Hm, die Fragen und persönliche Mitteilungen zu dem Thema reißen nicht ab ...
Nun also zu meiner persönlichen Meinung, ob das Steinheimer Becken und das Nördlinger Ries gleichzeitig oder durch zwei unabhängige Impaktereignisse entstanden sind:
Natürlich habe ich mir die Publikation von Buchner et al. (2020, 2021) durchgelesen und mir so meine Meinung gebildet. „nature research“ ist schon ziemlich weit oben aufgehängt. Allerdings ist keiner der drei Autoren ein wirklich anerkannter Sedimentologie. Zudem gab es von Herrn Buchner immer wieder sehr bemerkenswerte Hypothesen, Theorien und Papers (z. B. antiker Meteoriten-Buddha, der sich als Fälschung herausstellte, bis heute nicht gesichertes Meteoritenfragment des „Steinheim-Impaktors“ etc.). Mir sind das fast zu viele Forschungsschwerpunkte (Archäologie, Geochemie, Sedimentologie), um in einem Forschungspunkt wirklich tief verwurzelt zu sein.
Nun zu den Meteoriten-Events zum Steinheimer Becken – Nördlinger Ries:
In der Wissenschaft wird bereits seit langer Zeit darüber diskutiert, ob die beiden Krater gleichzeitig oder nacheinander entstanden sind. Diese Erkenntnis beruht vor allem auf paläontologischen Vergleichen der Flora und Fauna. Eine Erklärung könnte sein, dass sich die beiden Becken mit den entstandenen Kraterseen prinzipiell unterscheiden (Brackwassersee – Karstwassersee) und dadurch eine zeitlich verzögerte und sehr unterschiedliche Entwicklung stattgefunden hat. Sooo brandneu ist diese Vermutung der zeitlichen Diskrepanz also nicht.
Wenn ich mir die Fotos der Molasseablagerungen von Buchner et al. (2020; 2021) anschaue, dann könnte das meiner Meinung nach ziemlich viel sein. Natürlich kommt ein Seismit in Betracht. Oder diagenetsiche Prozesse des noch weichen, wasserhaltigen Sediments. Oder eben auch eine ehemalige subaquatische Rutschung, wie sie aus den Molasseablagerungen im Alpenvorland von mehreren Orten bekannt und gut dokumentiert sind. Diese Rutschungen können natürlich im Zuge der Orogenese der Alpen und der mit der Hebung stark einsetzenden Erosion und Sedimentation im Vorlandbecken immer entstehen. Auch können diagenetische Prozesse (Methangasbildung und Ausgasung, Entwässerung des noch weichen, stark wasserhaltigen Sediments) oder seismische Ereignisse (in Verbindung mit plötzlicher Entwässerung oder Sedimentverflüssigung durch tixotrope Prozesse), die ja auch immer in direkter Verbindung zu den orogenen Prozessen der Alpen stehen können, solche Rutschungen auslösen.
Die Alpenentstehung ist ja in mehrere Phasen gegliedert, die ihrerseits im Vorlandbecken zu Meereseinbrüchen und –rückzügen mit sehr unterschiedlichen Sedimentationsräumen und Sedimentationsraten im Kontext stehen (z. B. OSM, OMM etc.). In diesem Zusammenhang wird natürlich auch Sediment bewegt oder umgelagert, wodurch neue Ablagerungsräume oder Erosionsdiskordanzen entstehen. Und genau das wird letztlich in Buchner et al. (2020) abgebildet (z. B. Fig. 2, Fig. 4, Fig. 7). Der Brockhorizont ist ganz sicher die Zeitmarke „Impaktereignis“ (Nördlinger Ries/Steinheimer Becken), allerdings sehe ich da noch keinen direkten Zusammenhang zu dem „slump“, also einer subaquatischen Rutschung, die direkt unterhalb der Diskordanz angeschnitten ist. Die ist meines Erachtens älter und kann verschiedenste Ursachen haben (z. B. Erdbeben, Vulkanausbrüche, aber auch vermehrter Eintrag von Erosionsschutt durch die entgehenden Alpen und damit einhergehende Rutschungen). Für eine fundierte Theorie müsste da meines Erachtens sehr viel tiefer auf die grundlegenden sedimentologischen Prozesse eingegangen und die verschiedenen Prozesse Schritt für Schritt diskutiert und ausgeschlossen werden. Dies ist in einem Journal wie „nature research“ gar nicht möglich, hier soll ja eher auf neue, wegweisende multidisziplinäre Ergebnisse hingewiesen werden, nachdem zumindest Teile dieser Ergebnisse in Fachzeitschriften (z. B. Sedimentology) ausführlich diskutiert wurden. Selbst in ihrem eigenen Aufsatz „Enigmatic earthquake-generated large-scale clastic dyke in the Biberach area (SW Germany)“ (Sach et al. (2020) in dem Journal Sedimentary Geology) geben die drei Autoren als Grund für die Entwässrung des Molassesediments ein relativ starkes Erdbeben durch eine phreatomagmatische Explosion im Urach-Kirchheim-Vulkanfeld oder möglicherweise den Steinheimer-Becken-Impakt an. Und für die Angabe einer Magnitude sollte ohnehin erst einmal die Ursache und Wirkung und dann ein Modellierer für Impaktereignisse konsultiert werden. Meines Wissens hat dies aber nicht stattgefunden.
