Autor Thema: Kleines Meteoritewrong-Rätsel  (Gelesen 3558 mal)

Offline Buchit

  • Generaldirektor
  • *
  • Beiträge: 1097
Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« am: Januar 25, 2011, 20:11:19 Nachmittag »
Hallo Forumsgemeinde :hut:

das folgende Rätsel ist zwar etwas ungewöhnlich :confused:, aber vielleicht macht es ja trotzdem Spaß: Das Dünnschliffbild unten zeigt keinen Meteoriten, sondern einen Meteoritewrong: Ein irdisches Gestein, über welches kürzlich in einem Beitrag dieses Forums diskutiert wurde, weil man es makroskopisch evtl. mit einem Meteoriten verwechseln könnte.

Um was für ein Gestein könnte es sich dabei handeln? :gruebel:

Viel Spaß beim Raten,
Holger

Offline Thin Section

  • Foren-Guru
  • *
  • Beiträge: 4192
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #1 am: Januar 25, 2011, 21:07:19 Nachmittag »
Hallo Holger und Forum,

Hmmm, …  :gruebel: scheint etwas brekziiertes zu sein. Bei den dunklen Bereichen mit diesen stäbchenförmigen Kristallen (Plagioklas?) hätte ich auf etwas basaltisches getippt. Dann sind da aber wieder in der unteren Bildhälfte am linken und am rechten Bildrand diese zonigen Breiche, die fast an die Bänderung eines Achats denken lassen. Aber Achat und Basalt passt natürlich nicht zusammen. Der schiffchen-förmige Kristall oben in 12 Uhr Richtung (dort, wo ein Riss durch den DS geht) sieht nach einem idiomorphen Pyroxenkristall aus – vermisse allerdings die für Pyroxene deutlichen fast 90° "cleavages", sodaß es eventuell auch ein Olivinkristall sein könnte.

Also, ich sage dann mal, es ist etwas basaltisches.


Bernd  :hut:
(247553) Berndpauli = 2002 RV234

Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Offline Buchit

  • Generaldirektor
  • *
  • Beiträge: 1097
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #2 am: Januar 25, 2011, 21:20:22 Nachmittag »
Hallo Bernd.

"basaltisch" geht in die richtige Richtung (wenn Lithoraptor das liest, möge mir verzeihen :weissefahne:, dass das jetzt nomenklatorisch nach den neuesten Regeln nicht richtig ist, aber vom Phänotyp kommt das hin).

Auch das Stichwort "brekziiert" weist in die richtige Richtung. :einaugeblinzel:

Und wie gesagt - es wurde kürzlich über diese Gesteine gesprochen... :fluester:

Gruß, Holger

Offline lithoraptor

  • Foren-Guru
  • *
  • Beiträge: 4162
  • Der HOBA und ich...
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #3 am: Januar 25, 2011, 21:21:50 Nachmittag »
Moin!

Ich denke da mehr an ein Konglomerat mit porphyrischen ggf. basaltischen Komponenten a la "Digerberg-Konglomerat" oder so. Sehr auffällig und für einen Meteoriten sehr untypisch ist die sehr feine Grundmasse, die kaum großere Kristalle enthält. Die Komponenten sind zum größten Teil sehr gut gerundet und sehen Chondren wirklich verdamt ähnlich.

Gruß

Ingo

P.S. Holger, ein Maßstab fehlt! :fluester:

Offline Buchit

  • Generaldirektor
  • *
  • Beiträge: 1097
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #4 am: Januar 25, 2011, 21:26:20 Nachmittag »
Hallo Ingo,

sehr gut :super:, denn auch sedimentäre Vorgänge spielten bei der Bildung dieses Gesteins eine Rolle :super: (Endgültige Auflösung erfolgt morgen früh...)

Gruß, Holger

Offline lithoraptor

  • Foren-Guru
  • *
  • Beiträge: 4162
  • Der HOBA und ich...
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #5 am: Januar 25, 2011, 21:28:09 Nachmittag »
Mensch, Du machst es aber spannend. Ich werde noch mal in mich gehen und mal schauen, ob ich noch zu einer besseren Ansprache komme...

