Autor Thema: Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin  (Gelesen 4833 mal)

Labrador

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Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin
« am: Juli 05, 2009, 20:37:28 Nachmittag »
Hallo zusammen,

da bin ich ma wieder - seit längerem. Als "Neueinstieg" wieder was über Berlin. Ich hatte zwar schon Sachen über die Stadt geschrieben, aber habe trotzdem mal wieder was neues zusammengemärt. Mal so als knappe Übersicht, was es so alles gibt hier (oder sollte ich sagen: gab?). Alsdann, für den Freund mehrerer aneinandergereiter Buchstaben: viel Freude damit!

Gruß
Andreas

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Berlin - eine Betrachtung der Großstadt aus sammlerischer Sicht

Berlin, mitten in der "Märkischen Streusandbüchse" gelegen, ist, sammlerisch gesehen, scheinbar Niemandsland. Während das Nachbarland Brandenburg noch Festgesteine, wie den Muschelkalk von Rüdersdorf aufweisen kann, beschränkt(e) sich das Sammeln innerhalb der Stadtgrenzen von jeher auf Geschiebe auf/in Kiesgruben, Ackerflächen und Bauaufschlüssen.
Einst...

Zu früheren Zeiten kamen, besonders im isolierten Westteil der Stadt, die Fossiliensammler durchaus auf ihre Kosten. In den 50er, 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts lieferten die bekanntesten Kiesgruben Hafemeister zwischen Gatow und Kladow, Spektefeld in Spandau und weitere, kleinere Lokalitäten wie die Grube am Zabel-Krüger-Damm in Reinickendorf (längst überbaut) oder die kleine Grube in der Nähe des Kurt-Schumacher-Damms (heute Gelände des Munitionsdepots einer Kaserne) mannigfaltige Fossilien wie Graptolithen, Schnecken, Muscheln, Schwämme und dergleichen mehr. Im Ostteil war besonders die Sandgrube am Seddinberg bei Müggelheim bekannt. Sie baute auf dem Rixdorfer Horizont und lieferte selten gute Funde fossiler Knochen von Mammuts und anderen Tieren. Eine weitere Grube lag in den Müggelbergen, in Müggelheim selbst exisitierten in den sogenannten Apfelbaumstücken zwei kleine Tongruben (eine davon ist als verwachsene Senke heute noch zu erkennen). Kleine Feuersteinwerkzeuge und Abschläge ließen sich an einer Badestelle in Schmöckwitz finden. Das Naturlehrkabinett am Teufelsfenn ganz in der Nähe des Mügelsees informierte schon zu DDR-Zeiten auch über die Geologie der Umgebung

Die Typuslokalität der Schichtenzone "Rixdorfer Horizont", die Sandgrube in den Rollbergen von Rixdorf (heute Körnerpark im Stadtteil Neukölln) gehört einer noch früheren Epoche des Sammelns und der geologischen Betrachtung in Berlin an. Die großen Bauprojekte in den Jahren vor 1900 schlossen den Rixdorfer Horizont (heute nur noch reliktisch in der erwähnten Grube Seddinberg sowie, dicht vor den Toren der Stadt in Niederlehme zu finden) überall auf. Der Aushub des Landwehrkanals lieferte schöne Knochenfunde und sehr große Bernsteine bis über 10 cm, fast alle großen Bauvorhaben (eingeschlossen der Reichstag) brachten Bernsteinfunde von teils ausgezeichneter Größe und Qualität hervor, heute längst vergessene Kiesgruben wie jene am Kreuzberg und, nicht weit entfernt, jene "am Dustern Keller" auf dem Templower (Tempelhofer) Berg waren geologisch berühmte Fundorte, die teilweise Material für Erstbeschreibungen von Knochen lieferten. Weiter nördlich waren die Rupeltongruben von Hermsdorf und Lübars Anlaufpunkte für Erforscher und Sammler von Kleinfossilien (Foraminiferen), von denen einige ihre Typlokalität hier haben.

Bis auf die Bernsteinfunde waren aber von jeher Mineralien noch weitaus unterrepräsentierter als Fossilien. Einigen Wirbel in der Fachpresse verursachte der Nachweis der Glazialgoldtheorie anhand von Funden in Spandau und an anderen Orten. Auch tauchen hin und wieder Anekdoten und "Sammlerlatein" auf. So soll in besagter Grube in Spandau einmal ein größeres Stück Kieselschiefer gefunden worden sein, welches auf der Kluftfläche komplett mit Wavellit-Sonnen besetzt gewesen sein soll. Die relativ große Kiesgrube Arkenberge in Pankow soll einstmals ein wahres Eldorado für Geschiebesammler gewesen sein. Es wird von Rauchquarzkristallen, recht großen Granaten und fingerstarken Schörlen berichtet...
...und heute

Große Bauvorhaben liefern auch heute noch gute Funde, wenn die alten "geschichtsträchtigen" Schichten noch einmal angeschnitten werden. So sind im Bereich des SONY-Centers am Potsdamer Platz kopfgroße Bernsteinfunde und faustgroße Pyrit-Knollen verbürgt. Und die ehedem bekannten Kiesgruben? Die Werke "Parey" und "Vehring&Waechter" in Spandau sind heute Seen. An sie erinnert ein Straßenname: Am Kiesteich. Die Sandgrube Seidelstraße in Tegel ist heute der Flughafensee. Die Grube Hafemeister ist, wie eigentlich alle der kleinen Gruben im Westteil überbaut: der Tempelhofer Berg ist als solcher mitten im multikulturell geprägten Siedlungsgebiet nicht mehr zu erkennen, wie auch der Kreuzberg im gleichnamigen Stadtteil schon fast ganz dem Abbau zum Opfer gefallen ist. Im Grunewald exisiteren noch die Restlöcher der beiden Gruben am Postfenn. Zeugnis der Tongruben um Hermsdorf ist der düstere Ziegeleisee. Im Osten verwächst die Grube am Seddinberg immer mehr, an den Arkenbergen hat sich eine Mülldeponie neben dem Badesee niedergelassen, kleinere Gruben wie am Stener Berg bei Buch fallen dem Vergessen anheim.

