicht zielführend, weil, wenn von verschiedenen Klassifikatören gemessen, sogar abweichende Resultate entstehen können.
Zwei Fundbeispiele und ein Fallbeispiel wo es diesen Schwachsinn mit neuen Nummern oder Pairings nicht gibt:
SaU 001, L4/5, also ein gewöhnlicher OC, den sowieso niemand mehr möchte, weil er vor ca. siebentausend Jahren im falschen Land gefallen ist.
Dho 700, ein seltener Diogenit, der einzigartig aussieht, so dass es ihn mit dieser inneren Struktur auch nur einmal gibt und er nicht mit anderen Diogeniten verwechselt werden kann.
Ich selber habe in beiden Streufeldern nachgesucht als es noch nicht explizit verboten war, dort im Oman Meteoriten zu suchen und undeklariert ausser Landes zu bringen. Ich selber und viele andere Sucher haben im SaU 001 Streufeld (offizielles Gesamtgewicht 450 kg (408kg) gemäss Met Bulletin) nachgesucht und kiloweise dort gefunden. Das inoffizielle Gesamtgewicht dürfte weit höher liegen als im Met Bulletin angegeben. Keines, aber auch kein einziges Stück davon wird als „probably paired“ to SaU 001 oder „paired“ to SaU 001 angesprochen. Verstanden? Macht es Klick im Kopf?
Zweites Beispiel: Ich habe Kenntnis von insgesamt drei Stücken Dho 700, die zusätzlich zu den im Met Bulletin publizierten 12 Fundstücken mit einem Gesamtgewicht von 2770 g, bei Nachsuchen gefunden wurden. Eines davon habe ich selber zusammen mit meinem Tourpartner gefunden. Keines der drei zusätzlichen Fundstücke wird als „probably paired“ to Dho 700 oder „paired“ to Dho 700 angesprochen, weil es vom exakt gleichen Fundplatz stammt und nicht verwechselbar mit anderen Diogeniten ist. Es wurde von den Erstsuchern dort einfach im Sandboden übersehen und später bei der Nachsuche gefunden. Macht es wieder Klick im Kopf?
Drittes Beispiel, diesmal ein Fall: Sikhote-Alin, IIAB-Eisen. Das im Met Bulletin publizierte Gesamtgewicht beträgt 23 Tonnen. Diese 23 Tonnen wurden während der russischen Expeditionen zwischen 1947 und anfangs der 50er Jahre gesammelt. Seit anfangs der 90er Jahre gab es im Fallgebiet wieder Suchaktivitäten die Ihren Höhepunkt aber wohl um das Jahr 2000 erreicht hatten, weil die Fundausbeute und die Qualität der Fundstücke zunehmend schlechter wurden. Kein Museum, kein Sammler und erst recht nicht die internationalen Händler würden je auf den Gedanken kommen, an die überall aus Börsen oder sonst wo erhältlichen Nachfunde „probably paired“ to Sikhote-Alin oder „paired“ to Sikhote-Alin zu schreiben. Huch! Was für ein Blödsinn. Und schon wieder macht es Klick im Kopf, oder?
Die Liste der Beispiele könnte noch um viele weitere nummerierte und nicht-nummerierte „wichtige“ Meteoriten erweitert werden, bei denen es kein „probably paired“ to XYZ oder „paired“ toXYZ gibt.
Ein Pairing setzt klar voraus, dass erkannt ist, dass es das gleiche Material ist. Dann kann man ein Meteoritenstück einem anderen Meteoritenstück zuordnen. Bei NWA-Proben macht das Sinn, weil dort der Fundplatz meist nicht bekannt ist. Bei Meteoriten mit bekannten Fundplätzen, die sogar mit Koordinaten erfasst sind (Beispiel: Qued Mya 002) ist ein Pairing völliger Blödsinn, wenn doch alles Material am +/-gleichen Platz gefunden wird/wurde.
Mir ist gar nicht klar, wer ein „Pairing“ überhaupt aussprechen darf. Das müsste von der Wissenschaft, messtechnisch bestätigt, kommen und irgendwie im Met Bulletin für jedes „Pairing“ einen Eintrag geben. Huch! Das ist ja völlig unmöglich!
Ein „probably paired“ ist schon eher etwas für Sammler/Händler, die der Meinung sind, dass ein Pairing vorliegen könnte. Also, dass etwas gleich zu etwas anderem sein könnte. Visuell, aber nicht messtechnisch bestätigt.
Gleiches gilt für ein sogenanntes „self-pairing“. Neusammler Hinz und Kunz sagen: „das ist gleich, unsere Meinung gilt, zack“. Dort liegen auch nur ein sehr subjektives visuelles und kein messtechnisches Ergebnis vor.
Schwieriges Thema, ich weiss. Andere Meinungen?

Achso, eine spontane Idee in meinem Kopf ;-): jetzt im Juni kaufe ich drei zusammengehörige identische Meteoriten, irgendetwas neues und toll aussehendes bei irgendeinem Händler in Ensisheim. Dann lasse ich die Proben von drei verschiedenen Laboren klassifizieren, bekomme drei verschiedene NWA-Nummern, weil ja die Labs untereinander nicht vernetzt sind. Dann könnte ich als Händler dreimal die gleiche Kundschaft bedienen und dreimal abkassieren. Das wäre doch toll, oder? Spätestens bei den Edelgasanalysen käme dann aber zum Vorschein, dass alles gleiches, identisches Zeug ist. Ist es immer noch eine Super Idee? Oder etwa nicht? Die Wissenschaft hat an so etwas keine Freude und ich - ehrlich gesagt - auch nicht.
Frage: was denkt Ihr dazu? Insbesondere würde mich die Meinung unseres Hochpreishändlers, [...], interessieren. Diesmal aber bitte sachlich begründet und ohne vorschnelle Androhung rechtlicher Konsequenzen.
Freundliche Grüsse
Allende
