Autor Thema: Pyroklastit?  (Gelesen 4341 mal)

Offline Sprotte

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Pyroklastit?
« am: Oktober 12, 2011, 19:41:35 Nachmittag »
Guten Abend,

ich möchte heute ein kleines, sehr hartes, kaum angewittertes, eiszeitliches Geschiebe (Abmessungen: etwa 4 cm x 3 cm x 3 cm; die Darstellung erfolgt von vier Seiten), wahrscheinlich ein Pyroklastit (Fundort: Nordwestmecklenburg), zeigen. Es besteht zum einen aus einer dichten schlierig-dunkelbraunen Gesteinsschmelze mit wenigen Einschlüssen z.B. in Form kleiner Feldspatkristalle und zum anderen aus einer grüngrauen zementartigen Masse. In dieser befinden sich maximal 0,5 mm große braune kantige Glassplitter mit einem hellen Reaktionsrand, gefrittete sowie an- und verschmolzene Gesteinseinschlüsse (Durchmesser: ca. 1-3 cm; mit einem 1-2 mm breiten Rand aus dunkelbraunem Glas), kleine Feldspatkristalle und kleine glasig wirkende Quarze.

Viele Grüße
Sprotte

Offline Sprotte

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #1 am: Oktober 13, 2011, 18:58:08 Nachmittag »
Anbei noch einige Mikroaufnahmen (die Farben weichen leider ab). Gut zu erkennen ist jedoch der chaotische Aufbaus des Gesteins.

Viele Grüße
Sprotte

Bild 1 und 2: An- und verschmolzener Fremdgesteinseinschluss mit Glaskruste (links) und einschlussführende Grundmasse (rechts),
Bild 3: Gesteinsschmelze (links) und Grundmasse (rechts), beide einschlussführend,
Bild 4: Einschlussführende Gesteinsschmelze.

Offline Sprotte

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #2 am: Februar 20, 2014, 19:32:56 Nachmittag »
Hallo und Guten Abend,

ich habe mir das Geschiebe nochmals bei höherer Vergrößerung und mit einem besseren Auflichtmikroskop angeschaut und dabei einige desintegrierte Alkalifeldspäte gefunden, die jeweils drei parallele Scharen (beim Kristall Nr. 3 im Original deutlich besser als auf dem Foto zu sehen) nicht senkrecht aufeinander stehender rissartiger Strukturen (keine Kratzer) aufweisen, die eindeutige mit farblichen Änderungen der Kristalle selbst korrelieren. Könnte es sich hierbei unter Umständen um Schockeffekte handeln?

Viele Grüße
Sprotte

Abmessungen der Feldspäte (in Mikrometern) jeweils in x-Richtung/y-Richtung: Feldspat 1: 360/430, Feldspat 2: 400/450 und Feldspat 3: 280/240. Die Umgebung der Feldspäte bildet eine schlierige Glasmatrix.

Offline Buchit

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #3 am: Februar 20, 2014, 20:00:09 Nachmittag »
Hallo,

ich würde Schockeffekte nicht ausschließen wollen; aber ich kann mich nicht erinnern, in der Handvoll Pyroklastite, die ich bisher untersucht habe, solche Effekte in den Feldspäten gesehen zu haben. Aber wie gesagt: Das muss nichts heißen... :nixweiss:

Gruß.
Holger

Offline Sprotte

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #4 am: Februar 20, 2014, 20:22:34 Nachmittag »
Hallo Holger,

bei dem Stück bin ich mir auch nicht sicher, ob es sich überhaupt um einen Pyroklastit handelt (daher auch das Fragezeichen), zumal Struktur und Zusammensetzung des Gesteins (inkl. der für schwedische Pyroklastite* ungewöhnlichen Färbung) unter Umständen auch eine andere Deutung zulassen könnten ...

Gibt es Angaben darüber, wie hoch die bei irdischen "exposiven" Vulkanausbrüchen in den Schockwellen auftretenden Drücke maximal sein können.

Viele Grüße
Sprotte

*PS: Aufgrund der Zusammensetzung der Geschiebegemeinschaft am Fundort sind Pyroklastite aus dem Oslo-Graben nahezu auszuschließen.

Offline Buchit

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #5 am: Februar 20, 2014, 21:09:52 Nachmittag »
Hallo Sprotte,

auf die Schnelle ist das nicht so einfach mit den Daten für die auftretenden Drucke. Immerhin habe ich Angaben gefunden, wonach bei phreatomagmatischer Fragmentierung Druckwellen von 20 bis 35 MPa auftreten können.

