Autor Thema: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-  (Gelesen 4034 mal)

Offline Hungriger Wolf

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Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« am: Februar 02, 2009, 21:58:31 Nachmittag »
Hallo Forenmitglieder!

Wie funktioniert die Klassifizierung eines "neuen" Meteoriten?
Wie hoch sind die Kosten bzw. wo ist dies kostenfrei, wer darf diese Prüfung durchführen (bzw. wer ist tatsächlich authorisiert für einen Bulletin-Eintrag)?
:gruebel:

(Aufgefallen ist mir mittlerweile, das viele unklassifizierte NWA-Meteoriten angeboten werden.
Leider ist jedoch der genaue Fundort unbekannt, ebenfalls ist der Finder unbekannt und selbst die Vorbesitzer/Zwischenhändler sind oftmals unbekannt.
Eigentlich ist dies doch schade...da keine wissenschaftliche Auswertung des Fallgebietes damit mehr möglich ist!)
:dizzy:

schöne Grüsse von :prostbier:
Achim


Offline lithoraptor

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #1 am: Februar 02, 2009, 22:01:30 Nachmittag »
Moin Achim!

Funddaten bei allen NWAs sind bestenfalls wage; häufig wurden sie in der Vergangenheit auch bewußt falsch weitergegeben.

Gruß

Ingo

Offline Mettmann

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #2 am: Februar 02, 2009, 22:42:05 Nachmittag »
...was wiederum daran liegt, daß man ned jedem Hirtenbuben ein GPS in die Hand drücken kann
uuund ev. liegt es auch an den Gesetzgebungen oder den Gerüchten darüber in den Fundländern.

Streufeld, Fallgebiet - das ist wissenschaftl. von nachgeordnetem Interesse (wenn man nicht mehr des jeweiligen Material habhaft werden möchte), wichtiger ist, die Steine selbst ins Labor zu bekommen, um ihnen zu entlocken, was es so mit unserem Sonnensystem auf sich hat.

Das Manko fehlender Funddaten wird mehr als aufgewogen durch den niedrigen und in der bisherigen Geschichte ungekannt billigen Preises des Materials.

Man mag die Wüstlingen mit den Antarktisfunden vergleichen, die auch ihre Informationen über den Fall durch die Eisbewegungen eingebüßt haben.
Diese müssen für viele, viele Dutzende Millionen im Jahr (wenns reicht) eingesammelt werden

und wißts ihr was? Habt ihrs schon bemerkt?
Die NWAs haben die Antarktis längst schon übertrumpft, in den nur 10 Jahren
und stellen bei den raren und interessantesten Klassen die Antarktisfunde der letzten 32 Jahre sowohl nach Anzahl der Funde als auch nach dem Gewicht in den Schatten. 

Das, was in einem einzigen Jahr für die Antarktissuchen aufgewendet werden muß,
reicht aus, um sämtliche NWAs, die bislang gefunden wurden, aufzukaufen.
Und dann bleibt noch gehörig was übrig.

Sag ich nur, weils immer wieder die Leier gibt, jaaa durch die private Sammelei und den Handel wären die Meteorite ja sooo teuer geworden, dasse für die Forschung unerschwinglich geworden - was ein kompletter Humbug ist.

 :prostbier:
Mettmann
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Offline Hungriger Wolf

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #3 am: Februar 03, 2009, 17:45:17 Nachmittag »
Hallo Forenmitglieder!

Wie funktioniert die Klassifizierung eines "neuen" Meteoriten als z.B. "NWA 888"?
Wie hoch sind die Kosten bzw. wo ist dies kostenfrei, wer darf diese Prüfung durchführen (bzw. wer ist tatsächlich authorisiert für einen Bulletin-Eintrag)?
Wer hat damit schon Erfahrungen gesammelt?


schöne Grüsse von :prostbier:
Achim

Offline Mettmann

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #4 am: Februar 03, 2009, 18:26:56 Nachmittag »
Prozedere ist standardisiert.

