Autor Thema: Pseudotachylit als Impaktit?  (Gelesen 4275 mal)

Offline JFJ

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Pseudotachylit als Impaktit?
« am: November 14, 2011, 09:54:08 Vormittag »
Hallo zusammen,

mein "Jagdgebiet" bezieht sich auf die Küsten des N Dänemark (Geschiebe). Folgendes Gestein, ein Pseudotachylit, ist m. E. durch Erdbebentätigkeit entstanden /Typ A; kataklastische Variante; feine Risse >1mm, auch in den Kataklasiten; Kluftfüllung mit durch Defirifikation entglaster lokaler Schmelze. Das Gestein misst 6X7 cm.
Lt. IUGS werden Pseudotachylite zu den Impaktiten gezählt, da deren Genese auf einem Schockereignis beruht (welches allerdings ebenfalls durch Erdbeben verursacht wird).
Meine Frage bezieht sich auf die folgenden beiden Bilder des 2. Gesteins: Wie kann ich erkennen welche Genese, bzw. welcher dieser beiden Ereignisse ursächlich stattgefunden hat, falls sich so etwas überhaupt eruieren lässt?
Die Problematik dieser Geschiebe liegt darin begründet, dass ein Anstehendes nicht benannt werden kann, obgleich am Fundort (Hanstholm) Geschiebe aus dem Oslo-Rift dominieren, und somit Erdbeben, durch die Riftbildung, am wahrscheinlichsten sind. Allerdings meine ich Unterschiede in der Gefügestruktur zu erkennen (Bild 1 möchte ich ganz klar einem Erdbeben zuordnen). Bei dem anderen Gestein (Bilder 2 u. 3), sieht das Gefüge etwas anders aus, als wenn eher Schockwellen vorhanden waren, als eine liniare Reibung.
Gestein 2 misst 3,5 X 4,5cm.
Kann eine Aussage über eine mögliche Genese anhand der Fotos abgeleitet werden?

Für Eure Mithilfe den besten Dank im Voraus.
Viele Grüsse
Jörg
Ich mag Geschiebe, weil sie die entgegenkommendsten Gesteine sind.

Offline JFJ

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #1 am: November 14, 2011, 09:56:05 Vormittag »
Hier nun die Fotos des 2. Gesteins:

Ich mag Geschiebe, weil sie die entgegenkommendsten Gesteine sind.

Offline Buchit

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #2 am: November 14, 2011, 14:01:55 Nachmittag »
Hallo Jörg,

meines Wissens nach sind durch Erdbeben entstandene Pseudotachylite nicht von sonstigen Erscheinungen der Stoßwellenmetamorphose begleitet, wie sie für "echte" Einschläge typisch sind. Mit anderen Worten: In dem an die Schmelzadern angrenzenden Gestein müssten sich PDFs, Coesit, Stishovit oder Maskelynit finden, um positiv sagen zu können, dass es sich um ein "echtes" Einschlagsprodukt handelt. Das heißt aber: Allein aus der makroskopischen Anschauuung heraus wird das nicht gelingen.

Ohne mich in Geschiebekunde besonders gut auszukennen, meine ich aber mich zu erinnern, dass die wenigen bestätigten "echten" Impaktite makroskopisch eher dem gut bekannten Suivit ähneln, d.h., eine gut durchmischte, polymikte Brekzie darstellen, während bei Deinem Stück die Adern an unverändertes Muttergestein grenzen. Das würde - ohen einen echten Beweis darzustellen - eher für einen erdbebengenerierten Pseudotachylit sprechen.

Gruß,
Holger

Offline JFJ

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #3 am: November 14, 2011, 15:22:36 Nachmittag »
Hallo Holger,

vielen Dank für Deine prompte Antwort.
Zitat
nicht von sonstigen Erscheinungen der Stoßwellenmetamorphose begleitet
Das hatte ich jetzt gar nicht bedacht, macht aber Sinn, hätte ich mit ein bisschen Nachdenken auch selbst drauf kommen können :bid:
Allerdings beschäftige ich mich mit Pseudotachyliten noch nicht sehr lange, ist noch ein wenig Neuland, in welches ich mich erst noch vertiefen muss. Die beiden Stücke hatte meine Frau als Zufallsfunde eingesteckt (welche mein Hobby teilt  :super:). Wenn ich bedenke, über wie viele ich im Laufe der Jahrzehnte vermutlich hinweg getrampelt bin... Das Oslo-Rift war da schon sehr produktiv.