Jetzt suche ich gerade nach den Daten für das Auftreten von planaren Brüchen in Feldspat :weissefahne:

Gruß,
Holger

Offline Thin Section

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #6 am: Februar 20, 2014, 22:54:50 Nachmittag »
Jetzt suche ich gerade nach den Daten für das Auftreten von planaren Brüchen in Feldspat

Hallo Zusammen,

Gemäß der 4 Stufen der Stoßwellenmetamorphose (nach v. Engelhardt und Stöffler), reicht Stufe 1 aus um in Feldspat planare Deformation zu erzeugen. Stufe 1: Druck an der Stoßfront 100 kb, Temperatur nach Druckentlastung 100°C, Primärgefüge erhalten aber stark mechanisch beansprucht.

In Traces of Catastrophe ist auf Seite 53 (unten links) dies zu lesen:

At pressures < 30 Gpa, sufficient to form PDFs in both quartz and feldspar, the most common shock effects observed in mafic minerals are planar fractures, mechanical twins, and general comminution (Stöffler, 1972); features resembling true PDFs are only rarely observed.

Bernd  :winke:
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Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Offline Buchit

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #7 am: Februar 21, 2014, 09:15:53 Vormittag »
Hallo Bernd,

danke, den Stöffler hatte ich glatt übersehen! Aber damit ist auch klar, dass die genannten Drucke nicht ausreichen - da sind Größenordnungen dazwischen, wenn ich noch richtig rechnen kann. :gruebel: Man wird wahrscheinlich noch etwas tiefer in die Literatur über vulkanische Eruptionen einsteingen müssen...vielleicht sind bei den seltenen, ignimbritischen Ausbrüchen ja noch höhere Drucke möglich... :gruebel:

Gruß,
Holger

Offline JFJ

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #8 am: Februar 21, 2014, 12:19:34 Nachmittag »
Hallo,

ich habe meine Ignimbrite mal unter dem Bino betrachtet.
Die Feldspäte sind z.T. zwar brekziiert, von PDF´s konnte ich jedoch nichts bei mir finden.

Zum gezeigten Gestein:
Könnte das evtl. aus dem näheren Umfeld der "Ostsee-Syenite" stammen (grün-braun)?
ZANDSTR 1999, S. 172, vermutet, dass es eine große Anzahl an Varietäten geben wird.
Eigene Funde konnte ich zwar als Ostsee-Syenit ansprechen, bei weiteren reichte es nur zum Verdacht, gerade wenn diese eine ignimbritische Textur aufweisen.

Bei ignimbritschen Ausbrüchen, wie von Buchit bereits geschrieben, sind die Drücke deutlich höher als bei "normalen" basaltischen Ausbrüchen, da die saure Schmelze zur Oberfläche hin zäher wird und solange den Schlot verstopft, bis die von unten nachrückende Schmelze einen so  hohen Druck erreicht, um den abkühlenden Pfropfen zu sprengen. Ausschlaggebend ist dabei der Gasdruck, welcher sich im Schlot aufbaut, als das Volumen an sich.
Da ignimbritische Explosionen Material durchaus mit Überschallgeschwindigkeit heraus schleudern, könnte ich mir gut vorstellen, dass kurzfristig sehr hohe Drücke möglich sind.
Zahlen zu Explosionsdrücken habe ich leider auch keine.

Gruß
Jörg 

Ich mag Geschiebe, weil sie die entgegenkommendsten Gesteine sind.

Offline Sprotte

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #9 am: Februar 25, 2014, 09:51:15 Vormittag »
Hallo Jörg,

aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes hatte ich an ein Gestein vom Ostseegrund (den sehr variantenreichen (1) Ostsee-Syenitporphyr oder - was weniger bekannt ist - den ebenfalls recht variantenreichen (2) Roten Ostsee-Quarzporphyr* (ignimbritische Formen)) auch bereits gedacht. Allerdings habe ich diese Idee wieder verworfen und zwar aus folgenden Gründen:

