Autor Thema: Pairings und deren Sinn oder Unsinn  (Gelesen 2575 mal)

Allende

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Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« am: März 23, 2022, 12:18:07 Nachmittag »
Gestern war ein interessanter Tag für mich. Ich hatte ein paar spannende, kleinere Proben eines Kohligen Chondriten hier im Forum angeboten, wurde mit urplötzlich mit unhaltbaren rechtlichen Schritten bedroht (Jessus Gott!), hatte im Anschluss alles – so denke ich – argumentativ klargestellt, offengelegt, meinen Interessenten sogar angeboten die reservierten Stücke nicht auszuliefern und dann aus eigenem Antrieb die Angebote plus Schriftwechsel hier im Forum löschen lassen. Mein Angebot zur weitergehenden bilateralen Diskussion mit dem Ankläger (mannnomannnomannn!) hat er natürlich nicht angenommen. Flasche leer…  :platt:

Ich möchte aber hier ein paar Informationen beisteuern, die die hier Mitlesenden zum Nachdenken anregen sollen.  :gruebel:

Gestern unter anderem genanntes Beispiel: NWA 7325
Auszug aus dem Met Bulletin-Eintrag:
History: Purchased by Stefan Ralew in April 2012 from a dealer in Erfoud, Morocco. The material was found reportedly in southern Morocco in early 2012.

Klare Aussage, SR hat alles gekauft, was damals im April 2012 verfügbar war. Dann sind die Marocs wieder auf Suche gegangen und haben weitere Stücke gefunden, die in die Verteilung geraten sind. SR hat „seine Nummer“ wie ein Löwe verteidigt (…) und andere Nummern sind generiert worden, obwohl es der exakt gleiche Met ist. Der Meteorit ist grossartig, einzigartig, aber die vielen Pairing Nummern sind für die Wissenschaft unnötig und – ehrlich gesagt – eine Kacke.  :dizzy:

Gestern unter anderem genanntes Beispiel: Qued Mya 002
Auszug aus dem Met Bulletin-Eintrag:
History: Several pieces of the meteorite (totaling 127.4 g) were found November 2, 2020, in the area of Hassi Messaoud (In Salah, Algeria) and purchased from a dealer in Mauritania.

Oha! Da steht etwas Wichtiges drin, das ich erst beim zweiten Mal Durchlesen bemerkt habe. QM002 wurde in Algerien gefunden, ja, das hab ich auch auf meinem Sammlungskärtli draufstehen. Aber gekauft wurde es von einem Händler aus Mauretanien, wohl von einem lokalen Sucher (und der hatte wohl nur 127.4g gefunden), die der Finder an den mauretanischen Händler verkauft hat und der mauretanische Händler hat als Zwischenhändler das Zeug an einen feinen Herrn aus dem Hochpreissegment verkauft. Mein in Algerien aktiver Marokkaner hatte mir 50g, respektive 100g und sogar 250g vom gleichen Fundplatz angeboten, sogar mit Ortsbeschreibung und Bildern der Fundregion. Ein Algerier bot mir weitere 100g an. Dort vor Ort in Algerien wurde also definitiv nicht nur von mehreren Personen gesucht und gefunden, sondern das Fundmaterial lief auch über mehrere Verteilerkanäle. Meine 50g sind also genauso wie die 127.4g Originalmaterial. Insgesamt sind es ca. 2 kg, alles Originalmaterial, weil alles am +/-gleichen Fundplatz aufgesammelt. Aber nicht von einer, sondern von mehreren Personen. Sogar die Koordinaten des Fundplatzes sind im Met Bulletin nachlesbar!

Ich habe viel Kontakt zur ETH und dort werden viele Kleinproben für Edelgasuntersuchungen aufbereitet. Das ist sehr arbeits- und kostenintensiv. Pairings zu generieren, weil dadurch der Verkauf gefördert wird (klare Sache, dann gibt es mehrere Nummern, die an die gleiche Kundschaft verkauft werden kann) ist wissenschaftliche – nochmals ehrlich gesagt – Kacke. Pairings bringen keinen wissenschaftlichen Mehrwert, sie sorgen aber für Verwirrung und sind nicht zielführend, weil, wenn von verschiedenen Klassifikatören gemessen, sogar abweichende Resultate entstehen können.

