Autor Thema: Geschiebe aus dem Harz?  (Gelesen 5056 mal)

Offline boborit

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Geschiebe aus dem Harz?
« am: November 04, 2012, 11:09:06 Vormittag »
Hallo zusammen,

habe da mal eine Frage an die Geschiebe/Steine-Profis.
Es gibt an den Küsten des hohen Nordens ja, recht häufig, den Kambrischen Kalmarsund-Sandstein. http://de.wikipedia.org/wiki/Kalmarsund-Sandstein
Ein ähnliches Alter haben auch die gelegentlich Spurenfossilien-führenden Skolithen-Sandsteine.

Beide Sandsteinarten fand ich Anfang des Jahres an der Küste Rügens. Nun sollen die Gletscher der letzten Eiszeit ja bis in meine Gegend, nämlich den Harz gereicht haben und ich frage mich schon länger, ob hier im Ur-Stombett der Oker (wo ich wohne) auch Geschiebesteine des hohen Nordens gefunden werden können.

Echte Beweise habe ich auf meiner Suche bisher leider nicht gefunden - bis jetzt (vielleicht).

Gewöhnlich findet man hier Grauwacke/Sandsteine, Okergranit und Quarzite aus dem Harz.
Nun war aber im Kiesbett auch mal ein kleiner Sandstein mit rot/violetter Scheinschichtung in mein Blickfeld geraten.

Im direkten Vergleich zum Rügener Kalmarsund-Sandstein ist eine Ähnlichkeit nicht zu leugnen.
Was wisst/meint ihr, gibt es im Nördlichen Harzvorland, mitgeführt von der Ur-Oker aus dem Harz Skandinavische Geschiebesteine?

Auf dem Bild ist rechts der Kalmarsund, links der Oker-Sanstein zu sehen. Das Ginkgoblatt dient als Größenvergleich.

Danke für euer Interesse - Michael :winke:
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Offline Hungriger Wolf

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #1 am: November 04, 2012, 11:36:53 Vormittag »
Hallo Michael!

Auf der Graphik ist die Eisrandlage der Elster-, Saale- und Weichseleiszeit dargestellt.
Somit, konnten Gesteine, auch sehr weit, vom Ursprungsort, wegtransportiert werden!

http://www.wasser-lehrpfad.de/Station003/karte_eiszeit.jpg

Zitat
Was wisst/meint ihr, gibt es im Nördlichen Harzvorland, mitgeführt von der Ur-Oker aus dem Harz Skandinavische Geschiebesteine?

http://www.lbeg.de/extras/geologie/downloads/geotope/Grandkuhlenberg_Winningstedt.pdf -> Bericht mit Karte und Photos

-> Ehemalige Gletscherspalten mit Kies/Gesteinsablagerungen aus der Eiszeit suchen  :lechz:


Grüsse  :super:
Achim
« Letzte Änderung: November 04, 2012, 12:00:09 Nachmittag von Hungriger Wolf »

Offline schwarzwaldmineraloge

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #2 am: November 04, 2012, 15:41:48 Nachmittag »
Hallo,

Die Gletscher kamen bis runter nach Wernigerode, Ilsenburg und Vienenburg. Stichwort Feuersteinlinie, siehe auch hier: http://www.mineralienatlas.de/lexikon/index.php/Deutschland/Niedersachsen/Harz/Feuersteinlinie

Da sollte es auch welche in der Oker geben.

Aber man muss sich frei machen von der Vorstellung, dass die Ur-Flüsse immer denselben Verlauf hatten wie die heutigen. Zeitweise floss sogar der Rhein südlich des Kaiserstuhls runter ins Mittelmeer (noch vor der Eiszeit, nur mal als Beispiel). Während der Eiszeit flossen Rhein und Themse erst bei Schottland in die Nordsee, Nord- und Ostsee in der heutigen Form gab es nicht, nur zeitweise Süsswasserseen.

Es ist durchaus möglich, dass die Oker während der Eiszeit, durch die Gletscher gehindert, gar nicht nach Norden in Richtung des heutigen Braunschweig, sondern nach Westen oder Osten floss. Das ist aber Sache der Quartärgeologen, da kenn ich mich zu wenig aus in der Region.