Hmmmmm, also wenn ich es mir genau betrachte, dann sind die Komponenten ja gar nicht alle richtig rund. Wenn ich dies mit deiner obigen Äußerung ins Verhältnis setze, mir durch den Kopf gehen lasse, über was für Gesteine wir hier so reden, die in Betracht kommen könnten und mir vor Augen halte, dass wir hier nur einen Schliff im einfachen (nicht polarisiertem) Durchlicht sehen... Ich eine Erklärung für die extrem feine Grundmasse brauche (über deren Beschaffenheit ich ohne Polarisation fast nix sagen kann - könnte ja auch sehr glasreich sein), dann führt mich dieses ALLES irgendwie zu der Überlegung, dass es sich sehr wohl auch um einen Impaktit oder ein Fanglomerat handeln könnte...
Meine Kenntnisse auf dem Gebiet der Impaktite sind jedoch gering. Ich könnte es daher nicht wirklich einordnen...
« Letzte Änderung: Januar 25, 2011, 21:56:48 Nachmittag von lithoraptor »

Offline gsac

  • Foren-Legende
  • ******
  • Beiträge: 6314
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #6 am: Januar 25, 2011, 21:46:29 Nachmittag »
Einen Stein "anzusprechen" finde ich übrigens ein sehr schönes Wort...

Offline lithoraptor

  • Foren-Guru
  • *
  • Beiträge: 4162
  • Der HOBA und ich...
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #7 am: Januar 25, 2011, 22:02:35 Nachmittag »
So sagt man DAS petrographisch korrekt! :user: Auch wenn einige bei der Aufforderung: "Sprechen Sie mal das Gestein hier an!", schlicht "Hallo!" sagen würden. :laughing:

Offline speul

  • Foren-Veteran
  • *
  • Beiträge: 3060
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #8 am: Januar 25, 2011, 22:03:16 Nachmittag »
mmh, :gruebel:
ich sag mal Latiandesit mit Mandelsteintextur aus der Gegend von Idar-Oberstein 
???

bis morgen, 18.00
speul
Lächle einfach - denn du kannst sie nicht alle töten

Offline Buchit

  • Generaldirektor
  • *
  • Beiträge: 1097
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #9 am: Januar 26, 2011, 09:15:25 Vormittag »
Und die Lösung lautet:

Tuffbrekzie oder Schlotbrekzie vom Schwäbischen Vulkan.

Diskutiert wurde sie hier im Zusammenhang mit der Frage, wieviele Meteoritewrongs wohl nach dem Geislinger Fall auftauchen werden, da die Schlotbrekzien dieser Fundorte (die nahe am potentiellen Fallgebiet liegen) aufgrund der eingeschlossenen, gerundeten Lapilli- oder Aschepartikel mit Chondriten verwechselt werden könnten.

Das Material besteht aus einer Matrix, die neben (ursprünglich wohl) glasigen Bestandteilen auch feingepulvertes Nebengestein (etwa Jurakalk) enthält. Links von der Bildmitte der helle, gerundete Partikel ist ein etwas größeres Fragment von Jurakalk. Allerdings ist das Gestein sekundär stark verändert, was sich unter anderem in der Abscheidung von Aragonit (was Bernd als "achatähnliche Strukturen" erkannt hat) in den ehemaligen Hohlräumen des Gesteins erkennbar macht. Aber auch die in ihrem äußeren Umriß noch gut erkennbaren, primären Mineralphasen der "basaltischen" Partikel (Olivin- und Melilithkristalle) sind so stark alteriert, dass sie unter gekreuzten Polarisatoren nicht mehr die typischen Interferenzfarben zeigen (deshalb hatte ich auf eine XPL-Aufnahme auch verzichtet). Überraschend genug sind einige Lapilliteilchen dennoch als Glas erhalten geblieben (in diesem Bild nicht gut zu sehen, aber im oberen rechten Quadranten ist ein dunkelbraunes Korn zu erkennen, bei dem es sich um Glas handelt).

Die vulkanischen Partikel sind unter anderem deshalb von Interesse, weil sie relativ wenig SiO2, dafür aber reichlich CaO enthalten, was sich u. a. im Auftreten von Melilith äußert (die stäbchenförmigen Kristalle, die man ohne genauere Untersuchung leicht für Plagioklas halten kann). Daneben müssen sie auch reichlich feinverteilten Magnetit enthalten, denn sie bleiben beim Schleifen selbst dann fast undurchsichtig, wenn man den Schliff unter die üblichen 30 Mikrometer herunterschleift.