Nochmals besten Dank und viele Grüsse
Jörg
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Offline speul

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #4 am: November 14, 2011, 19:39:01 Nachmittag »
Hallo,
ich habe da extra nochmal nachgelesen.
Das Problem ist, dass der Begriff Pseudotachylit von Tektonikern und Impaktikern etwas anders gesehen wird.
Per ursprünglicher Definition (Lokalität Vredefort, RSA, aber vor Akzeptanz der Struktur als Impaktkrater) ein durch REIBUNGSWÄRME aufgeschmolzenes glashaltiges Gestein
allgemein wird der Begriff sehr großzügig, meist auch falsch eingesetzt, oft wird weiter differenziert in Pseudotachylitische Brekzien (Impakt), pseudotachylitähnliche Brekzien, kaum abgetrennt -oder aus Unwissenheit nicht weiter genau bestimmt- von Myloniten und Kataklastiten, von den Russen dann noch mit den Tagamiten durcheinander gebracht, also eine saubere Nomenklatur der Impaktite ist sicher weiter entfernt als je (ich meine damit eine allgemein akzeptierte)
Zum Stück: ich denke auch eher an eine tektonische Genese, denn bei dem Fundort gibt es im entsprechenden Einzugsgebiet nichts weiter an Kratern, max. Gardnos und da sieht das Material bekanntlich anders aus
Grüße
speul
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Offline JFJ

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #5 am: November 14, 2011, 20:14:30 Nachmittag »
Hallo Speul,

vielen Dank für Deine Mühen!
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass Gesteine welche durch verschiedene Ursachen einem Umwandlungsprozess unterlegen waren, nicht mit einem gemeinsamen Namen betitelt werden sollten. Reibungswärme trifft ja auf beide  Varianten zu (Impaktschock oder Erdbeben).
Anstatt für Klarheit zu sorgen, bringt die IUGS da manchmal eher Verwirrung rein. Ähnliche Probleme finden sich dort mit den Tinguaiten (IUGS: Variante eines Phonoliten, explizit Extrusivgestein).
Deine Antwort war sehr erhellend für mich, blicke wieder ein Stück weiter durch; besten Dank!

Allerdings möchte ich mich gleich zu Beginn hier im Forum als Klugsch... unbeliebt machen:
Zitat
bei dem Fundort gibt es im entsprechenden Einzugsgebiet nichts weiter an Kratern
Ich denke zwar auch, dass die Gesteine vermutlich aus dem Oslo-Graben stammen, aber: Aus geschiebekundlicher Sicht, finden sich selbst im Norden von DK Geschiebe mit Herkunft aus Südschweden. Die Geschieberichtung von den Aland-Inseln kommend, ging zuerst in Richtung SW. Später änderte sich die Richtung (in etwa auf Höhe von Bornholm) in NW bis NNW. Darum sind selbst in der Jammerbucht Funde von Geschieben aus dem äußersten Süden von Schweden nicht selten. Soweit mit bekannt gibt es in Südschweden Impakte, so dass zumindest ein theoretischer Transport von dort, oder direkt linear aus der Dalarna möglich gewesen wäre. Doch aufgrund Eurer Meldungen habe ich diese Möglichkeit verworfen. Nimm mir mein Veto bitte nicht krumm, aber die Geschieberichtungen sind manchmal merkwürdig.

Die besten Grüsse
Jörg
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Offline speul

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #6 am: November 14, 2011, 20:45:57 Nachmittag »
Zitat
Ich denke zwar auch, dass die Gesteine vermutlich aus dem Oslo-Graben stammen, aber: Aus geschiebekundlicher Sicht, finden sich selbst im Norden von DK Geschiebe mit Herkunft aus Südschweden. Die Geschieberichtung von den Aland-Inseln kommend, ging zuerst in Richtung SW. Später änderte sich die Richtung (in etwa auf Höhe von Bornholm) in NW bis NNW. Darum sind selbst in der Jammerbucht Funde von Geschieben aus dem äußersten Süden von Schweden nicht selten. Soweit mit bekannt gibt es in Südschweden Impakte, so dass zumindest ein theoretischer Transport von dort, oder direkt linear aus der Dalarna möglich gewesen wäre. Doch aufgrund Eurer Meldungen habe ich diese Möglichkeit verworfen. Nimm mir mein Veto bitte nicht krumm, aber die Geschieberichtungen sind manchmal merkwürdig.