Zwei Fundbeispiele und ein Fallbeispiel wo es diesen Schwachsinn mit neuen Nummern oder Pairings nicht gibt:

SaU 001, L4/5, also ein gewöhnlicher OC, den sowieso niemand mehr möchte, weil er vor ca. siebentausend Jahren im falschen Land gefallen ist.
Dho 700, ein seltener Diogenit, der einzigartig aussieht, so dass es ihn mit dieser inneren Struktur auch nur einmal gibt und er nicht mit anderen Diogeniten verwechselt werden kann.

Ich selber habe in beiden Streufeldern nachgesucht als es noch nicht explizit verboten war, dort im Oman Meteoriten zu suchen und undeklariert ausser Landes zu bringen. Ich selber und viele andere Sucher haben im SaU 001 Streufeld (offizielles Gesamtgewicht 450 kg (408kg) gemäss Met Bulletin) nachgesucht und kiloweise dort gefunden. Das inoffizielle Gesamtgewicht dürfte weit höher liegen als im Met Bulletin angegeben. Keines, aber auch kein einziges Stück davon wird als „probably paired“ to SaU 001 oder „paired“ to SaU 001 angesprochen. Verstanden? Macht es Klick im Kopf?

Zweites Beispiel: Ich habe Kenntnis von insgesamt drei Stücken Dho 700, die zusätzlich zu den im Met Bulletin publizierten 12 Fundstücken mit einem Gesamtgewicht von 2770 g, bei Nachsuchen gefunden wurden. Eines davon habe ich selber zusammen mit meinem Tourpartner gefunden. Keines der drei zusätzlichen Fundstücke wird als „probably paired“ to Dho 700 oder „paired“ to Dho 700 angesprochen, weil es vom exakt gleichen Fundplatz stammt und nicht verwechselbar mit anderen Diogeniten ist. Es wurde von den Erstsuchern dort einfach im Sandboden übersehen und später bei der Nachsuche gefunden. Macht es wieder Klick im Kopf?

Drittes Beispiel, diesmal ein Fall: Sikhote-Alin, IIAB-Eisen. Das im Met Bulletin publizierte Gesamtgewicht beträgt 23 Tonnen. Diese 23 Tonnen wurden während der russischen Expeditionen zwischen 1947 und anfangs der 50er Jahre gesammelt. Seit anfangs der 90er Jahre gab es im Fallgebiet wieder Suchaktivitäten die Ihren Höhepunkt aber wohl um das Jahr 2000 erreicht hatten, weil die Fundausbeute und die Qualität der Fundstücke zunehmend schlechter wurden. Kein Museum, kein Sammler und erst recht nicht die internationalen Händler würden je auf den Gedanken kommen, an die überall aus Börsen oder sonst wo erhältlichen Nachfunde „probably paired“ to Sikhote-Alin oder „paired“ to Sikhote-Alin zu schreiben. Huch! Was für ein Blödsinn. Und schon wieder macht es Klick im Kopf, oder?

Die Liste der Beispiele könnte noch um viele weitere nummerierte und nicht-nummerierte „wichtige“ Meteoriten erweitert werden, bei denen es kein „probably paired“ to XYZ oder „paired“ toXYZ gibt.

Ein Pairing setzt klar voraus, dass erkannt ist, dass es das gleiche Material ist. Dann kann man ein Meteoritenstück einem anderen Meteoritenstück zuordnen. Bei NWA-Proben macht das Sinn, weil dort der Fundplatz meist nicht bekannt ist. Bei Meteoriten mit bekannten Fundplätzen, die sogar mit Koordinaten erfasst sind (Beispiel: Qued Mya 002) ist ein Pairing völliger Blödsinn, wenn doch alles Material am +/-gleichen Platz gefunden wird/wurde.

Mir ist gar nicht klar, wer ein „Pairing“ überhaupt aussprechen darf. Das müsste von der Wissenschaft, messtechnisch bestätigt, kommen und irgendwie im Met Bulletin für jedes „Pairing“ einen Eintrag geben. Huch! Das ist ja völlig unmöglich!

Ein „probably paired“ ist schon eher etwas für Sammler/Händler, die der Meinung sind, dass ein Pairing vorliegen könnte. Also, dass etwas gleich zu etwas anderem sein könnte. Visuell, aber nicht messtechnisch bestätigt.

