Autor Thema: Benesov - alter Fall, neues Glück  (Gelesen 6256 mal)

Offline KarlW

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Benesov - alter Fall, neues Glück
« am: Mai 20, 2012, 10:38:35 Vormittag »
Ein schönes Beispiel dafür, daß es lohnt, immer nochmal genauer nachzuschauen:

http://www.lpi.usra.edu/meetings/acm2012/pdf/6143.pdf

 :applaus:

Grüße
Karl


Offline gsac

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #2 am: Mai 20, 2012, 11:47:35 Vormittag »
Ein schönes Beispiel dafür, daß es lohnt, immer nochmal genauer nachzuschauen:

http://www.lpi.usra.edu/meetings/acm2012/pdf/6143.pdf

 :applaus:

Grüße
Karl

Sehr beeindruckend!  :super:
Alex

[PS: wie würdest Du eigentlich Geislingen in dieser Hinsicht nachträglich beurteilen, Karl?
]

Offline KarlW

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #3 am: Mai 20, 2012, 13:52:32 Nachmittag »

[PS: wie würdest Du eigentlich Geislingen in dieser Hinsicht nachträglich beurteilen, Karl?
]

Hallo Alex,

im Vergleich zu unserem Fall auf der Alb war Benesov gewaltig (um 1-2 Größenordnungen mehr Masse) und wegen des steilen Fallwinkels gut lokalisiert. Nachdem bei unserem Fall aufgrund der großen Endhöhe klar war, daß nur sehr kleine Stückchen den Boden erreicht haben, wurde die Winddrift zum maßgeblichen Faktor. Und da lag der Fallzeitpunkt leider unglücklich zwischen den Zeiten der lokalen Sondenaufstiege. Die nächstgelegene Sondierung zwischendrin (Kümmersbruck) nährt den Verdacht, daß da etwas durchgezogen ist, was zu einer Verlagerung um mehrere Kilometer gereicht hätte. Um das einzufangen, hätten wir ein lokales Windmodell aus dem großen Wettercomputer gebraucht, an das wir aber nicht rangekommen sind. Wenn wir das heute bekämen, wären die Chancen trotzdem nicht berauschend. Man erinnere sich: Wir haben damals auf den überwiegend  landwirtschaftlichen Flächen zum Teil vor dem Pflug her gesucht.

Daß die tschechischen Freunde diesen phänomenalen Coup landen konnten, liegt bestimmt auch daran, daß wir im letzten Jahrzehnt mehr Erfahrung im Umgang mit Winddrift und Formfaktoren und Routine bei den Berechnungen gesammelt haben.

Aber es gibt bestimmt noch den einen oder anderen Fall im Fundus, über den man nachdenken könnte (Pribram-Hauptmasse?).

Grüße
Karl

Offline gsac

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #4 am: Mai 20, 2012, 14:07:51 Nachmittag »
Danke, Karl, profunde Antwort, wie nicht anders von Dir zu erwarten!  :super:

(Dann ist das wenige, was bei Geislingen gelandet sein mag, letztlich unter den
Pflug gekommen - schade eigentlich, aber that´s life, so isses nun mal, das es
die Erde sich einverleibt hat. Dieses passiert allerdings seit Urzeiten stets auch
ohne den Menschen, wenn das jetzt und hier ein schwacher Trost sein kann...)