Der Erhaltungszustand ist übrigens von Schlot zu Schlot unterschiedlich; man findet daher auch Gesteine dieses Typs, in denen weniger sekundäre Veränderungen im Stoffbestand zu sehen sind (etwa frische Olivinkristalle).

Gruß, Holger

Offline Thin Section

  • Foren-Guru
  • *
  • Beiträge: 4192
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #10 am: Januar 26, 2011, 12:14:36 Nachmittag »
Toll beschrieben und erklärt, Holger !  :applaus:

Herzliche Grüße,

Bernd  :hut:

P.S.: Hier ein Auszug aus H. Pichler, C. Schmitt-Riegraf (1993), Gesteinsbildende Minerale im Dünnschliff, p. 61:

"Vorkommen: in den am stärksten unterkieselten Magmatiten: z. B. in Melilith-Nepheliniten der Schwäbischen Alb, des Hegaus; im Melilith-Leucitit ("Cecilit") der Albaner Berge / Italien. In seltenen Plutoniten wie Pyroxen-Melilithit ("Uncompahgrit") und melilith-führendem Karbonatit. In seltenen Gang-Gesteinen wie Alnöiten (Insel Alnö/Schweden).  Im innersten Kontaktbereich eines Plutons gegen mergeligen Kalk bilden sich reine Gehlenit-Porphyroblasten, z.B. im Dolomitmarmor des Monzoni-Gebietes bei Predazzo/Südalpen. Synthetisch in basischen Hochofenschlacken entsteht das in der Natur nicht bekannte Endglied Akermanit."
(247553) Berndpauli = 2002 RV234

Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Offline lithoraptor

  • Foren-Guru
  • *
  • Beiträge: 4162
  • Der HOBA und ich...
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #11 am: Januar 26, 2011, 14:27:56 Nachmittag »
Moin!

Man Holger, Du Fiesling! :laughing: War wirklich ein schönes und anspruchsvolles Rätsel. :super: Bitte mehr davon!

Gruß und  :danke:

Ingo

Peter5

  • Gast
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #12 am: Januar 26, 2011, 15:57:24 Nachmittag »
Zitat
z. B. in Melilith-Nepheliniten

.. hier mal ein paar rotbraune Melilith- und farblose Nephelin-Kristalle aus der Eifel ..  :smile:

Bildbreite jeweils 4 mm ..

Gruß Peter5

Offline Buchit

  • Generaldirektor
  • *
  • Beiträge: 1097
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #13 am: Januar 26, 2011, 19:15:24 Nachmittag »
Moin!

Man Holger, Du Fiesling! :laughing: War wirklich ein schönes und anspruchsvolles Rätsel. :super: Bitte mehr davon!

Gruß und  :danke:

Ingo

Na schön, einen etwas anspruchsvolleren "Pseudochondriten" hab' ich noch... :laughing:

Wieder ein Dünnschliff; die Bildhöhe entspricht etwa 1,9 mm. Leider ist dieses Objekt im Vergleich zum vorigen recht kontrastarm. Man sollte aber dennoch (im unteren Bildteil besonders deutlich) einige fast kreisrunde Querschnitte erkennen können. In natura wäre dieser Stein einem Meteoriten vielleicht noch ähnlicher als sein Vorgänger, da er recht hell ist und auf angewitterten Flächen mitunter diese kugelförmigen Gebilde auswittern, wie man es von manchen angewitterten Chondriten kennt. Aber da jegliche dunkle Kruste fehlt, besteht eigentlich keine Verwechslungsgefahr. Und so leicht möglich ist das auch schon deshalb nicht, weil dieses Gestein nur an zwei sehr nah benachbarten, aber räumlich kleinen Fundorten in Deutschland überhaupt vorkommt.

Was könnte das sein :gruebel:

Gruß, Holger

Offline Buchit

  • Generaldirektor
  • *
  • Beiträge: 1097
Re: Kleines Meteoritewrong-Rätsel
« Antwort #14 am: Januar 26, 2011, 19:17:46 Nachmittag »
...und hier noch ein Bild in XPL-Beleuchtung...sieht reichlich monomineralisch aus, würde ich meinen :dizzy:

Noch ein Tipp: Es ist kein Sedimentgestein!

Gruß, Holger

 

   Impressum --- Datenschutzerklärung