Gleiches gilt für ein sogenanntes „self-pairing“. Neusammler Hinz und Kunz sagen: „das ist gleich, unsere Meinung gilt, zack“. Dort liegen auch nur ein sehr subjektives visuelles und kein messtechnisches Ergebnis vor.

Schwieriges Thema, ich weiss. Andere Meinungen?  :wc:

Achso, eine spontane Idee in meinem Kopf ;-): jetzt im Juni kaufe ich drei zusammengehörige identische Meteoriten, irgendetwas neues und toll aussehendes bei irgendeinem Händler in Ensisheim. Dann lasse ich die Proben von drei verschiedenen Laboren klassifizieren, bekomme drei verschiedene NWA-Nummern, weil ja die Labs untereinander nicht vernetzt sind. Dann könnte ich als Händler dreimal die gleiche Kundschaft bedienen und dreimal abkassieren. Das wäre doch toll, oder? Spätestens bei den Edelgasanalysen käme dann aber zum Vorschein, dass alles gleiches, identisches Zeug ist. Ist es immer noch eine Super Idee? Oder etwa nicht? Die Wissenschaft hat an so etwas keine Freude und ich - ehrlich gesagt - auch nicht.

Frage: was denkt Ihr dazu? Insbesondere würde mich die Meinung unseres Hochpreishändlers, [...], interessieren. Diesmal aber bitte sachlich begründet und ohne vorschnelle Androhung rechtlicher Konsequenzen.

Freundliche Grüsse
Allende  :hut:
« Letzte Änderung: März 24, 2022, 13:38:48 Nachmittag von karmaka »

Offline Met1998

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #1 am: März 23, 2022, 14:00:56 Nachmittag »
Was denkt Ihr dazu?

Hallo Allende,
da ich als betagter Gesteine-Sammler zufällig gerade an der Kiste sitze und immer gern die Met-Geschichten mitlese, fasse ich mich mal kurz.
Zitat
Allende: … Dann könnte ich als Händler dreimal die gleiche Kundschaft bedienen und dreimal abkassieren.

Ich glaube nur darum geht es? :unfassbar:

Beispiel Tscheljabinsk (jetzt nicht mehr lesbar) hat mir gut gefallen! :super:

Ebenfalls freundliche Grüße
der „Steinfried“ :hut:
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Offline Mettmann

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #2 am: März 23, 2022, 14:23:41 Nachmittag »
Ich denke,
die Pairingfrage regelt allein die Meteoritical Society.

Hier sind die Richtlinien:
https://www.lpi.usra.edu/meteor/docs/nc-guidelines.pdf

dort Punkt 4.2 a) & besonders b):

"The evidence must be evaluated by the Committee."

Damit sind Sammler und Händler, egal wie sinnfällig sie im Einzelfall ein Pairing halten, raus.

Meiner Meinung nach bedeutet das, daß es zwo Möglichkeiten gibt, wenn ein Anbieter ein Pairing vermutet oder es sogar sicher weiß:

Entweder er läßt das Material nach den Richtlinien der MetSoc ordentlich klassifizieren/analysieren, wobei dann der Klassifikateur der Metsoc vorschlägt,
ob das Material nach 4.2 a) der Nummer zugeordnet wird oder nach 4.2 b) eine eigene Nummer und den Pairingstatus erhält;

Oder er bietet es als sog. "self-paired" an, wobei es ihm überlassen, wie überzeugend er darlegt, daß es sich um den selben Stein handelt.
Hierbei überträgt er das Authentizitätsrisiko auf den Käufer,
und dieses sowie die Ersparnis der Klassifizkosten und -dauer, sowie der Umstand, daß das Material nicht unabhängig verifiziert und gelistet wurde,
(also auch nicht in wiss. Publikationen verwendet werden kann),
bedeutet in der Praxis, daß das Material, obwohl es sich um denselben Fall handelt, einen niedrigeren Sammlerwert und ggfs. später einmal einen niedrigeren Wiederverkaufswert besitzt,
was gegenüber dem offiziell klassifiziert/benummerten Material einen merklichen Preisabschlag nach sich ziehen sollte.