:einaugeblinzel: Alex

Offline Hungriger Wolf

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #5 am: Mai 20, 2012, 14:10:25 Nachmittag »

Offline herbraab

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #6 am: Mai 20, 2012, 18:29:53 Nachmittag »
Ganz tolle Sache!  :super:

Aber wieso bekommt der Fund zwei Namen (Benešov (a) und Benešov (b)) wenn das Material doch von einem Fall stammen soll...?  :nixweiss: :gruebel:

:hut:
Herbert
"Daß das Eisen vom Himmel gefallen sein soll, möge der der Naturgeschichte Unkundige glauben, [...] aber in unseren Zeiten wäre es unverzeihlich, solche Märchen auch nur wahrscheinlich zu finden." (Abbé Andreas Xaverius Stütz, 1794)

Offline erich

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #7 am: Mai 20, 2012, 20:43:01 Nachmittag »
 :gruebel: Wird sicher schon alles authentisch sein. Andererseits taucht eine global bedeutungsvolle Frage auf: Wie will man restlos ausschließen, dass in einem Suchgebiet von irgendeinem "Spaßvogel" fremdes Material wie etwa aus NWA hin gestreut wird, sei es nun aus reinem Jux, oder aber um dieses Material - auch etwaige Nachfunde - sozusagen zu "patriieren"?  :gruebel: :nixweiss:
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Offline KarlW

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #8 am: Mai 21, 2012, 11:26:03 Vormittag »
:gruebel: Wird sicher schon alles authentisch sein. Andererseits taucht eine global bedeutungsvolle Frage auf: Wie will man restlos ausschließen, dass in einem Suchgebiet von irgendeinem "Spaßvogel" fremdes Material wie etwa aus NWA hin gestreut wird, sei es nun aus reinem Jux, oder aber um dieses Material - auch etwaige Nachfunde - sozusagen zu "patriieren"?  :gruebel: :nixweiss:

Na ja, ich bin da im Allgemeinen nicht sonderlich pessimistisch. Es ist eine Sache, Arglosen in ebay etwas unterzujubeln. Eine Fälschung mit wissenschaftlicher Qualität ist die andere. Das ist ein bißchen wie auf dem Kunstmarkt. Angesichts der fortgeschrittenen Analysemethoden bräuchte es dafür ausgesprochene Experten mit viel Insiderwissen. Die machen so etwas nicht (einzelne extreme Exzentriker nicht ausgeschlossen). Und die, die auf solche Ideen kommen könnten, haben es eher nicht drauf.
Im Speziellen ist die Truppe um Pavel Spurny und Jiri Borovicka über jeden Verdacht erhaben. Der Fall Benesov ist eine weitere originelle Pionierleistung.

@ Herbert:
Die Unterscheidung nach a und b ist einfach eine sehr saubere vorsichtige Herangehensweise angesichts der zwei sehr verschiedenen Lithologien. Die genaue Eingrenzung des terrestrischen Alters über die kurzlebigen kosmogenen Nuklide ist nach 20 Jahren bei den kleinen Proben wohl kaum noch drin. Auf der anderen Seite dürfte die Wahrscheinlichkeit, im engen Benesov-Fallgebiet zwei unabhängige Funde im oberen Ackerboden zu machen, jenseits von Gut und Böse sein. Ich habe es nicht abgeschätzt, aber anderenfalls würde ich umgehend zum Ganztags-Sondengänger.
Am Ende wird die Interpretation der tschechischen Freunde wohl Bestand haben, daß es sich um einen Fall aus einer wild gemischten Brekzie handelt. Spätestens seit Almahatta Sitta muß das niemand mehr für abwegig halten.

Grüße
Karl

Offline erich

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #9 am: Mai 21, 2012, 12:56:29 Nachmittag »
Ich habe mich vermutlich unklar ausgedrückt: Du kannst gern Pessimismus in unsere Aussagen hinein interpretieren, jedoch entspricht das von Dir betonte ja genau dem, was ich gesagt/geschrieben habe (dass die 100% integeren Wissenschafter Sburny et al natürlich - wie auch jeder, der sie kennt, weiß, über jeden Verdacht absolut erhaben sind). Ich wollte auf etwas ganz anderes viel komplexeres (als das von Dir in meiner Frage zu erkennen geglaubte) hinaus. Dies ging wohl beim raschen Lesen, gleichzeitig mit Verlaub oberflächlichem Interpretieren synchron zu meiner zu undeutlichen und unakzentuierten Ausdrucksweise meiner Frage unter. :hut:
Ich werde mich bemühen meine komplexen Fragen (die einfacheern vermag ich schon selbst zu beantworten) in Zukunft verständlicher (interpretations-unabhängiger) zu formulieren
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Offline KarlW