nichts da mit Klugscheißer, wo Du recht hast hast Du recht, Danke für die Richtigstellung. :hut:
Deswegen sind wir doch hier um zu lernen!
Grüße speul
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Offline Thin Section

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #7 am: November 14, 2011, 22:20:17 Nachmittag »
Hallo Speul und Jörg,

Hier ein Auszug aus B.M. French:


FRENCH B.M. (1998) Traces of Catastrophe (LPI Contribution No. 954, 120 pp., pp. 65-69):

5.3.5. Pseudotachylite

Pseudotachylite is an unusual, much studied, and long-debated type of impactite breccia that occurs in the parautochthonous rocks of large impact structures. Pseudotachylite is most strikingly developed at two large, ancient impact structures: Vredefort (South Africa) and Sudbury (Canada), where it forms striking and extensive exposures. The Vredefort pseudotachylite, first described more than 80 years ago (Shand, 1916), typically occurs as abundant irregular, anastomosing, and dike like bodies that contain numerous large and small rounded inclusions of target rock set in a dense, aphanitic or crystalline matrix that is generally black to blackish green in color. Similar breccias, although developed on a much smaller scale, have been observed in other impact structures, e.g., Rochechouart (France), Manicouagan (Canada), and Slate Islands (Canada).

Bernd  :hut:

P.S.:

Einige Vorkommen von Pseudotachylit in (mutmaßlichen) terrestrischen Impaktstrukturen:

01. Duobblon Struktur in Nordschweden
02. Manicouagan Krater in Kanada
03. Manson Formation in Iowa
04. North Bonaparte Basin, Timor Sea
05. Puchezh-Katunki, Russia
06. Rochechouart Krater, Frankreich
07. Roter Kamm Krater, Namibia
08. Sudbury, Canada
09. Talemzane Krater (Maadna), Algerien
10. Vredefort Ring, Südafrika
11. Woodleigh Impaktstruktur, Westaustralien
(247553) Berndpauli = 2002 RV234

Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Offline Buchit

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #8 am: November 15, 2011, 07:20:22 Vormittag »
Hallo,

sorry, jetzt muss ich auch noch einmal den Klugschnackermodus  :belehr: anschalten: Der Grund für die unklare Verwendung des Begriffs "Pseudotachylit" liegt wohl auch - wie von Speul bereits genannt - darin, dass er bereits eingeführt und verwendet wurde, bevor die Impakthypothese etabliert war. Nach der älteren Literatur (Tomkeieff, Dictionary of Petrology, 1984) geschah dies allerdings nicht im Zusammenhang mit Vorkommen, die heute als Impakte gedeutet werden:

"Pseudotachylyte
Originally this term was applied to hyalomelane by Zirkel. [...]  Zirkel, F. (1876). Microscopical Petrography. U. S. geol. Exploration of the 40th Parallel, p.250, Washington"

Ich habe diese Literaturstelle noch nicht geprüft; aber meines Wissens nach liegt in Nordamerika kein Einschlagskrater auf dem 40. Breitengrad.

Klugschnackermodus aus, heute ist sowieso die IUGS-Empfehlung relevanter als diese alten Geschichten...

Gruß,
Holger

Offline JFJ

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #9 am: November 15, 2011, 10:56:31 Vormittag »
Hallo,

ich wollte noch kurz anmerken, dass die Namensgebung von Pseudotachyliten an sich bereits ein Kuriosum darstellt. Bislang glaubte ich, dass sich "tachy" auf die schnelle Reibungsrate (<10 cm sek. und der daraus resuliterenden Friktionswärme), zumindest bei der Erdbebengenese bezieht. Doch Pseudotachylite sind von Tachyliten (A. Breithaupt 1826) abgeleitet, wobei sich der Präfix "Tachy..." in Tachyliten, ausschließlich auf die schnelle Abkühlung der vulkanischen Schmelze (z. B. in Wasser) bezieht.

Viele Grüsse
Jörg
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Offline Andreas Gren

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Re: Pseudotachylit als Impaktit?
« Antwort #10 am: November 17, 2011, 09:03:59 Vormittag »
Interessante Diskussion.

hier mal ein Bild von Pseudotachylit Adern aus Rochechouart

Gruß
Andi
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