So sind eben die Regeln. Ich hab sie nicht gemacht.
Aber früher zumindest gehörte zum guten Standard, daß der Einzelhändler seinen Kunden die irgend größtmögliche Authentizität bietet.
Gleichzeitig bleibt es dem Sammler unbenommen, wenn er fexxig genug ist und es ihm rein ums Material geht, zu nicht-offiziellen Pairings zu greifen
zum Vorteil des wesentlich niedrigeren Erstehungspreises.

Zitat
Pairings bringen keinen wissenschaftlichen Mehrwert, sie sorgen aber für Verwirrung und sind nicht zielführend, weil, wenn von verschiedenen Klassifikatören gemessen, sogar abweichende Resultate entstehen können.

Das mag schon sein, allein sind die Hauptakteure der Meteoritenbeschaffung nicht Teil des Wissenschaftsbetriebes und bleiben außen vor.

Und wenn die Meteoritical Society eben so ein Nomenklatursystem betreibt, kann man nichts machen.

Sie wendet dieses ja ebenfalls an bei der zweitwichtigsten Quelle der Meteorite, die unbeeinträchtigt ist von etwaigen Motiven und Bedürfnissen der Meteoriterei mit kommerziellem Hintergrund, nämlich

bei den Antarktischen,
wo jeder noch so kleine Popel, der unter Bestdokumentation und noch dazu i.d.R. von einem einzigen Team an einem einzigen Tag an gleicher Stelle aufgelesen wird,
also bei dem von vornherein evident ist, daß es sich nicht einmal um ein Pairing handelt, sondern nach 4.2 a) um ein- und denselben Meteoriten,
seine eigene Nummer bekommt;

was zu erheblicheren Redundanzen und statistischen Verzerrungen führt, als es je bei den NWAs und den Omani der Fall war.


Insofern ist dem Nummernverteidiger recht zu geben.

In Deinem Fall müßtests, so Du es nicht klassifizieren/pairen, mithin also objektivieren lassen magst,
es als vermutlich oder wahrscheinlich gepairt mit der Nummer anpreisen, wobei ausdrücklich darauf hinzuweisen wäre,
daß es sich bei dieser Titulierung um Deine persönliche Einschätzung handelt, wobei Du selbstverständl. darlegen kannst, auf welchen plausiblen Argumenten Deine Einschätzung beruht.
(Dies ist auch wichtig und fair gegenüber den potentiellen Käufern, da es ihnen hilft, aufgrund dieser Angaben zu entscheiden, was der akzeptable Preis für sie persönlich sein könnte).

Ich habs nicht erfunden,
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Mettmann

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Offline karmaka

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #3 am: März 23, 2022, 14:34:14 Nachmittag »
Vorbildlich dargelegt, Mettmann!  :super:

Ich stimme dir voll und ganz zu! So geht das richtig!

"two or more newly discovered meteorites in dense collection areas may be considered paired with each other or with another formally named meteorite if there is
overwhelming evidence, including geographic data that are consistent with the meteorites being part of a single fall. The evidence must be evaluated by the Committee."

"overwhelming evidence" müsste in diesem Fall unbedingt eine Sauerstoffisotopenanalyse beinhalten, um einen CM von einem 'CT' oder gar 'CZ' eindeutig unterscheiden zu können, beide offiziell übrigens (noch) nicht anerkannt.

Beispiel: NWA 11750 ('CZ' ?, d17O=3.47, d18O=14.3, ?17O=-4.0) wurde ursprünglich als NWA 11086 Material (CM-an, d17O=-0.40‰, d18O=6.17‰ , ?17O=-3.63‰ ) gekauft. Erst eine aufwendige nochmalige Analyse ergab den Unterschied. Eingeschränkt muss gesagt werde, dass NWA 11750 sich auch visuell von NWA 11086 unterscheidet.

Bei NWA 7325 war ein rein 'visuelles self pairing' ja ausgesprochen einfach, aber in diesem Fall ist es schwieriger und geht nicht ohne Klassifikation und wissenschaftliche Analyse.

« Letzte Änderung: März 23, 2022, 15:20:13 Nachmittag von karmaka »

Offline metnet

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #4 am: März 23, 2022, 14:35:24 Nachmittag »
Hallo Allende,

mir als Nur-Sammler helfen die "Pairings" tatsächlich selten weiter. Von den doppelten NWA-Nummern lasse ich mich allerdings - so hoffe ich - nicht in die Irre leiten.