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #10 am: Mai 21, 2012, 14:35:01 Nachmittag »
Lieber  Erich,

es stimmt schon: Ich habe die Komplexität der Frage nicht wahrgenommen.
Ich wollte eigentlich nur sagen, wie erfreulich ich es finde, daß ähnlich wie in der Kunst sich dank verfeinerter Methoden heute kein Fälscher mehr sicher fühlen kann.
Jede weitergehende Interpretation lag mir fern.  :weissefahne:

Beste Grüße
Karl


Offline karmaka

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #12 am: Mai 22, 2012, 20:40:51 Nachmittag »
...ein Versehen, diesen Beitrag bitte löschen. Danke!

Offline herbraab

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #13 am: Mai 23, 2012, 00:08:12 Vormittag »
Am Ende wird die Interpretation der tschechischen Freunde wohl Bestand haben, daß es sich um einen Fall aus einer wild gemischten Brekzie handelt. Spätestens seit Almahatta Sitta muß das niemand mehr für abwegig halten.

In diesem Lichte ergibt die Tatsache, dass Neuschwanstein (EL6) und Pribram (H5) eine nahezu identische Umlaufbahn um die Sonne hatten, wohl auch wieder mehr Sinn, nicht wahr? Kurz nach dem Neuschwanstein-Fall wurde aufgrund der unterschiedlichen Klassen ja eher die Hypothese favorisiert, dass die Ähnlichkeit in den Bahnen nur Zufall gewesen sei. (Das war zumindest mein subjektiver Eindruck - ich habe jetzt nicht nachgezählt, wie viele Paper die eine oder die andere Möglichkeit vertreten haben...)

:hut:
Herbert
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Offline KarlW

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Re: Benesov - alter Fall, neues Glück
« Antwort #14 am: Mai 31, 2012, 11:15:46 Vormittag »
In diesem Lichte ergibt die Tatsache, dass Neuschwanstein (EL6) und Pribram (H5) eine nahezu identische Umlaufbahn um die Sonne hatten, wohl auch wieder mehr Sinn, nicht wahr?

Ja, das denke ich auch. Ich habe noch im Hinterkopf, daß die Wahrscheinlichkeitsbetrachtung sehr eindrucksvoll für einen Zusammenhang der Orbits sprach. Überhaupt spielen solche Wahrscheinlichkeiten eine ziemliche Rolle. Im aktuellen Fall Benesov ist es so. Und auch bei den Impaktoren von Ries und Steinheim ist es im Rahmen der zeitlichen Unschärfe sehr unwahrscheinlich, daß beide nichts miteinander zu tun hatten; man muß sich da einen 1km großen Asteroiden vorstellen, der von einem zehnmal kleineren "Mond" umkreist wurde. Und letzterer war nach Buchner et al. womöglich ein Eisen.
Von solchen gravitativ gebundenen Systemen über die Schutthaufen bis zu unseren wild zusammengesetzten meteoritischen Brekzien: Alles zeigt, daß unser Sonnensystem von Anfang an eine wirkungsvolle Mischmaschine ist.
Man kennt inzwischen ja eine ganze Reihe von asteroidalen Zwei- und Mehrfachsystemen. Da wäre es interessant, ob es da z.B. aus spektralen Analysen Beispiele für unterschiedliche Zusammensetzung der beteiligten Körper gibt. Ich habe nichts parat, aber wie ich Martin einschätze, kommt er wie üblich, schneller als sein Schatten, gleich mit der einschlägigen Literetur rüber.   :einaugeblinzel:

Grüße
Karl

 

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