Dass Minik jedoch später dem Skelett seines Vaters an einer Vitrine im NHM gegenüber standen haben soll, stimmt nicht. Der Zeitungsbericht (siehe Foto 4) ist wohl eher fiktiv zu verstehen. Tatsächlich hat das NHM schon damals gegenüber dem Argwohn „gemauert“ und die Artefakte im Keller gebunkert.
Wahr ist hingegen, dass der jugendliche Minik im Interview Morddrohungen gegen Peary geäußert hat. Ist ja auch verständlich: Schließlich hatte Peary den 6 Eskimos doch Versprechungen gemacht. Auf die verzweifelten Briefe Miniks hat er aber nicht geantwortet. Er hat sich halt einen Sch... drum geschert...
Fazit:
Ob seiner unablässigen Tatkraft - alles im Dienste der Pol-Mission – muss man Peary sicher größten Respekt zollen. Die Lebensleistung – ungeachtet der moralischen Beurteilung – ist herausragend.
Seine charakterlichen Qualitäten und das zugrunde liegende Menschenbild hingegen werfen kein gutes Licht auf ihn.
Sicherlich muss man ihn aber auch – relativierend - aus seiner Zeit heraus verstehen: Menschenrechte für ethnische Randgruppen waren damals noch kaum thematisiert...
Dennoch: Ich meine, dass schon aus dem rein zwischenmenschlichen Agieren Pearys ein mieser Charakter durchscheint. Immerhin waren die in New York abgegebenen Eskimos auch seine treuen Gefährten im Abenteuer um die Polentdeckung gewesen. Geht man so mit seinen Leuten um?
Liebe Grüße (Weiteres – über das "Snow-Baby" -folgt)
Gerhard
p.s.: Noch mal zu „The Knife“:
Der Untertitel „The Crime, that changed a Civilisation“ ist anscheinend auf die Erstkontakte der Polar-Eskimos mit Walfängern und Abenteurern (wie Peary) gemünzt.
Man bedenke die damaligen Lebensumstände der Eskimos: Die haben am absoluten Limit operiert. Da konnte in der Polarnacht durchaus schon mal – je nach Jagdglück -ein Viertel der Population auf der Strecke bleiben. Das ging mitunter bis hin zum Kannibalismus!
Metall war den Eskimos bis dahin völlig unbekannt. Bis auf die Meteoriten allerdings, aus deren mühsam herausgeschlagenen Bruchstücken man sich Sägezahnmesser bastelte...
Im Roman kommen dann die ersten Fremdeinflüsse ins Spiel: Walfänger tauschen Messer (scharfe Messer aus einem Stück!!!) gegen Pelze. Rivalitäten zwischen den Eskimo-Jägern um die Messer brechen aus. Nichts ist mehr so, wie zuvor.
Das meint der Autor wohl mit dem „Crime“.
Das war übrigens das erste englischsprachige Buch, dass ich ganz durchgelesen habe. Angesichts der vielen Wörter und Namen in der Eskimosprache ein wirklich dickes Brett für mich! Ich fand es aber bis zur letzten Zeile spannend. Hat sich gelohnt.
Mit Pearys Erscheinen bei den Polar-Eskimos (wenige hundert nur) verhält es sich ähnlich wie im Roman: Er verpflichtete die erfahrenen Jäger für seine Expeditionen und versorgte im Gegenzug deren Clan in einem Basislager (geradezu caritativ) mit Proviant. Im Zuge dieser neuen Zeit sackte er – en passant – noch die Meteoriten ein.
In einer Umgebung, in der 45-jährige schon als betagt gegolten haben, ging damit schon in diesen wenigen Jahren ein Großteil der Überlebenstechniken der Eskimos rasch verloren. Es entstand ein Abhängigkeitsverhältnis.
Bei der Pol-Eroberung stellten die Eskimos immerhin drei Viertel des Personals. Nach seinem Erfolg allerdings hat sich Peary für immer verpisst. Nach Zeugenaussage seines schwarzen Dieners war eine vor die Füße geworfene Kiste mit Schiffszwieback das letzte, was Peary den - nun kaum noch autarken - Eskimos hinterlassen hatte. Schade so was...