Autor Thema: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)  (Gelesen 4088 mal)

Allende

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Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« am: Juli 30, 2015, 19:47:58 Nachmittag »
Hallo Forum

Hier ein weitere "Klassiker", den viele von Euch sicher kennen und einige auch ein Stück in der Sammlung haben?!

Name: Knyahinya
F.O.: Ungvar, Nagyberesznar, Ukraine
Klasse: Stein, L/LL5 Chondrit, Se, brekziiert, Fa 25.5 mol%, Fetot 19.72%.
Fall: 9. Juni 1866
Gesamtgewicht: Ca. 500 kg (Schauer)

Sammlungsstücke: 521.9 g (Individual) und 8.1 g (Individual), 43.1 g (Endstück, poliert)

Knyahinya ist einer der weltweit am besten untersuchtesten Chondriten betreffend Gehalte von Edelgasen und Kosmogenen Nukleiden. Besonders verdient gemacht haben sich dabei Wissenschaftler der ETH-Zürich in den 80er und frühen 90er Jahren.

Allende

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #1 am: Juli 30, 2015, 19:52:28 Nachmittag »
Zur Klasse nochmals: S3 (Shock Level), nicht Se = Tipselfehler...  :bid:

1991 fand in Zürich die Heureka!-Wissenschaftsausstellung anlässlich der 700-Jahresfeier der Eidgenossenschaft statt. Heureka ist altgriechisch und heisst: „Ich hab (es) gefunden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Heureka_(Ausstellung)

https://de.wikipedia.org/wiki/Heureka

Dort wurde ein 135 kg Bruchstück der Hauptmasse der Knyahinya-Meteoriten als Leihgabe vom NHM-Wien ausgestellt um Forschungsaktivitäten der Wissenschaftler der ETH-Zürich dem breiten Publikum näher zu bringen, zu erklären. Ein paar Tage bevor der Meteorit in die Heureka!-Ausstellung gebracht wurde, bekam ich aus der ETH-Zürich einen Anruf, ob ich Interesse hatte, den ganzen und stark verschmutzten 135 kg schweren Meteoriten mit Alkohol vorsichtig zu reinigen. Natürlich hatte ich Lust. :wow: Es hat auch Spass gemacht und von dem zur Reinigung gebrauchten Alkohol war ich dann zum Ende der Reinigungsarbeit ganz benebelt = Tagesziel schon am Nachmittag erreicht… haha!  :platt:

Es sind dabei eine ganze Reihe interessanter analoger Fotos entstanden, von denen ich eine kleine Auswahl hier zeigen möchte.

Auf dem Foto der Bruchseite sieht man wissenschaftliche Bohrlöcher, entstanden in den 80er-Jahren für die Edelgasuntersuchungen und die Untersuchungen der Kosmogenen Nukleide. Einfach gesprochen: Die Bohrlöcher wurden bis etwa ins Zentrum gelegt, um Veränderungen der Messwerte zwischen Rand und Zentrum des grossen Meteoritendurchmessers zu erkennen, was wiederum Rückschlüsse auf die Verweildauer im Weltraum, die kosmische Strahlung und deren Eindringverhalten in feste Körper zu liess.

Allende

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #2 am: Juli 30, 2015, 19:57:00 Nachmittag »
Die zwei Bilder zeigen Nahaufnahmen der Kruste mit deutlich erkennbaren Regmaglypten. Es sind analoge Aufnahmen aus dem Jahr 1991, die nicht durch ein Vitrinenglas gemacht wurden. Die Knyahinya-Hauptmasse in Wien ist heute nur noch hinter Glas zu bestaunen.

Wer die Ausstellung in Wien noch nicht gesehen hat, sollte das unbedingt einplanen. Lohnt sich!