Die Argumentation von Mettmann kann ich natürlich nachvollziehen. Ich kann also nur aus meiner subjektiv-praktischen Perspektive schreiben. Für mich gibt es nur einen Anwendungsbereich, wo ein "probably paired" tatsächlich sinnvoll sein sollte, und zwar wenn (noch) nicht ganz geklärt ist, ob verschiedene Funde tatsächlich gleiches Material bieten. Daraus leitet sich für mich der Wunsch ab, eine solche Klärung möglichst herbeizuführen.

Darüber hinaus könnte das "paired" einen Hinweis auf verschiedene Materialqualitäten beinhalten, zum Beispiel wenn es sich um unterschiedliche Fundzeitpunkte handelt. Mal fallfrisch, mal schon etwas angewittert nach dem Regen etc. Das Etikett "Probably paired" wäre für Sammler somit indirekt nützlich. In allen anderen Fällen wäre es aus meiner unbedarften Sicht schlauer, vorhandene Nummern zusammenzulegen und überflüssige ganz (!) zu streichen, als zusätzliche zu erfinden. Das kostet natürlich Zeit, Arbeit und Geld - und somit wird es wohl unterbleiben.

Viele Grüße
Jürgen

Offline Andyr

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #5 am: März 23, 2022, 14:51:56 Nachmittag »
Hallo zusammen,

ich denke, die zweckdienlichste Vorgehensweise wäre, ein Mitglied des Nomenclature Committees zu kontaktieren und um eine Einschätzung des Falls zu bitten.

https://meteoritical.org/society/leadership/nomenclature-committee

Grüße

AndyR

Offline lithoraptor

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #6 am: März 23, 2022, 16:18:40 Nachmittag »
Moin!

Ich teile die Einschätzung von Mettmann und karmaka. Die Problematik entsteht aus den unterschiedlichen Interessen der Wissenschaft und dem Sammler/Händler-Sektor heraus. Mettmann hat den Inhalt der Guidelines schon klar kommuniziert. Zwei Punkte muss man denke ich aber noch mal klar herausstellen:

Der erste Punkt ist eben der, dass deutlich zwischen Meteoriten aus "dense collection areas" (= DCA --> alle Stücke mit Nummer) und solchen mit Namen unterschieden wird. Daher hinken Vergleiche zwischen Namen und Nummernmaterial immer. Für wie sinnhaft man das System auch immer halten mag aber es macht eben einen Unterschied, ob ich einen Meteoriten in einer DCA "nachfinde" oder im Streufeld eines Meteoriten mit Namen. So ist jeder im Streufeld von Allende gefundene Meteorit, der wie ein Allende aussieht auch als Allende zu bezeichnen und zwar völlig unabhängig davon, wie frisch das Stück ist oder wer es wann gefunden hat. Jeder Nachfund oder jede sonst wie nicht im ursprünglichen Klassifikationsverfahren eingeschlossene Masse, darf nicht unter der gleichen Nummer geführt werden, wenn es nicht von offizieller Seite dieser Nummer zugeschlagen wurde. Punkt! (Ja, ich weiß, dass es DCA-Funde gibt, die auch von wissenschaftlicher Seite anders behandelt wurden und werden. Klassisches Beispiel ist hier NWA 869. NIEMAND - kein Wissenschaftler, kein Labor hat jemals die zwei Tonnen Material gesehen - nicht mal als Foto, die im MetBull (mit Fragezeichen) gelistet sind. Dass sowas dann Probleme macht, ist ein anderer Schnack.)

Der zweite Punkt, der mal klargestellt werden muss, ist der, dass eine Nummer NIEMANDEM gehört. Es handelt sich NICHT um eine Marke und NICHT um ein geistiges Eigentum von jemandem. Somit kann auch NIEMAND ein Anrecht auf diese Nummer selbst oder deren Verwendung erheben. Das ist Unsinn auch dann, wenn es von einigen so gehanhabt wird. Die Nummer ist schlicht ein Teil der Nomenklatur von Meteoriten und einer Nummer ist schlicht eine spezifische Menge an Material zugeordnet. Selbstverständlich kann einer Nummer auch weiteres Material zugeschlagen werden, wenn das vom Klassifikateur so vorgeschlagen und vom NomCom abgesegnet wird. (Auch DAS wurde schon gemacht und ich persönlich halte es für deutlich sinnvoller, als den Nummernsalat, aber das ist mein persönliches Empfinden.) Es spielt dabei auch keine Rolle wieviel Gelde, Mühe oder Zeit jemand in eine Klassifikation gesteckt hat. Das ALLES ist für die wissenschaftliche Nomenklatur unerheblich!!!

