Autor Thema: Die Mineralien des Kalktagebaus Rüdersdorf bei Berlin  (Gelesen 4750 mal)

Labrador

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Die Mineralien des Kalktagebaus Rüdersdorf bei Berlin
« am: Mai 20, 2008, 20:23:26 Nachmittag »
Rüdersdorf - wohl der klangvollste Name in Brandenburg aus der Sicht eines Mineraliensammlers. Und doch ist Rüdersdorf mehr als nur Coelestin! Im Folgenden soll es nicht so sehr um die Geschichte des Abbaues selbst gehen, sondern um die Mineralien, ihre Vorkommen innerhalb der Struktur Rüdersdorf und - besonders interessant - um die heutigen Fundmöglichkeiten. Aber beginnen wir mit dem "Zugpferd", dem Coelestin. Man kann sich gar nicht vorstellen, in welcher Mannigfaltigkeit dieses Mineral hier vorkam. Alleine mit Beschreibungen dieses Minerals könnte man Seiten füllen.

Coelestin

Das mit Sicherheit bekannteste Mineral Rüdersdorfs muss in Primär- und Sekundärcoelestin unterschieden werden. Während erster in den Kalk selbst eingewachsene graue Prismen bildet, ist letzterer, spätgebildeter Coelestin in den Kalkschlotten natürlich für den Mineraliensammler von größerem Interesse. Bezüglich der häufigsten Farbe streiten sich die Sammler. Früher dominierten die roten Farbtöne, von blass bis tief braunrot. In neueren Funden dominierten häufig die blauen Nuancierungen. Das strahlende Himmelblau der guten alten Funde wich dabei allerdings einem kräftigen Tiefblau bzw. einer zonaren Färbung blau-rot. Besonders reizvoll sind dabei klare blassrötliche oder champagnerfarbene Kristalle mit blauen Kopfflächen. Seltener schon sind graue bzw. graubraune Farben, teils auch in zonaren Schattierungen. Ausgesprochene Raritäten sind gelbe Kristalle und farblose wasserklare xx eines dünnprimatischen Typs. Auch die Ausbildung der Kristalle variiert, am häufigsten sind dicke, blockige und flächenreiche Exemplare. Es gibt auch derben Coelestin als Hohlraumfüllungen, der bisweilen strahlig-stengelig aggregiert daherkommt. Diese Bildungen tragen selten dünnste Harnische von Hämatit, der "Ursache" der roten Färbung. Faseriger Coelestin, wie er aus Thüringen bekannt ist, kam von Rüdersdorf nicht.
Die klassischen Funde erreichten Kristallgrößen von 10 cm! Meist sind die Coelestine aber nicht größer als 2-3 cm. Die Fundmöglichkeiten für dieses Mineral sind de facto gut bis hervorragend - wenn man in den Bruch käme! Erst langsam scheint wieder möglich, dass es geführte Touren zur Coelestinzone geben wird. Die kommen nämlich fast ausschließlich in einem eng umgrenzten Bereich auf der -47 m Sohle nahe der Kreuzbrückenspalte vor, einer charakteristischen rissartigen Zone, benannt nach der alten Kreuzbrücke, die hier einmal die Grenze der ursprünglich geteilten Steinbrüche (Heinitzbruch und Alvenslebenbruch) bildete. Häufiger Begleiter des Coelestins ist der

Calcit

Für einen Kalksteinbruch, so sollte man meinen, sind gute Calcitstufen nichts besonderes. Aber es ist wohl einfacher, einen guten Coelestin von Rüdersdorf zu finden, als einen guten Calcit. Natürlich, es gibt rhomboedrische oder häufiger skalenoedrische Kristalle, doch erreichen diese selten Zentimetergröße. An den alten Halden am Kesselsee kann man in den Drusenhohlräumen der Myophorienschichten noch hübsche, wasserklare Skalenoder bis 5 mm Höhe finden, die sich durch einen frischen Glanz auszeichnen, der bei den Stücken aus dem Bruch selbst meist nicht vorkam. Im Oberen Muschelkalk war Calcit (steilrhomboedrischer Typ) Begleiter der seltenen Sulfide (Sphalerit und Chalkopyrit), solches Material liegt noch auf der Halde (80,0) am Alvenslebenbruch, die zur -47 m Sohle hin abfällt. Hier gibt es auch glänzende Spaltflächen von durch Hämatit gefärbtem Calcit, der aber nicht in freien Kristallen vorkommt. Eine Rarität ist tiefroter traubig entwickelter Calcit auf weißen Muscheln der Gattung Myophoria (früher irrtümlich als Chalcedon bezeichnet) sowie "Papierspat" - dünne gewellte Sinterbildungen aus dem Bereich der Haldenentwässerung auf dem Sohlentiefsten des Alvenslebenbruches. Der schon erwähnte