Gruss, Allende
 :hut:

Allende

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #3 am: Juli 30, 2015, 19:58:17 Nachmittag »
So, jetzt seid Ihr dran. Zeigt eine Knyahinya-Proben. Egal ob klein oder gross.  :super:

Offline herbraab

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #4 am: Juli 31, 2015, 16:05:06 Nachmittag »
Sehr eindrucksvolle Bilder, lieber Allende!  :super:

Ein Bild der (beim Aufschlag in drei Teile zerbrochenen) 286,3 kg Hauptmasse im NHM Wien (ohne Glas  :smile:) ist hier zu finden.

Anbei auch noch ein Bild von dem 155g Individual aus meiner Sammlung. Das Stück stammt aus der Sammlung der Universität Göttingen. Auf dem Foto ist es auf den Stichen zum Bericht "Der Meteorsteinfall am 9. Juni 1866 bei Knyahinya" von W. M. Ritter von Haidinger (Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, mathematisch-naturwissenschaftliche Classe, Bamd 54, 1866) zu sehen.

 :hut:
Herbert

"Daß das Eisen vom Himmel gefallen sein soll, möge der der Naturgeschichte Unkundige glauben, [...] aber in unseren Zeiten wäre es unverzeihlich, solche Märchen auch nur wahrscheinlich zu finden." (Abbé Andreas Xaverius Stütz, 1794)

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #5 am: Juli 31, 2015, 16:52:44 Nachmittag »
Knyahinya ist einer der weltweit am besten untersuchtesten Chondriten betreffend Gehalte von Edelgasen und Kosmogenen Nukleiden. Besonders verdient gemacht haben sich dabei Wissenschaftler der ETH-Zürich in den 80er und frühen 90er Jahren.

Name                Class   3He    4He     20Ne   21Ne   3He/21Ne   
Knyahinya           L5   63,5    1110   12,03   13,03   4,87    GRAF*, 89
Knyahinya           L5   56,3    1300   12,67   14,71   3,83    GRAF , 89
Knyahinya           L5   58,9    1220   12,82   13,98   4,21    GRAF , 89
Knyahinya           L5   56,5    1270   11,73   12,66   4,46    GRAF , 89
Knyahinya           L5   60,6    1010   12,87   14,21   4,26    GRAF , 89
Knyahinya           L5   60,2    1280   11,55   12,19   4,94    GRAF , 89

*Graf T. (1989) Produktion kosmogener Nuklide in Meteoriten. Diss. ETH Zuerich, pp. 134.

... und das sieht dann in meiner Datenbank so aus - nur ein Auszug, es sind insgesamt 68 Messungen!

Bernd  :winke:
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Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Allende

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #6 am: Juli 31, 2015, 22:26:21 Nachmittag »
Super Sammlungsstück, Herbert  :super:

Danke für den Input, Bernd  :super:

Allen anderen hier noch mal ein freundliches :wc: zum Mitmachen. Bilder einstellen, Kommentare schreiben, Fragen stellen, was auch immer.

Gruss Allende
 :winke:

Offline herbraab

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #7 am: Juli 31, 2015, 22:31:42 Nachmittag »
Hier noch zwei Bilder der Hauptmasse (diesmal durch Glas  :einaugeblinzel:), Vorder- und Rückseite. Beim ersten Bild kann man am dem rechten der drei Bruchstücke auch zwei der Bohlöcher sehen, die bei der Untersuchung an der ETH Zürich gesetzt wurden.

:hut:
Herbert
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Offline herbraab

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #8 am: August 01, 2015, 14:45:24 Nachmittag »
Hier noch ein Bild des Gemäldes von Othmar Brioschi, das den Meteoritenfall von Knyahinya zeigt und das den Meteoritensaal im NHM Wien ziert, sowie die Darstellungen aus Haidinger's Bericht.