Gruß

Ingo

Allende

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #7 am: März 23, 2022, 16:40:01 Nachmittag »
Hallo Metmann, schön, dass es Dich noch gibt  :winke:

Vielen Dank für Deine Ausgrabungen und Zusammenstellungen. Ich muss mir das in den kommenden Tagen nochmals alles genau durchlesen, bin jetzt heute zeitlich zu knapp dran.

Ich habs nicht erfunden,
Keine Botenköpfung bittschön.

 :prostbier:
Mettmann

Warum sollte ich an eine Botenköpfung denken? Deine Kommentare und Informationen sind immer sehr sachdienlich, merci vielmal dafür.  :super:
Wer mich anständig behandelt, wird auch von mir anständig behandelt. Im Gegenzug dazu gilt aber auch, dass wer mich unanständig behandelt und sogar offen bedroht, der wird von mir auch nicht mit Wohlwollen und Freundlichkeiten behandelt.

Gruss
Allende  :hut:

Offline stollentroll

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #8 am: März 23, 2022, 17:55:22 Nachmittag »
Die Sache ist natürlich kompliziert, und wie immer, wo es Regeln gibt, gibt es Grenzfälle oder die Regeln passen nicht immer genau zu einer sich verändernden Realität.
 
Als Mineraloge möchte ich aber zunächst einen kleinen Ausflug in die mineralogische Klassifikation machen, da gibt es durchaus vergleichbare Situationen. Wenn jemand glaubt, ein neues Mineral entdeckt zu haben, muss er einen umfangreichen Fragebogen mit zahlreichen Daten ausfüllen und an die Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification der International Mineralogical Association schicken. Diese Kommission begutachtet dann die Daten und prüft, ob die Daten ausreichen und ob es eventuell mit einem existierenden Mineral identisch ist. Es wird dann über das Mineral und den vorgeschlagenen Namen abgestimmt. Wie bei den Meteoriten muss auch hier das Originalmaterial in einer öffentlichen Institution hinterlegt werden. Die Kommission stimmt auch über Diskreditierungen ab, also wenn sich zwei Minerale als identisch erweisen wird das später beschriebene gestrichen. Die Hauptarbeit bei den Diskreditierungen wurde schon vor 20 – 40 Jahren getan, aber es gibt immer noch einige Fälle. Im Moment haben wir (ich bin der Vertreter Deutschlands in der Kommission) gerade wieder einige auf dem Tisch und es gibt spannende Diskussionen dazu.
 
Was ich gut finden würde, wenn etwas Vergleichbares auch bei den Meteoriten passiert. Also, offenkundige Pairings keine extra Namen / Nummern bekommen und bei den bekannten Pairings aufgeräumt und diskreditiert wird, also Bezeichnungen gestrichen und dann nur noch bestenfalls als Synonyme geführt werden. Das macht natürlich eine Menge Arbeit. 


Der hier in einem vorherigen Beitrag erwähnte Unterschied bei der Behandlung von den benamsten und den benummerten Stücken ist zwar nachvollziehbar, aber in einigen Fällen so generell sicher nicht mehr aktuell. Gerade bei besonderen Funden ist der genaue Fundort heute oft bekannt, im Unterschied zu den Anfangszeiten der NWA-Benummerung. Auch bei einigen gewöhnlicheren Typen ist der genaue Fundort bekannt, trotzdem haben sie eine Nummer erhalten. Hier wäre eine Anpassung durchaus sinnvoll, denn im Grunde genommen gibt es hier keinen Unterschied zu einem Streufeld mit Namen. In diesen speziellen Fällen ist eine pragmatischere Lösung sicher sinnvoll, ohne dass hier jedesmal das volle Programm bei der Analyse aufgefahren werden muss, was dann eigentlich unnötig Kapazitäten bindet. Und schließlich wird bei mehreren vorliegenden Stücken bei der Beantragung einer Nummer / eines Namens auch nicht jedes einzelne analysiert.