Sphalerit (Zinkblende)

ist das wohl begehrteste Mineral nach dem Coelestin. Dennoch ist es weit weniger bekannt. Es gab Stufen, die Kristallaggregate von mehreren Zentimetern Größe trugen: typisch glänzend und in hübschen Calcitdrusen aufgewachsen. Einzelne Kristalle sollen bis 2 cm Breite erreicht haben. Entgegen anderslautenden Äußerungen ist das Material im Bruch noch findbar und zwar an der oben erwähnten Halde. Die hier genannten Ausbildungen wird man aber vergeblich suchen. Kleine Tetraeder von 1 mm Kantenlänge, die sich aus dem brekziierten Calcit heraussäuern lassen oder undeutliche Aggregate bis 4 mm gehören schon zu den seltenen Funden. Von der Halde kommt auch noch selten

Chalkopyrit (Kupferkies)

den man aber auf den alten Haldenkomplexen zwischen dem Kesselsee und den Windrädern ("Windpark") auf dem Weinberg in besserer Ausbildung noch immer finden kann! Die Halden bestehen zum größten Teil aus Material der bereits abgebauten Myophorienschichten, mit dem die einstmals hier befindlichen Lehmann´schen und Durin´schen Tongruben verfüllt wurden. Der Chalkopyrit der aktuellen Funde (2006) kommt in millimetergroßen Oktaedern vor, die frei auf Calcitrasen sitzen. Die Literatur berichtet von Kristallgrößen bis 2 mm, in der Sammlung des Verfassers befindet sich eine Stufe von hier (Fund in den 1980er Jahren), die einen 4 mm großen oktaedrischen Kristall trägt. Begleiter sind am Kesselsee Calcit und der hier scheinbar sehr seltene Pyrit (winzigste tombakbraun angelaufene abgerundete Würfel). In unmittelbarer Nähe des Kupferkieses, teils diesem aufsitzend befinden sich ein wasserlösliches Mineral von hellblauer Färbung (Einzelfund, Chalkanthit?) sowie einmal ein blaues Mineral, welches sich derzeit in der Analyse befindet (Azurit?). Etwas häufiger sind winzige Sphärolithe oder Krusten von

Malachit

Das Mineral wurde auch einmal als 3 x 3 mm messender grüner "Fleck" auf einem historischen Ziegelstück im Bereich des Heinitzbruches gefunden. In einem Hohlraum des Ziegels zeigten sich schwarz angelaufene (Covellin?) Chalkopyrite, die das "Primärmineral" in diesem ungewöhnlichen Stück bilden.

Dolomit

zählt auch zur Paragenese in den Myophorienschichten. In der Literatur wird er, wenn, dann nur am Rande erwähnt, was den durchaus hübschen sattelförmigen Rhomboederchen sicher nicht gebührt. Gerade, wenn diese auf einer Stufe ein Farbspektrum von hellbeige nach rotbraun erkennen lassen und als reicher "Kristallteppich" den Calcit überzuckern, bilden sie ansehnliche Stufen.

Gips

ist ein weiteres "verkanntes" Mineral aus Rüdersdorf. Nach Sprengungen im Bereich der Unteren Wechsellagerung auf der 2. Sohle des Alvenslebenbruches lagen Fasergipsbrocken (frisch, reinweiß) bis Waschmaschinengröße herum. An diesen Gipsblöcken taten sich die Sammler gütig, als noch Führungen gegeben wurden. Hier gab es auch angelöste hellbraune xx auf weißem Fasergips, braune Kugeln des Minerals in weißem, derbem Material, dunkelbraunes "Marienglas" und herrliche klare xx auf dunklem Gips, die 8 cm Größe erreichen und fantastische Vitrinenstufen aufbauen. Die alten Tongruben am Kesselsee lieferten auch Fasergips, der aber gelblich getönt ist. Hier gab es auch kugelige graue Aggregate des Minerals auf Kalk. Als es in Rüdersdorf im 19. Jh. noch mehrere Brüche gab, die im Laufe der Jahre zum heutigen Großtagebau verbunden wurde, gab es am Kesselsee auch einen Steinbruch, der den Namen "Gipsbruch" trug, Zeichen für das einst reiche Vorkommen des Calciumsulfates in dieser Ecke. Am Kesselsee ist heutzutage aber keine Spur Gips mehr zu entdecken, die Tongruben sind lange verfüllt.

Quarz

war eigentlich immer selten und begeht. Er kommt auch vor allem in den Myophorienschichten am Kesselsee vor, wo man ihn heute noch finden kann. Meistens tritt Quarz in verwachsenen Kristallaggregaten auf, die so gut wie nie einzelne Individuen erkennen lassen. Auch als (absolut blasser) Amethyst lässt sich das Mineral dort noch finden, wenn auch ungleich seltener. Selten sind auch rauchige Quarze. Aus dem Mittleren Muschelkalk des Alvenslebenbruches kamen auch kräftiger gefärbte Amethyste vor. Der Verfasser war dabei, als eine Sammlerin im Jahre 2001 im Haufwerk eine faustgroße Stufe fand, besetzt mit fast zentimetergroßen separat nebeneinander stehenden Spitzen. Der Exkursionsleiter war ebenso baff wie ein begleitender Geologe aus Rüdersdorf! Quarz kommt in den Glaukonitschichten des Heinitzbruches auch als graue Hornsteinknollen vor, der

Glaukonit

selbst ist meist nicht sammelwürdig, es sei denn, er erscheint als kräftig grasgrüner Überzug auf Muschelfossilien. Der kleine Aufschluss am Rand des Heinitzbruches, wo man Belegstücke finden konnte, wurde aber durch den Abbau zerstört!

