Autor Thema: Eine kurze Einführung in die Geschiebekunde  (Gelesen 2011 mal)

Offline JFJ

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Eine kurze Einführung in die Geschiebekunde
« am: Mai 27, 2013, 08:35:55 Vormittag »
Faszination Strand
Von Stränden geht seit jeher eine besondere Faszination aus. Kaum jemand kann sich dem entziehen. Kennen Sie das, kaum am Urlaubsort angekommen, und "schnell mal runter zum Strand"? Dann geht es Ihnen wie den meisten Menschen. Aus psychologischer Sicht werden wir an Ständen und Küsten mit zwei Ambivalenzen konfrontiert, die tief in unserem Unterbewusstsein verankert sind: Die Endlichkeit der Landschaft und die damit verbundene Empfindung an einem Ende zu stehen, und der abstrakten Unendlichkeit, die unerreichbar für uns dahinter liegt. Wir stehen somit nicht nur an einer tatsächlichen Grenze, an der sich die Elemente treffen, sondern auch an einer emotionalen, die uns mit unserem Innersten konfrontiert. Und von diesem Erlebnis möchte man sich ein bleibendes Souvenir mit nach Hause nehmen. Irgendetwas gibt dort immer zu finden.

Die Eiszeiten
Die Gesteine, die wir an den Küsten von Nord- und Ostsee finden, in großen Mengen vor allem in Dänemark und im übrigen Skandinavien, stammen bis auf wenige Ausnahmen nicht vom Fundort, sondern wurden über weite Entfernungen von eiszeitlichen Gletschern dorthin geschoben. Bei einem Gesteinsimport durch glaziale (eiszeitliche) Gletscher, spricht man von Geschieben. Bei einem Transport durch Flüsse, von Geröllen.
Drei große Eiszeiten, die im geologischen Terminus Kaltzeiten genannt werden, sind für Geschiebesammler von besonderem Interesse.

Elster-Kaltzeit oder Elsterglazial
Beginn vor 400000 Jahren, Ende vor 320000 Jahren.

Saale-Kaltzeit oder Saaleglazial
Beginn vor 300000 Jahren, Ende vor 130000 Jahren.

Weichsel-Kaltzeit oder Weichselglazial
Beginn vor 115000 Jahren, Ende vor 11700 Jahren.

Alle Gletscher dieser Kaltzeiten folgten bestimmten Wegen, die sich anhand von Geschiebefunden nachverfolgen lassen. Die mächtigsten Gletscher entstanden während der Elster- und Saale-Kaltzeiten, deren Eismassen sich bis weit nach Norddeutschland hinein ausdehnten. Die Saale-Kaltzeit erstreckte sich bis an Gebiete der Saale, die Elster-Kaltzeit bis Gebiete welche die Elster durchfließt. Jetzt wissen sie auch, wie die Kaltzeiten zu ihren Namen kamen. Die Zentren der gut 3000 Meter dicken Eispanzer lagen zu Beginn der Kaltzeiten über dem südlichen Norwegen. Von dort bewegten sich die Gletscher sternförmig in alle Richtungen fort. Durch den immensen Druck der 3 Kilometer starken Eisdecke auf die Basis, verflüssigte sich das Eis darunter, und bewegte die Gletscher mit einer Geschwindigkeit von 30 Meter bis 7,5 Kilometer pro Jahr vorwärts.
Eine Besonderheit in der Geschiebekunde stellt der Richtungswechsel des Eises von Finnland ausgehend dar. Der Weg des Eises änderte auf der Höhe von Bornholm seine Richtung von SW auf NW, weshalb sogar im Norden Dänemarks mit etwas Glück Finnische Geschiebe gefunden werden können.

Denken wir uns eine Linie vom Norwegischen  Ort Hamar, wo in etwa die südliche Begrenzung der Zentren der Kaltzeiten in Norwegen lag, bis hin zur südlichen Jammerbucht in Dänemark, wird diese Strecke die Region um Oslo schneiden. Folglich werden wir an den Stränden der Jammerbucht Geschiebe mit Herkunft aus der Oslo-Region finden. Durch die Richtungen, welche die Eisvorstöße genommen haben, erhalten wir einen ersten Anhaltspunkt auf die Herkunft eines Gesteins. Aus dem Gesteinsverband, dem Anstehenden, werden durch die Krafteinwirkung des Eises kleinere oder größere Brocken herausgerissen und wie in einer Steintrommel schön rund geschliffen zu uns geschoben.

Ist das Anstehende bekannt und begrenzt sich auf lokale kleine Vorkommen, werden die von dort importierten Gesteine als Leitgeschiebe bezeichnet. Aber auch nur dann, wenn die Gesteine im Anstehende nur dort vorkommen, und nicht an anderer Stelle mit gleichem Gefüge ebenfalls zutage treten.  In diesen Fällen ist eine Herkunft nicht sicher.

Die Festlegung der Grenzen des südlichen Ausdehnungsgebiets von Gletschern wird anhand der so genannten Feuersteinlinie markiert, da  in den meisten Teilen Deutschlands Feuerstein nicht vorkommt. Die heutigen Feuersteinvorkommen wurden durch das skandinavische Inlandseis aus Sedimenten der Kreidezeit mit den Gletschern zu uns geschoben.
Da sich die Ausdehnungsgebiete der Saale-Kaltzeit mit denen der Elster-Kaltzeit überschnitten, gilt in Deutschland, als südlichste Grenze der Vereisungen, eine Linie die von der Nordsee ausgehend die Niederlande durchquert, nördlich des Teutoburger Waldes verläuft, am Westharz entlangführt, und relativ gerade nach Osten abweicht. Hierzu seien folgende Städte als Markierungspunkt genannt:
Düsseldorf – Hameln – Werningerode – Nordhausen – Gotha – Erfurt – Chemnitz.


« Letzte Änderung: Mai 27, 2013, 10:22:16 Vormittag von JFJ »
Ich mag Geschiebe, weil sie die entgegenkommendsten Gesteine sind.

 

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