Wie dem auch sei: Tatsächlich spielen die Flüsse für den Geschiebetransport erstmal keine Rolle, das sind allein die Gletscher. So ein Gletscher würde problemlos die Richtung aller Flüsse in Norddeutschland ändern können, kommt nur drauf an, wo er längsgeht. So ein Gletscher kann nicht nur Bäche und Flüsse stauen und die Betten mit Moränen zuschütten, sondern beim Abschmelzen auch neue Bäche und Flüsse speisen und beim Rückzug neue Täler hinterlassen, in denen später Flüsse fließen werden. Alle großen Flüsse im Norden folgen tw. solchen Urstromtälern. Es gibt aber auch Flüsse, die alten, voreiszeitlichen Störungs- oder Schwächezonen folgen, z.B. die Leine, die Störungen aus der Salztektonik folgt.

Glück Auf!
Sebastian
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Offline JFJ

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #3 am: November 04, 2012, 16:32:26 Nachmittag »
Hallo  :hut:

Verfrachtungen von nordischen Gesteinen durch Kaltzeiten und der Transport durch Flüsse sind zwei Paar Schuhe.
Die Geschiebe vom Nord- und Ostharz sind direkt durch die Eismassen bis dorthin transportiert (Elster-Kaltzeit).
Es kann zwar möglich sein, dass einige dieser Geschiebe weiter durch Flüsse verfrachtet wurden, dann aber in Richtung vom Harz weg.

Zitat
gibt es im Nördlichen Harzvorland, mitgeführt von der Ur-Oker aus dem Harz Skandinavische Geschiebesteine?
Ganz klar: Ja  
Wobei die Ur-Oker diese Gesteine dann wieder eher vom Harz fort transportiert hat.
Dass es in Flussbetten vermehrt Geschiebe zu finden gibt, liegt auch daran, dass die südwärts gerichteten Eismassen der Kaltzeiten, dem Weg des geringsten Widerstands folgten; das waren die Flußtäler.
Die Feuersteinlinien wurde ja schon gepostet, die das Verbreitungsgebiet der Kaltzeiten, und somit auch der nach Süden verfrachteten Geschiebe zeigen.

Die beiden Gesteine würde ich definitiv nicht als Kalmarsund-Sandstein ansprechen.
Es handelt sich um den sog. Jotnischen Sandstein, oder auch Dalasandstein genannt:
http://www.skan-kristallin.de/schweden/gesteine/gesteinsdarstellung/sedimentgesteine/dalasandstein/sandsteintext.html
Diese, etwa 1,3 - 1,3 Ga alten Sandsteine stammen aus dem Präkambrium (mittleres Proterozoikum) und sind bedeutend älter als die Kalmarsund-Sandsteine.
Ich muss zugeben, dass diese beiden Gesteine wirklich sehr oft verwechselt werden.
Als sichtbare Unterscheidungskriterien sind insbesondere die beim Kalmarsund-Sandstein scharfen und dünneren Abgrenzungen der Schichten gegen einander, und ein fehlender violetter Farbstich zu nennen.
Sorry, sind leider beides keine.
Aber der Jotnische Sandstein ist immerhin auch ein Geschiebe mit einer definierten Herkunft aus Dalarna (Mittelschweden)  :super:
Die beiden gefundenen Stücke haben sogar einen weiteren Weg hinter sich, als von Kalmar-Sund (und sind um einiges älter).

Beste Grüße
 :prostbier: Jörg

Nachtrag
Die beiden gezeigten Funde stammen mit hoher Wahrscheinlichkeit ca. 30 km NNW Mora.

Ich mag Geschiebe, weil sie die entgegenkommendsten Gesteine sind.

Offline JFJ

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #4 am: November 04, 2012, 16:56:26 Nachmittag »
Anbei das Foto eines typ. kalmarsund-Sandsteins.

Es gibt viele ähnlich aussehende, gebändete Sandsteine.

Anbei einige Kriterien zur sicheren Bestimmung:
1. Färbung der dunkleren Schichten durch Ausfällung von Mangan und Eisen,
2. Möglicher Hämatitanteil auch außerhalb der dunkleren Schichten, so dass die helleren Partieen ebenfalls dunkel gefärbt sind,
3. Zwei sich gegenseitig durchdringende Schichten,
4. Abwesenheit von violett gefärbten Bändern,
5. oft. "Poren" im Gestein,
6. Scharfe Begrenzung der Schichten zueinander.