Aber, es ist nicht so einfach, und auch bei von der Meteoritical Society anerkannten Meteoriten hat man nicht automatisch die Garantie, dass alles korrekt ist. Bei einem bekannten und seriösen Händler hatte ich einmal eine Scheibe von einem Material erworben, dass mir in der Klassifikation noch fehlte. Er hatte zwei Exemplare bei einem nordwestafrikanischen Händler erworben, die gleich aussahen und als zusammengehörend angeboten wurden. Eines der beiden wurde für die Klassifikation verwendet, das andere zersägt und die Scheiben verkauft. In der Met Bull Database sind auch zwei Exemplare genannt. Bei der Vorbereitung von dem Text für meine Homepage wollte ich ein Detail bei der Mineralogie noch überprüfen und habe die Scheibe mal ins Röntgendiffraktometer gelegt und gemessen. Und das Ergebnis war, die Mineralogie passte nicht zu der Klassifikation. Es war eindeutig etwas anderes und der Händler hat die Scheibe anstandslos zurück genommen. Das ist wiederum das andere Extrem. Selbst gleich oder ähnlich aussehendes Material, dass als zusammen gehörig unter dem gleichen Namen / Nummer offiziell erfasst wurde, muss nicht zwangsläufig das gleiche sein. In diesem Fall war der nähere Fundort allerdings nicht bekannt, insofern fällt es also nicht unter die erwähnten speziellen Beispiele.

Grüße,
Thomas

Offline hugojun

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #9 am: März 23, 2022, 19:10:03 Nachmittag »
Hallo Thomas,

das mineralogische Analog zu Allendes Problem ist doch die Frage, ob der Händler auf der Mineralienbörse am linken Tisch

das gleiche Mineral unter dem selben Namen verkaufen darf, wie der Händler am rechten Tisch, der das Mineral hat bestimmen lassen??

LG
Jürgen

Offline stollentroll

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #10 am: März 23, 2022, 19:19:54 Nachmittag »
Hallo Jürgen,
natürlich darf er.
Es muss natürlich Chemismus und Struktur gleich sein bzw. sich innerhalb der definierten Grenzen bewegen.

Es steht dabei die Frage, inwieweit das belegt wurde. In einigen Fällen reicht tatsächlich eine visuelle Identifizierung oder ein paar einfache Tests, in anderen muss man die große Analytik auffahren.

Grüße,
Thomas

Offline hugojun

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #11 am: März 23, 2022, 19:29:00 Nachmittag »
Hallo Jürgen,
natürlich darf er.
...

Es steht dabei die Frage, inwieweit das belegt wurde. ...

Grüße,
Thomas

Alles Andere wäre Betrug und das ist ja (noch)nicht das Thema

LG
Jürgen

Offline lithoraptor

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #12 am: März 23, 2022, 20:49:06 Nachmittag »
Moin!

Minerale und Meteorite sind hier nicht wirklich vergleichbar, da ein Mineral bei einer Neuentdeckung nicht mit einer festgelegten Anzahl von Stücken oder einem Fundgewicht erfasst wird. Das spielt keine Rolle. Es zählt allein die Chemie und die Struktur.

Die Sache ist natürlich kompliziert, und wie immer, wo es Regeln gibt, gibt es Grenzfälle oder die Regeln passen nicht immer genau zu einer sich verändernden Realität.
 
Was ich gut finden würde, wenn etwas Vergleichbares auch bei den Meteoriten passiert. Also, offenkundige Pairings keine extra Namen / Nummern bekommen und bei den bekannten Pairings aufgeräumt und diskreditiert wird, also Bezeichnungen gestrichen und dann nur noch bestenfalls als Synonyme geführt werden. Das macht natürlich eine Menge Arbeit. 

Gerade bei besonderen Funden ist der genaue Fundort heute oft bekannt, im Unterschied zu den Anfangszeiten der NWA-Benummerung. Auch bei einigen gewöhnlicheren Typen ist der genaue Fundort bekannt, trotzdem haben sie eine Nummer erhalten. Hier wäre eine Anpassung durchaus sinnvoll, denn im Grunde genommen gibt es hier keinen Unterschied zu einem Streufeld mit Namen. In diesen speziellen Fällen ist eine pragmatischere Lösung sicher sinnvoll, ohne dass hier jedesmal das volle Programm bei der Analyse aufgefahren werden muss, was dann eigentlich unnötig Kapazitäten bindet. Und schließlich wird bei mehreren vorliegenden Stücken bei der Beantragung einer Nummer / eines Namens auch nicht jedes einzelne analysiert.

