Autor Thema: Neue Theorie zur CAI Entstehung  (Gelesen 3214 mal)

Offline MarkV

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Neue Theorie zur CAI Entstehung
« am: Januar 29, 2011, 17:15:51 Nachmittag »
Hallo,
bisher dachte man ja, dass Kometen aus dem ursprünglichsten Meterial des Sonnensystems bestehen, da sie nie erhitzt worden sind. Also so eine Art gefrorene Zeitkapsel aus der Frühzeit des Sonnensystem sind.

Nun hat man aber in Proben von Komet Wild, die mit der Stardust-Sonde zur Erde zurückgebracht worden sind,  ähnliches Material gefunden, wie es auch in den gewöhnlichen Chondriten vorkommt, das also schon eine starke Aufheizung (ca. 1500K) durchgemacht hat.
http://www.reuters.com/article/2008/01/26/us-comet-idUSN2537011620080126?sp=true

Nun ist die Frage, wie so stark erhitzte Bestandteile in die Kometen gelangen konnten? Eine Meinung nimmt an, dass diese Bestandteile aus dem inneren Sonnensystem ins äussere transportiert worden sind und dort in den Kometen angereichert wurden.

Eine neue Theorie, Tidal Downsizing hypothesis genannt, vertritt die Auffassung, dass in der allerersten Frühzeit des Sonnensystems in den Aussenbereichen (>50 AU) grosse Planetenembryos ("massive giant planet embryos") aus bis zu 10 Jupitermassen schweren Gas- und Staubwolken entstanden sind. Diese Planetenembryos sind dann nach innen gewandert und haben dabei ihre Gashülle durch Gezeitenkräfte und durch Energieausbrüche, die durch das Zusammenfallen zu einem festen Kern entstanden sind, verloren. In diesen grossen Planetenembryos herrschten im Kern Temperaturen von 1500-2000k. Die stark erhitzten Bestandteile, die beim Kometen Wild gefunden wurden, sollen demach aus den Überresten solcher grossen Planetenembryos stammen. So braucht man keinen komplizierten Prozess, um erhitztes Material vom inneren Sonnensystem in das äussere Sonnensystem zu transportieren, sondern die Aufheizung geschieht direkt in den Aussenbereichen.

Es könnte nun auch sein, dass die CAIs in diesen frühen Gasplaneten entstanden sind. Man muss sich das so vorstellen, dass durch starke Konvektion immer wieder Material vom Kernbereich in die Gashülle abgegeben wird. Die CAIs schweben dann in der Atmosphäre des Planetenembryos. Dann wandert der Planetenembryo weiter in den Innenbereich des Sonnensystems, wobei er seine Gasatmosphäre samt CAIs an die Staubscheibe abgibt. Aus der mit CAIs angereicherten Staubscheibe formen sich dann später die Asteroiden.

Siehe: The Tidal Downsizing hypothesis for planet formation and the composition of Solar System comets
Authors: Sergei Nayakshin, Seung-Hoon Cha, John Bridges http://arxiv.org/abs/1101.1035

Zum Thema Planetenwanderung gibt es auch ein Alpha Centauri Video:
http://www.youtube.com/watch?v=3XyQ_PYEW4E

Grüsse,
Mark  
« Letzte Änderung: Januar 29, 2011, 17:41:06 Nachmittag von MarkV »

Offline boborit

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #1 am: Januar 29, 2011, 17:45:31 Nachmittag »
hallo mark,
sehr informativ, danke dafür! :super:
viele grüße - michael :winke:
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Offline MarkV

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #2 am: Januar 30, 2011, 16:04:45 Nachmittag »
Hallo,
diese Tidal Downsizing Hypothese ist schon ziemlich revolutionär, da sie sagt, dass das Hauptgebiet der Planetenentstehung weit draussen im All, jenseits von 50 AU lag und die Planeten dann nach innen auf ihre heutigen Positionen gewandert sind. Auch die Erde wäre dann bei >50 AU entstanden. Man muss sich das so vorstellen, dass sich die Staubscheibe in zwei Regionen aufteilt. Das Material in der inneren Region fällt in die entstehende Sonne. Jenseits von 50 AU kann sich aber Material zu massiven Ansammlungen zusammenballen. Hier hätte auch ein zweiter Stern oder ein brauner Zwerg entstehen können. Aber dafür hat es nicht gereicht und statt dessen ist das Material in Form von Planeten dann später doch in Richtung Sonne gewandert.

