'Scalea', ein echter 'confirmed fall'?
Soeben im MetBull registriert:
Scalea (189 g, L5, S1)
Bei solchen Geschichten habe ich immer Bauchschmerzen und große Zweifel. Ein L5, angeblich gefallen auf privatem Grund am 11.9.2024 aber erst offiziell zur Analyse gemeldet im Februar 2025.
Die Fotos an der Fallstelle sollen keine Nachstellungen sein, sondern die reale Position des Meteoriten sofort nach dem Fall auf eigenem privaten Grund (hier Strand) zeigen. Zufällig hatte der angebliche Finder und einzige Augenzeuge natürlich praktischerweise auch gleich Handschuhe und eine Plastiktüte dabei, um den Meteoriten zu bergen und ihn danach modellhaft an einem trockenen Ort zu lagern. Weiterhin hat der Finder sogar Proben des umgebenden Sands in einem separaten Plastiksack gesammelt. Offenbar hatte der Finder schon Wissen darüber, wie man mit einem frischen Fund umgeht.
Umso seltsamer, dass er danach fünf Monate wartete bis er im Februar 2025 Vanni Moggi Cecchi von der Universität in Florenz kontaktierte.
Wieso schafft es ein L5 mit einer derart dünnen Fallgeschichte und ohne vorherige Analyse der sehr kurzlebigen Radioisotope zur klaren Abgrenzung von anderen zeitnahen L5-(Massen)fällen, wie z.B. El Menia (75 kg, 11.3.2023), Longde (46 kg, 10.7.2022), Amo (66,8 kg, 10.12.2024) oder ein unbekanntes Exemplar von Cavezzo (L5, 1.1.2020), so schnell ins MetBull?
Die Position und der Zustand des Meteoriten in der Impaktgrube im Sand sieht in Teilen irgendwie auch nicht authentisch aus.
Es scheint sich nicht ein Sandkorn oben auf der Oberfläche des Meteoriten zu befinden und er ist auch praktisch kaum in den Sand eingesunken, sondern liegt vollständig
auf dem Grund der Grube. Auch der 'Ejekta-Kranz' aus Sand sieht sehr rund, konzentrisch und recht eng begrenzt gestreut aus, wenn auch sonst nicht ganz offensichtlich mit der Schaufel 'gegraben'.
Aufgrund dieses Kongress-Abstracts (Seite 258)
Congresso SGI-SIMP 2025 soll der vor allem der feine weiße 'Puder' auf dem Meteoriten, der dem Sand an der Fundstelle entspricht, ein (vermutlicher!) Beleg für einen authentischen Fall am Strand sein.
Das hätte sich doch leicht im Vorfeld durch ein vom 'Finder' initiierten intensiven Kontakt des Meteoriten mit dem Sand des Privatstrands erreichen lassen. Nichts leichter als das!
"The external surface a sals somewhere covered by a very fine grained white powder probably due to the impact with the seashore.[...] A micro-raman analysis a salso been performed on both the white powder and the original sand of the seashore, both consisting of calcite, confirming the provenance of the meteorite from this site."
"According to these data the meteorite can be considered a new Italian find, probable fall"
Im Abstract wird er noch eindeutig als 'find' oder vielleicht 'probable fall' bezeichnet. Warum steht das jetzt nicht auch im MetBull? Wieso ist er jetzt definitiv ein 'confirmed fall'? Darüber steht nichts Neues im MetBull-Eintrag.
Dort steht nur ebenfalls: "Traces of a white, fine grained powder have been observed on small cavities at the surface of the meteorite. Once collected and analyzed by means of micro-Raman spectrometry, the powder resulted to be formed by calcite, a composition fully compatible with the limestone pebble beach where the stone fell and has been recovered."
Wie unwahrscheinlich ist es nach den stark medialisierten Fällen von Cavezzo (2020) and Matera (2023), dass einem der Schalk, der Versucher, ins Ohr raunt einen Meteoritenfall auf privatem Grund zu 'pflanzen'?
Offenbar gibt es keinerlei Augen- oder auch nur Ohrenzeugen eines detonierenden Boliden.
Ach, ne! Es gibt vom 11.9.2024 eine IMO Sichtungsmeldung um 23:30 CEST (21:30 UT) eines Vanni M (aus Scalea?)!
Report 8367a - 2024Das ist Vanni Moggi Cecchi selbst, der Klassifikateur von Scalea. Er schreibt "Ich bin Kurator des Mineralogischen Museums der Universität Florenz. Der Vergleich mit anderen ähnlichen Berichten ist mir sehr wichtig. Sie meldeten mir einen Meteoriteneinschlag."
Es muss wohl die konkrete 'Sichtungsmeldung' des Finders (übermittelt durch Moggi Cecchi) sein, allerdings dann wohl erst im oder nach Februar 2025 an IMO übermittelt, oder?
Aber der Finder hatte doch nur das Zischen und den Aufprall (loud whistle and a dull thud ) gehört, war also nur Ohrenzeuge. Hat er den Boliden wirklich gesehen?
Es gibt in IMO keinerlei weitere Sichtungseinträge zu dem Zeitpunkt. Weiterhin spricht Moggi Cecchi von mehreren ähnlichen Berichten (altre segnalazioni analoghe), also Plural.
Die werden aber in keiner Publikation erwähnt.
Als Sichtungsstandpunkt gibt Moggi Cecchi 39°48'15.7"N 15°47'19.8"E an, das ist 700 Meter vom im MetBull angegebenen Fallort bei 39°47.89' N, 15°47.43'E entfernt.
Auch Fallzeitpunkt und Bolidensichtungszeitpunkt unterscheiden sich. Fallzeitpunkt soll laut Abstract und MetBull September 11, 2024, at 12:35 CET (oder 12:34 p.m. CET ?) sein und die Sichtung soll um 23:30 CEST (21:30 UT) am 11. September 2024 erfolgt sein (oder ist das ein Fehler oder nur der Meldezeitpunkt bei IMO?)

Die Fotos der Grube am Strand wurden definitiv am Tag gemacht.
FOTO 1FOTO 2FOTO 3FOTO 4FOTO 5Ich wünsche mir weiterhin mehr 'gesunden Zweifel' oder auch wissenschaftliche Gründlichkeit bei der MetBull-Entscheidung über einen echten 'confirmed fall' eines gewöhnlichen Chondriten mit einer derart dünnen Fallgeschichte im zeitlichen Umfeld anderer L5-Fälle.
Eine klare Abgrenzung von anderen Fällen desselben Typs (hier L5), z.B. durch genaue Bestimmung des terrestrischen Alters mittels sehr kurzlebiger Radioisotope, muss meiner Meinung nach zu einer Standardvoraussetzung für einen Eintrag als 'confirmed fall' im MetBull sein. Dies scheint in diesem Fall (noch?) nicht passiert zu sein.
Was denkt ihr über diese Geschichte?