Man reicht von dem Stein ein Stück bei einer der wenigen auf Meteorite spezialisierten Universitäten ein.
Mindestens 20g oder 20% des Fundes, was immer die kleinere Menge ist, sind dabei als Referenzstück und für ev. weitere Forschung kostenlos abzugeben.
Die Spezialisten messen und klassifizieren den Stein und reichen das Ergebnis mit den spezifischen Werten, allen Daten zum Fund und dem Vorschlag, um welche Klasse es sich handelt, in einem Bericht dem Nomenklaturkomittee der Meteoritical Society in London, einem Expertengremium, ein.
Das guckt sichs an, obs plausibel ist, verleiht dem Meteoriten den Namen oder die Nummer und veröffentlicht ihn mit allen Daten im Zentralorgan, dem jährlich erscheinenden Meteoritical Bulletin,
worin sämtlichen neuen Meteorite, seis Fund, Fall, Antarktischer oder Wüstling, erfaßt und veröffentlicht werden.
Erst dann ist ein Meteorit ein richtiger Meteorit.

Die Untersuchungen sind in der Regel für den Einreichenden kostenfrei, einige Labs nehmen von kommerziellen Händlern auch eine Unkostenbeteiligung für die Dünnschliffherstellung zwischen 65 und 200$.

Meteorite klassifizieren, ganz besonders wenns um seltene und seltenste Klassen geht, können nur sehr wenige Unis weltweit.
Den geologischen Abteilungen der üblichen Unis mangelt es an der Erfahrung und sie wären damit überfordert, insbesondere, wenns um die exotischeren Klassen geht.
Durch die großen Fundzahlen aus der Wüste der letzten Jahre sind die Experten chronisch überlastet,
also bitte tunlichst nicht mit solchen Feldsteinen a la H5P6 oder irgendwelchen Schlacken oder mit Pseudomikrometeoriten-Industrie- und -Hausstaub dort anrücken, sondern zunächst in solchen Foren wie diesem hier vorzeigen, dazu ist es ja da, oder Dich an einen erfahrenen Meteoritensammler oder -händler Deines Vertrauens wenden.
Diese nehmen die Vorsortierung der Kandidaten vor und halten das Gröbste von den Klassifikateuren fern.
(Jeder, der eine Meteoritenwebseite hat wird es kennen - bei mir ruft dauernd jemand an und es kommen endlos Mails an, von Leuten, die glauben einen Meteoriten gefunden zu haben. In 99,99% der Fälle sieht man sofort, daß es nix ist. Ich hab in 9 Jahren überhaupt nur zwomal einen echten Meteoriten daruntergehabt. Einer war aus Marokko mitgebracht, der andere aus Libyen).
Auch ein Graus für die Klassifikateure sind die gewöhnlichen äquilibrierten Chondrite, also die H4,H5,H6 und L4,L5,L6 ect. wenns verwittert sind, also das, was wir hier ab und zu "Gleisschotter" nennen. Die klassifiziert keiner gern und es ist auch kein großartiger wissenschaftl. Erkenntnisgewinn mehr aus diesen zu ziehen, da die seit Jahrhunderten schon gut untersucht sind.
Also wenn man da so eine Kiste gemischtes 25-40$/kg-Zeug bei einem Klassifikateur ablädt, dann wird diesem schlecht
und die andern, die interessantes Material haben, verdrießt es nicht minder, da die Klassifikationsstelle verstopft ist und die Wartezeiten sich verlängern.

Dieselben betragen bei gewöhnlichen Wüstenchondite oft ein Jahr, die selteneren Klassen gehen schneller, es sei denn, es sind besonders knifflige Fälle, Eisen können schon mal 2 Jahre brauchen.
Vorgezogen werden frische beobachtete Fälle, Nicht-Wüstenfunde und besonders interessante Stücke.
Der Bulletin wird nur einmal jährlich veröffentlicht, als kommt ev. noch max. 1 Jahr dazu, bis der Stein dann offiziell ist.