Pyrit

ist das häufigste Sulfid, wenngleich selten in Kristallen über 2 mm erscheinend. Auch sind diese selten glänzend. Es dominiert der Würfel, Tetraeder sind weniger verbreitet. Am häufigsten sind "Schnüre" auf Wellenkalkflächen, die aber meist schon stark oxidiert sind. Diese schlangenartigen Bildungen sind aber meist Pyrit, nicht wie oft erwähnt

Markasit

Zwar gibt es auch diesen in traubigen, lagig aufgebauten Aggregaten, die jedoch weit seltener sind. Markasit gehört wohl überhaupt zu den seltenen Mineralen Rüdersdorfs, wiewohl er immer wieder mit dem Pyrit verwechselt wird. Charakteristisch sind spanartige, whiskerförmig verzerrte Nädelchen auf Kalk, die gleichsam selten zu finden sind.

Bernstein

ist eine weitere Rarität und zählt eigentlich nicht zur eigentlichen Mineralisation. Die Stücke stammen aus braunkohleführenden Sanden aus der Kreuzbrückenspalte. Hier war stellenweise massenhaft Bernstein angereichert, aber eben nur auf wenigen Quadratmetern. Teils waren die Bernsteinkiesel klar und trommelwürdig. Auf Rissen eines Kohleholzstücks befinden sich hier weiße Rudimente eines nur schwer in Säure löslichen Minerals mittlerer Härte, wobei es sich um ein Oxalat handeln könnte (möglicherweise Whewellit oder Hartit?)

Weitere Minerale

von Rüdersdorf sind derber grauer Anhydrit als Begleiter von Gips, Halit aus Tiefbohrungen sowie als Besonderheit in Hohlpseudomorphosen in einer mergeligen Kalkbank auf der Oberen Wechsellagerung, Alvenslebenbruch. Diese "Salzpseudomorphosen" gehören zu den Raritäten und sind nur in den allerwenigsten Sammlungen vertreten. Erwähnt werden auch Kemmlitzit und Metacinnabarit (als selenhaltiger "Onofrit"), wobei in Anbetracht der paragenetischen Verhältnisse das Vorkommen der beiden Minerale als mehr als zweifelhaft gelten darf. Weiters kommen vor: Kaolinit in pulverigen Aggregaten im Unteren Muschelkalk, Limonit, Pyrolusitdendriten, Muskovit in winzigen Schüppchen aus Limonitkonkretionen des Mittleren Muschelkalkes, Manganomelan als seltener Überzug auf Calcit, Siderit (?) als klare, bräunliche und flachrhomboedrische xx-Aggregate, Seladonit und Chlorit als schwarzgrüne Anflüge auf Rissen im Kalk, weiße Sulfatausblühungen (wohl Rozenit) auf zersetztem Pyrit und flachstrahlige Aggregate auf versteinerten Muschelfossilien, bei denen es sich um aus der Schalensubstanz sekundär hervorgegangenen Aragonit handeln könnte. Darüber hianus werden hin und wieder Geschiebe im Bruch gefunden, die typische Minerale enthalten.

Labrador

  • Gast
Re: Die Mineralien des Kalktagebaus Rüdersdorf bei Berlin
« Antwort #1 am: Mai 21, 2008, 18:50:30 Nachmittag »
Fototeil...

Hohlpseudomorphose nach einem Steinsalz-Skelettkristall (nach innen getreppte Flächen) - eine Rarität vom Alvenslebenbruch, Rüdersdorf bei Berlin. Der "Hohlwürfel" ist knapp 2 cm breit.


Labrador

  • Gast
Re: Die Mineralien des Kalktagebaus Rüdersdorf bei Berlin
« Antwort #2 am: August 31, 2009, 14:01:18 Nachmittag »
Bernsteinkiesel - eine Rarität aus der "Kreuzbrückenspalte" im Kalkbruch Rüdersdorf. In dieser - leider lange abgebauten - Schmelzwasserrinne lagerten Sande mit umgelagerten Braunkohlegeröllen und eben Bernstein

12 cm breites Fasergips-Handstück aus der Tongrube II am Kesselsee

Nicht so prachtvoll wie die blauen, aber ungleich seltener: gelber Coelestinkristall von der -47 m Sohle. Der Kristall ist 13 mm hoch.

 

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