Hier ein langer Artikel zu der Theorie:
http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/12/ein-neuer-blick-auf-die-planetenentstehung.php

Grüsse,
Mark

Offline boborit

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #3 am: Januar 30, 2011, 16:58:19 Nachmittag »
Hallo Mark, :hut:
dann wollen wir mal hoffen, dass wir nicht alle vorhandenen Bücher zu dem Thema wegwerfen müssen... :user:
Eine These macht ja noch keinen Fakt. Aber interessant ist es schon. :super:
Danke dafür - Michael  :winke:
Nur der Himmel und du selbst können dir Grenzen setzen.

Offline Andyr

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #4 am: Januar 30, 2011, 17:17:21 Nachmittag »
Die Theorie, dass CAI´s im Inneren des Sonnensytems produziert wurden und dann durch Sonnenwind o.ä. nach außen transportiert wurden, existiert schon seit ein paar wenigen Jahren.

Offline karmaka

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #5 am: September 16, 2011, 17:23:56 Nachmittag »
Hier ist ein neuer Bericht zum 'tidal downsizing':

Interessant!

http://www.astrobio.net/exclusive/4220/rocky-planets-could-have-been-born-as-gas-giants

 :hut:

Martin

Offline karmaka

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #6 am: Oktober 02, 2014, 16:45:59 Nachmittag »
Neues zu den FUN CAIs:

Calcium-aluminum-rich inclusions with fractionation and unknown nuclear effects (FUN CAIs): I. Mineralogy, petrology, and oxygen isotopic compositions

Alexander N. Krot, Kazuhide Nagashima, Gerald J. Wasserburg, Gary R. Huss,  Dimitri Papanastassiou, Andrew M. Davis, Ian D. Hutcheon, Martin Bizzarro

Geochimica et Cosmochimica Acta
DOI: 10.1016/j.gca.2014.09.027
Available online 2 October 2014

LINK

Zitat
We conclude that FUN CAIs are part of a general family of refractory inclusions showing various degrees of fractionation effects due to evaporative processes superimposed on sampling of isotopically heterogeneous material. These processes have been experienced both by FUN and non-FUN igneous CAIs. Generally, the inclusions identified as FUN show larger isotope fractionation effects than non-FUN CAIs. There is a wide spread in UN isotopic anomalies in a large number of CAIs not exhibiting large fractionation effects in oxygen, magnesium, and silicon. We consider the majority of igneous CAIs to be the result of several stages of thermal processing (evaporation, condensation, and melting) of aggregates of solid precursors composed of incompletely isotopically homogenized materials. The unknown nuclear effects in CAIs are common to both FUN and non-FUN CAIs, and are not a special characteristic of FUN inclusions but represent the spectrum of results from sampling a very heterogeneous medium in the accreting Solar System.

Offline karmaka

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #7 am: November 02, 2018, 09:16:44 Vormittag »
Zum 50. Jahrestag der Entdeckung der CAIs durch Mireille Christophe Michel‐Lévy nun der erste entdeckte CAI im Vigarano-Dünnschliff als 'Cover-Beauty'.

LINK

Ich dachte immer sie wurden erstmals 1970 im Allende-Dünnschliff beschrieben. Im Artikel von Matthieu Gounelle in der aktuellen MAPS-Ausgabe wird es wohl erklärt sein. Ich werde ihn später lesen.

Offline karmaka

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Re: Neue Theorie zur CAI Entstehung
« Antwort #8 am: November 02, 2018, 10:45:29 Vormittag »
In einem am 30.10.1967 übermittelten paper im Bulletin de la Société Française de Minéralogie et de Cristallographie im Frühjahr 1968 hat Mireille Christophe Michel–Lévy die Struktur im Dünnschliff aus dem Muséum National d'Histoire Naturelle in Paris zwar noch als 'gros chondre à mèlilite-spinelle' bezeichnet, aber bereits eine erste Beschreibung und Interpretation vorgenommen. Sie hat u.a. erkannt, dass so eine Struktur noch niemals vorher in einem Chondriten beschrieben wurde und bezeichnet sie als ein 'primary silico‐alumino‐calcic condensate'. Sie beschreibt u.a. titaniferous spinel grains und auch die später (1977) erst benannten Wark‐Lovering rims.

Christophe Michel‐Lévy M. 1968. Un chondre exceptionnel dans la météorite de Vigarano. Bulletin de la Société française de Minéralogie et de Cristallographie 91:212–214.

In dem paper von Marvin et al. von 1970 wurden die CAIs nach Gounelles Meinung also 'wiederentdeckt'.

Marvin U. B., Wood J. A., and Dickey J. S. 1970. Ca‐Al rich phases in the Allende meteorite. Earth and Planetary Science Letters 7:346–350.

 

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