Das unterschreibe ich ALLES sofort, Thomas. Auch die Ideen zur Aufarbeitung finde ich gut und meine, dass ich ähnliches auch hier im Forum schon mal als Aufgabe für künftige Wissenschaftler skizziert habe.

Die Frage ist doch aber in wie weit man jetzt einer ggf. verbesserten Regelung schon vorgreifen sollte bzw. in wie weit man erlaubt, dass dies von diversen Leuten gemacht wird. Wo / bei wem soll man da eine Grenze ziehen oder ist es nicht besser, wenn sich zunächst ALLE an die bestehenden Regeln halten?!

Gruß

Ingo


Offline Mettmann

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #13 am: März 23, 2022, 21:02:39 Nachmittag »
Ja Thomas,

und dann gibt es bei den Meteoriten eben noch etliche strukturelle Probleme,
etwa daß es zu wenige Klassifikateure gibt und es, was die raren und rarsten Klassen angeht, zu wenig erfahrene Klassifikateure.

Es sind Glücks- aber auch leider Ausnahmefälle, daß es Forscher wie Korotev oder Irving gibt, die so umtriebig sind,
von jedem Mond- respektive Marsmeteoriten persönlich eine Probe in die Hände zu bekommen, sodaß sie tatsächlich einen Überblick über die ganze Klasse haben
und die diversen Nummern auseinanderklamüsern und zu Pairinggruppen ordnen können
und so auch jeden neu Eingereichten identifizieren und erkennen, ob es ein schon dagewesener oder ein tatsächlich Neuer ist,
und dankenswerterweise die Listen und Pairings für jedermann online stellen.

In der Breite aber kann ein Klassifikateur nicht wissen, was es an Material schon gibt, zu dem ein Fund gepairt sein könnte,
schlicht weil ers nie auf dem Tisch gehabt hat (und trotz des großen Preiscrashs der Jahrtausendwende, die Ankaufpolitik und -mittel unzureichend waren und vielfach sich sogar stark verschlechtert haben).

Auch kann es Schwierigkeiten geben, die dem Material immanent sind, wenn es sich um Meteorite mit sehr kleinen Fund-/Kaufgewichten dreht, wenn sie polymikt sind,
da die dann an verschiedenen Orten eingereichten Pröbchen unterschiedliche Lithologien zeigen und unterschiedl. Meßwerte liefern. Gleiches in Einzelfällen, wenn die Verwitterung unterschiedl. weit fortgeschritten. Bspw. denke man bei Letzterem an Al Haggouina, beim Ersteren bspw. an die fließenden Übergänge im polymikten HED-Spektrum oder an den frühen SAH-Rumurutiten.

Drittes strukturelles Problem ist einfach, daß zu wenig Geld im System ist und dieser privatwirtschaftl. Nischenmarkt so winzig und die Profite zu niedrig sind,
alsdaß es jemals möglich gewesen wäre für die Händler von den Raren und Rarsten jeweils die Gesamtfundmengen, einschließlich der Nachfunde aufzukaufen.

So wüßte ich nicht, wie diese Nummernzerfaserung zu verhindern gewesen wäre. Eigentlich hätte man eine billig-bequeme kleine zweite McMurdostation in einem Saharaland aufstellen müssen, wo einfach alles angekauft wird... Allein, das hätt wohl nicht funktioniert, die Länder dort haben sich in der Mehrzahl als politisch instabil erwiesen und es wäre sowieso nur eine Frage der Zeit gewesen, bis Begehrlichkeiten geweckt und nationale Gesetze verhängt worden wären, die dem Fundrausch ein Ende gesetzt hätten.
« Letzte Änderung: März 23, 2022, 22:02:57 Nachmittag von Mettmann »
"If any of you cry at my funeral,
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Offline lithoraptor

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Re: Pairings und deren Sinn oder Unsinn
« Antwort #14 am: März 23, 2022, 21:27:09 Nachmittag »
@ Mettmann
Das wir beide mal das Gleiche denken… Hätte ich ja nie gedacht. :fluester: :weissefahne: :prostbier:

 

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