Und dann zu den „planaren Deformationsmerkmalen“ von Buchner et. al (2020): Die sollten meiner Meinung nach von einem absolut anerkannten Fachmann untersucht, ausgewertet und dann interpretiert werden (ggf. in einem einzelnen separaten Paper, nicht als mündliche Mitteilung). Ich erinnere nur an die über Jahre anhaltende Diskussion zur Graupensandrinne (Buchner – Schweigert – Seyfried) oder noch weiter zum „Chiemgau-Impakt“ (Ernstson und andere). Eine rein optische Ähnlichkeit führt sehr schnell zu einer Überinterpretation und schließlich Fehlinterpretation (z. B. „Chiemgau-Impakt“ und andere „Meteoritenkrater“, siehe auch Link:
http://www.impaktstrukturen.de/publikationen/andere-publikationen/sind-gebogene-planare-deformationsstrukturen-pdfs-keine-pdfs/). Man möchte fast meinen, dass überall im Erosions- und Alpenschutt „planare Deformationsmerkmale“ gefunden werden; zumindest, wenn nach diesen gesucht wird. Nun ja.
Nach meiner Meinung gibt es bei dieser Hypothese noch viel zu viele zu viele offene und ungeklärte Fragen (Ähnlich wie bei dem Metallfragment, welches Teil des Steinheimer-Becken-Impaktor gewesen sein soll oder wie bei den erwähnten planaren Elementen aus der Molasse und andernorts mit Impaktereignissen in Verbindung gebrachte Beobachtungen.). Bemerkenswert ist allerdings, dass der Aufsatz bei "nature research" angenommen wurde. Vielleicht sollte ja so eine Debatte ja angeregt werden.
Und weiter:
In neuerer Zeit wurden verschiedene Raumsonden zu diversen Asteroiden geschickt. Hierbei hat sich gezeigt, dass Asteroiden mit einem kleineren Mond gar nicht so selten und unwahrscheinlich sind. Im Gegensatz zum Mond (hier werden Meteoritenkrater nicht gleich wieder erodiert oder zusedimentiert und hier können natürlich unterschiedlich alte Krater direkt nebeneinanderliegen) werden auf der Erde größere Impaktkrater sehr schnell wieder erodiert oder zusedimentiert. Auf der Erde sinkt folglich die Wahrscheinlichkeit, dass in unmittelbarer Nähe unterschiedlich alte Krater erhalten bleiben. Und dass innerhalb weniger tausend oder hunderttausend Jahre zwei unabhängige Impaktereignisse durch größere Asteroiden stattfinden ist natürlich möglich, dennoch halte ich es eher unwahrscheinlich.
Dies ist meine derzeitige persönliche Meinung zu dieser Sache. Wenn dieses unwahrscheinliche Ereignis tatsächlich stattgefunden haben soll und dies in einem renommierten Journal postuliert wird, dann sollte es unbedingt auch interdisziplinär und fundiert belegt werden (z. B. durch Modellierer, Sedimentologen, Paläontologen, Mineralogen etc.). Sonst wachsen Hypothesen durch schreibwütige Autoren in den Himmel (z. B. Chiemgau-Impakt, Tüttensee-Krater, bis hin zu dem nur als „traurig“ zu bezeichnenden Aufsatz „Nördlinger Ries (Ries-Krater) – Bunte Trümmermassen und die Gravimetrie“, siehe hier unter „5 Zusammenfassende Schlussfolgerungen“, wo von einem eigenständigen, kleineren Krater auf Blatt Bissingen gefaselt wird, der durch eine abgetrennte kleinere Masse des Riesimpaktors entstanden sein soll. Link:
http://www.impaktstrukturen.de/). Es sollten also nicht zu schnell die Fachfücher und die Entstehungsgeschichte eines Naturraumes wie dem des Nördlinger Rieses oder des Steinheimer Beckens umgeschrieben werden. Vielleicht sind solche ins Kraut schießende, wissenschaftlich nicht oder nur wenig belegte Hypothesen eine unschöne Entwicklung unserer modernen Zeit.
Herzliche Grüße
Oliver