 :winke: Jörg
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Offline boborit

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #5 am: November 04, 2012, 19:46:00 Nachmittag »
Hallo Geschiebefreunde,

vielen Dank für eure bisherigen Ausführungen! Sicher kann ich nun davon ausgehen, dass hier im Steinfeld bei Vienenburg Geschiebesteine möglich sind!! :wow:

Wie gesagt, die Vielfalt der Steintypen hier ist klein. Darum möcht ich euch noch einige "Sonderlinge" aus meinem Garten zeigen, vielleicht wurden sie ja auch hierher geschoben.

Jörg@- Wenn es sich bei meinen gezeigten Steinen tatsächlich um Dala-Sandstein handelt freut mich das sogar um so mehr! Der Dala-Sandstein fasziniert mich schon lange und zu gerne hätte ich eine Rippelmarke von der Formation! hat zufällig jemand eine abzugeben??

Im Folgenden zeige ich euch mal einen brekzienähnlichen Einzelgänger. Er misst ca. 20 cm und ist bei tausenden Steinen in meinem Garten tatsächlich nur 1 x vorhanden. Könnt ihr den irgendwie  einordnen? Vielleicht ist es auch ein Quarzit, obwohl die (reichlich vorkommen) dabei meist eine dunklere Matrix besitzen.

Danke und Grüße - Michael
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Offline boborit

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #6 am: November 04, 2012, 20:01:48 Nachmittag »
... da wir gerade dabei sind, auch dieser ca. 30 cm messende Stein in meinem Garten kommt so nur 1 x vor... könnte er aus dem hohen Norden stammen?

Grüße - Michael :winke:
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Suevit

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #7 am: November 05, 2012, 01:14:21 Vormittag »
Hallo Michael,

Der Dala-Sandstein fasziniert mich schon lange und zu gerne hätte ich eine Rippelmarke von der Formation! hat zufällig jemand eine abzugeben??
Bei mir im Keller lagert noch eine etwas größere shatter cone-Stufe aus Dala-Sandstein (Siljan-Krater), im Querbruch sind Sedimentstrukturen sichtbar. Da könnten auch Rippelmarken dabei sein. Traust Du Dich, so einen shatter cone-Brocken zu freveln, d. h. zu zerlegen?

Gruß,
Rainer

Offline schwarzwaldmineraloge

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #8 am: November 05, 2012, 09:01:28 Vormittag »
Hallo,

Den letzen würde ich als Geröll aus dem Harz einordnen. Das ist Tonschiefer mit Quarz-/Calcit-Adern. Tonschiefer gibts im nördlichen Harz nunmal reichlich und der ist auch recht weich, so dass er den langen Transport schlecht übersteht. Das darüber könnte tatsächlich ein Geschiebe sein.

Glück Auf!
Sebastian
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Offline JFJ

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #9 am: November 05, 2012, 10:53:17 Vormittag »
Hallo,

das 1. Foto würde ich ebenfalls als Geschiebe deuten. Ähnliche Stücke sind mir aus NW Jütland bekannt.
Parallel zu Feuerstein-Konglomeraten tritt dieses Gestein vermehrt auf.
Stammt wahrscheinlich irgendwo aus dem Skagerrak, der ist voll mit Konglomeraten und Brekzien mit Quarzfüllung.
Die Klasten sollten beim Abschlag etwas gelblich sein, und mit Salzsäure dürfte nichts schäumen.

Rippelmarken vom Dala-Sandstein habe ich leider keine, hätte ich Dir sonst was zugeschickt.

Glück Auf!
Jörg
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Offline boborit

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Re: Geschiebe aus dem Harz?
« Antwort #10 am: November 05, 2012, 18:09:24 Nachmittag »
Hallo Rainer, Sebastian, Jörg und wer hier noch mitlist :winke:

Rainer@: danke für dein Angebot aber die Rippelmarke sollte schon ungeschockt sein - wenn ich sonst auch Impaktite sehr mag :einaugeblinzel:

Sebastian@: super, vielen Dank für deine Tipps! Jetzt kann ich wieder 2 bisher unbekannte Steine zuordnen :super:  :user:

Jörg@: danke auch dir für deine Deutungen - ich liebe es wenn einem Stein seine Geheimnisse (von Entstehung und Ursprung) entlockt werden :wow: :super:

Ich schau mich noch einmal um im Garten, ob da noch etwas ungewöhnliches rumliegt... :einaugeblinzel: bis dahin - Michael :winke:
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