Jüngste Sammelaktivitäten konzentrieren sich auf das Schwermineralwaschen. Dabei wird auf die verschiedentlich noch exisitierenden Baggerseen zurückgegriffen. Es wurde mittlerweile vermehrt Gold nachgewiesen. Auch die Seen im Stadtgebiet werden beprobt. Allen voran der Müggelsee. Schon im mittlerweile klassischen "Vollstädt" wird von Monazit-Funden berichtet, das Mineral lässt sich auch noch heute (unter Zuhilfename eines Geigerzählers) gut im Schlich feststellen. Schöne Kristalle von Almandin, Magnetit oder Zirkon erfreuen das Sammlerherz - und nicht zuletzt das Gold!

Mit dem Wegfall der Insellage Westberlins verlagerten sich die Sammeltätigkeiten der ansässigen Mineralien- und Fossilienfreunde in weiter entfernte Regionen. Was sich eben noch vor der Haustür fand, konnte man nun - in besserer Form - relativ einfach auch anderswo entdecken. Die Bebauung ließ die meisten Gruben verschwinden, der Ausbau großer Kieswerke vor der Stadt machte sie zudem unrentabel. An sie erinnern, wenn, dann nur noch Seen. Und das auch nur, wenn man weiß, wo die Gruben mal waren. Die Sammlergeneration, die dieses Wissen hält, stirbt aus...


Offline Mettmann

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Re: Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin
« Antwort #1 am: Juli 05, 2009, 21:16:30 Nachmittag »
Aber Labrador...

würde Berlin heute immer noch so aussehen

http://media.ebaumsworld.com/mediaFiles/picture/374924/701562.jpg

das wär doch auch nicht schön.


Es ist warm, hopp raus an den Baggersee und zünftig gegrillt!

 :prostbier:
Mettmann
"If any of you cry at my funeral,
I'll never speak to you again."
(S.Laurel 1890-1965)

Labrador

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Re: Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin
« Antwort #2 am: Juli 06, 2009, 11:13:45 Vormittag »
Hallo,

ja, und nebenbei werden noch Zirkone und Gold gewaschen :laughing:

Gruß
Andreas

Topas

  • Gast
Re: Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin
« Antwort #3 am: Juli 07, 2009, 16:35:52 Nachmittag »
Kopf hoch,Labrador,wat soll ich denn sagen hier in Wittenberg :gruebel:
Schau mal,gesoffen,gegessen,gef...... und gebaut wird immer.
Ich als alter sächsischer Sammler steh hier völlig auf dem Trockenen. Hier ist zu wenig mit Bau,als das sich was neues auftäte. Ich bin froh, wirklich froh, Gold gefunden zu haben :laughing:
In Berlin tut sich sicher noch einiges und das heist,Augen auf(im Verkehr) :einaugeblinzel:
 :hut: noch´n Andreas

Peter5

  • Gast
Re: Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin
« Antwort #4 am: Juli 08, 2009, 08:43:46 Vormittag »
Hallo Topas,

Zitat
Hier ist zu wenig mit Bau,als das sich was neues auftäte. Ich bin froh, wirklich froh, Gold gefunden zu haben

Na, dann komm erst mal zu uns nach Hessen und insbesondere in die Großstadt. Da wo ich herkomme ist die ganze Stadt zur Zeit nur noch eine einzige Baustelle!  :crying:..und das finde ich gar nicht lustig.. früher hatte ich auch noch einigermaßen die Übersicht über die Baustellen als potentiell reichhaltige Aufschlüsse und konnte dann z.B. auch mal mit Hilfe eines Baggerführers heimische Baryt- und Markasitfunde für mich und damit auch für andere sichern etc. etc.. :laughing:.. die Zeiten sind vorbei.. :traurig:..heute ist Baustelle nur noch gleich Baustelle und das ist gleichbedeutend mit Dreck, vollgestopften Bürgersteigen und Straßen, das man kaum mehr weiß, wo man lang gehen soll und dass ich momentan langsam sowas von einem Praß auf bestimmte Tiefbaubehörden habe, denn voran geht es überhaupt nicht und mich beschleicht wieder mal der Verdacht, dass evtl. die Hälfte wieder mal nur reine ABM für eine geschönte Arbeitslosenstatistik sind... :ehefrau:

Hallo Andreas,

Zitat
Dabei wird auf die verschiedentlich noch exisitierenden Baggerseen zurückgegriffen.

Bei uns gar keine vorhanden; in Köln kenne ich zumindest einen Baggersee. :gruebel:

Gruß Peter5 .. :winke:

Labrador

  • Gast
Re: Sammlerisch-wehmütig-philosophischer Blick auf Berlin
« Antwort #5 am: August 31, 2009, 14:12:36 Nachmittag »
Verschiedene Flintwerkzeuge und -abschläge (bis 3 cm Länge) von Schmöckwitz

Diese Calcitdruse mit hübschen Markasittäfelchen wurde beim Bau eines Einkaufsmarktes in Berlin-Hellersdorf gefunden (8 cm hoher Ausschnitt)

 

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