 :prostbier:
Martin

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Offline Hungriger Wolf

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #5 am: Februar 03, 2009, 20:31:03 Nachmittag »
Hallo Martin!

Danke für Deine Info! :super: :super:

schöne Grüsse von :prostbier:
Achim

Offline Schönedingesammler

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #6 am: Oktober 29, 2009, 22:06:30 Nachmittag »
Hallo Mettmann,

welches Institut würdest Du empfehlen? Ich meine, wo das Stück nicht wegkommt und wirklich klassifiziert wird mit Anmeldung und allem drum und dran, so wie Du es halt beschrieben hast.

Danke, cu Uwe :hut:
Dsds

Offline paragraf

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #7 am: Oktober 30, 2009, 01:32:38 Vormittag »
Hallo Uwe,

die besten Wissenschaftler sind immer noch die, deren Schreibtisch-Ordnung an Krater erinnert. Deswegen muss wohl noch ein Glücks-Faktor dazugemischt werden...

Gruß

Bernd

Offline rbartoschewitz

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #8 am: November 02, 2009, 19:12:41 Nachmittag »
Hallo Achim, hallo Forum,

ich führe Meteoritenklassifikationen als Privatperson kostenlos durch, fordere jedoch 30 g/% Probe, da ich 20 g/% als Typmaterial hinterlegen muss und 10 g/% als Referenzmaterial behalte. Die Klassifikation führe ich bei gewöhnlichen Chondriten magnetometrisch und optisch durch (wird vom NomCom akzepiert, z.B. H ~5) und stelle die Ergebnisse in der Regel innerhalb einer Woche zur Verfügung. Interessantere Proben werden an der Mikrosonde gemessen (ca. einmal pro Jahr mit entsprechendem Kostenaufwand für Dünnschliffe, Gerätenutzung, Fahrtkosten, Unterkunft, den ich jedoch nicht weitergebe), bei Bedarf auch Edelgas- und Sauerstoffisotope. Eine vorläufige Klassifikation gibt es in der Regel aber auch hier innerhalb einer Woche. Klassifiziert wird alles, vom H5 W5 über Monde und Marsianer bis hin zu ausgefallenen primitiven Achondriten.

Auf den terminlichen Ablauf für die Bereitstellung von vorläufigen Namen und Akzeptanz durch das NomCom habe ich leider kaum Einfluss, speziell was die NWAs betrifft. So warte ich teilweise seit 5 Jahren auf die Akzeptanz von einigen gewöhnlichen Chondriten, während ungewöhnliche Meteorite innerhalb kurzer Zeit akzeptiert wurden. Ich hatte diesbezüglich im Rahmen der Meteoritical Society Tagung in Nancy im Sommer Gespräche mit den zuständigen NomCom Mitgliedern geführt, und es scheint Bewegung in die Geschichte gekommen zu sein, zumindest wurden inzwischen meine angemeldeten chinesischen Meteorite akzeptiert, für die NWAs und Omanis habe ich provisorische Namen erhalten und bekomme zu einzelnen Meteoriten konkrete Rückfragen!

Wer also unklassifiziertes Material anmelden möchte, kann mir gern die entsprechenden 30 g/% mit den erforderlichen Daten (Arbeitsname, Fundkoordinaten und Datum bzw. Kaufdatum und Ort, Gesamtgewicht, Anzahl der Stücke, Anmeldung anonym oder mit Namen) zusenden. Ich sehe mir auch gern fragliches Meteoritenmaterial an.

Gruss,

Rainer

Offline Hungriger Wolf

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Re: Klassifizierung von Meteoriten -Bulletin-Eintrag-
« Antwort #9 am: November 02, 2009, 20:56:38 Nachmittag »
Hallo Rainer!

Danke für Dein Angebot!

Bei einem Meteoritenfund, werde ich mich bei Dir melden!

schöne Grüsse von :prostbier:
Achim Sven Faforke

 

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