Die sehr harte Grundmasse des vorliegenden Geschiebes ist tuffartig und besteht aus zahlreichen kleinen und kleinsten Mineralbruchstücken und -splittern, ebenfalls eckigen braunen 0,5 mm großen Glasbruchstücken sowie zahlreichen kleinen klaren rundlichen, nicht korrodierten Glas- oder Quarzeinschlüssen. Eine trachytische Struktur der Grundmasse wie für alle Varianten des Ostsee-Syenitporphyrs typisch (vgl. Hesemann (1975) und Zandstra (1988)) mit etwa 0,1 mm langen Feldspatleisten konnte also nicht beobachtet werden. Für den Roten Ostsee-Quarzporphyr - auch für seine ignimbritische Formen - sind sehr eckige (auch splitterförmige), oft stark korrodierte Quarzeinsprenglinge maßgeblich (die zudem auch der äußeren Form nach oft Tiefquarz entsprechen mit quadratischen bis rhombischen Querschnitten; siehe Bild unten: das Geschiebe (ca. 3,5 cm x 3 cm x 2,5 cm) ist petrographisch identisch mit dem untersten Geschiebe auf http://www.kristallin.de/Ostsee/Roter_Ostsee-Quarzporphyr/Roter_Ostsee-Quarzporphyr.htm#1).

Viele Grüße
Sprotte (Ralf)

*Anmerkung:
Bei extremen Varianten erinnert auf den ersten Blick wenig an Roten Ostsee-Quarzporphyr (Jong (2004); siehe auch: http://www.kristallin.de/Ostsee/Roter_Ostsee-Quarzporphyr/Roter_Ostsee-Quarzporphyr2.htm#1).

Literatur:
J. Hesemann: Kristalline Geschiebe nordischer Vereisungen. Geologisches Landesamt Nordrhein-Westfalen, Krefeld (1975)
J.G. Zandstra: Noordelijke kristallijne gidsgesteenten. Brill, Leiden (1988)
J. de Jong: Rode oostzeekwartsporfier - Niet simpel en saai, maar vormenrijk en fraai. Grondboor & Hamer 5 (2004) 113-115

Offline JFJ

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #10 am: Februar 25, 2014, 16:49:58 Nachmittag »
Hallo Ralf,

hmmm ... schwer zu sagen. Was anderes als Ostseegrund fällt mir dazu nicht ein.
Die Ähnlichkeit zu dem Gestein auf Matthias Seite ist schon sehr groß.
Habe allerdings auch noch einiges ähnliches im Schuppen liege, um das ich in Abständen immer mal wieder rumschleiche.
Habe mal ein Bild angehängt, bei dem ich mir auch unsicher bin.
Hat zwar die für QP winzigen Splitter, doch die werden abnehmend so klein, dass sie mit dem Bino (30x) nicht mehr zu erfassen sind.
Eine typisch ignimbritische Struktur vermag ich darin nicht zu erkennen.
Da die Brösel immer kleiner werden, hatte ich sogar schon eine Brekzie von Neugrund gedacht:
http://www.geoeducation.info/geoturism/randrahnud/neugrund.jpg  :weissefahne:
Obwohl, eine gewisse Ähnlichkeit ...

Eine Einordnung als Roter-Ostsee-Quarzporphyr fällt mir schwer, da das Gestein eigentlich kein Porphyr sondern eine Brekzie ist.
Was denkst Du darüber?

Beste Grüsse
Jörg

PS
Conny und ich können dieses Jahr nicht mit nach Ratzeburg kommen  :traurig:
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Offline Sprotte

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #11 am: März 03, 2014, 16:03:05 Nachmittag »
Hallo Jörg,

ich würde dein Geschiebe auch nicht in einen genetischen Zusammenhang mit der Gruppe der Roten Ostsee-Quarzporphyre stellen wollen, da es keinerlei Anzeichen gibt, die eine derartige Zuordnung rechtfertigen würden (keine Feldspat- und Quarzeinsprenglinge; die auch in kleinen Geschieben immer vertretenenen, teilweise resorbierten Xenolithen von Basalt fehlen ebenfalls völlig).

Leider habe ich auch keine Ahnung, wie diese Brekzie nun einzuordnen ist - als vulkanische Brekzie und vielleicht doch als das Resultat eines Impakts ...

Viele Grüße
Ralf (Sprotte)

Offline JFJ

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Re: Pyroklastit?
« Antwort #12 am: März 03, 2014, 16:14:51 Nachmittag »
Hallo Ralf,

danke für die Antwort.

Leider habe ich auch keine Ahnung, wie diese Brekzie nun einzuordnen ist ...
Das ist besser als wenn Du sagen würdest: Du Trottel, das ist doch die ... kennste die nich?  :laughing:

Beste Grüsse
Jörg
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