Die "Schmetterlingsform" der Wolke (auf Fig.1 von Haidinger, links oben, ebenso zu erkennen wie auf dem Bild im NHM) erinnert mich sehr an die Zweiteilung des Wolke des Chelyabinsk-Meteoriten, die durch das aufsteigende, heisse Material entlang des Spur des Boliden entstanden ist, ähnlich einer Pilzwolke. Bisher hatte ich diese Darstellung bei Knyahinya eher als "Behübschung" durch die darstellenden Künstler gehalten. Nach Chelyabinsk denke ich aber, dass diese Zweiteilung wohl tatsächlich vorhanden war und bei Knyahinya derselbe Mechanismus am Werk war, wie bei Chelyabinsk.

 :hut:
Herbert
« Letzte Änderung: August 01, 2015, 15:14:18 Nachmittag von herbraab »
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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #9 am: August 04, 2015, 11:09:51 Vormittag »
Hallo zusammen,

Knyahinya hat's auch mir angetan, die Bilder im NHM Wien haben mich "inspiriert" und glücklicherweise konnte ich mir ein Scheibchen leisten, hier isses:



Ciao, Heiner
Doe maar gewoon, dan doe je al gek genoeg

Offline herbraab

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Re: Knyahinya, Ukraine (Fall: 1866)
« Antwort #10 am: August 04, 2015, 20:57:13 Nachmittag »
Hier noch die Skizze des Streufeldes, aus dem oben bereits erwähnten Bericht von Haidinger.

Das Streufeld weist einen eigentümlichen, L-förmige Umriss auf. Das hat wohl damit zu tun, dass man die (inetwa in West-Ost-Richtung verlaufende) Hauptachse, entlang der die größeren Stücke gefallen sind, gut erfasst hat. Kleinere Stücke wurden hauptsächlich nahe der Ortschaften Knyahinya und Sztricsava gefunden, weshalb das skizzierte Streufeld in die Richtung dieser Orte "ausgebäult" ist.

Der Gutteil der Steine fiel wohl in der gebirgigen Umgebung dieser Ortschaften und wurde in dem schwer zugänglichen Gebiet nicht geborgen. So ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass das Einschlagsloch des großen, fast 300 kg schweren Steines erst drei Wochen nach dem Fall gefunden wurde.

Im Kapitel "Bericht über die Ausgrabung des großen Steines" gibt Haidinger den Bericht des "k. k. Forstcandidat" A. Pukáts wieder:

Erst nach drei Wochen wurde von einem Loche Meldung gemacht, das sich auf einer Wiese, genannt Cserne Mlaki, auf dem Sztusicaer Hotter befand [...] Es ließ sich wohl vermuthen, daß diese Grube durch einen größeren Meteorstein verursacht worden sei. "Von Herrn Waldbereiter ausgesendet," sagt Herr Pukáts, "machte ich mich eines Tages um 3 Uhr Früh auf, um den Stein zu heben. Beim Anlangen auf der Wiese erblickte ich ein etwa 4 Fuß breites und 4 1/2 Fuß tiefes Loch mit aufgeworfenen, umgestülpten Rändern, wie bei einem durch elektrische Funken durchschlagenen Kartenblatte. Rasenstücke lagen bis dreißig Klafter vom Loch entfernt umhergeschleudert. Ohne Zweifel lag dort ein Stein, aber wie tief? Mit nur sehr wenig Werkzeugen suchte ich zuerst durch Einschlagen eines Pflockes die Tiefe zu ergründen. Nach dem ersten Einschlag ließ ich um den Pflock herum die Erde weggraben und denselben sodann tiefer einschlagen, was auch in dem zerbröckelten Karpathen-Sandsteingebilde nicht schwer war. Aber immr noch kein fester Grund. Ein solcher wurde erst erreicht, als ich den Pflock in Richtung [Südwesten] einschlagen ließ. Erst jetzt stießen wir auf etwas festes, aber ein abgebrochenes Stück, welches ich für einen Theil des ganzen ansprach, und daher weiter graben ließ, bis wir den großen Stein gefunden hatten. Es lag über 11 Fuß tief in dem Boden, und war in zwei Theile zerspalten. Da jeder Theil mehr als dritthalb Centner wiegt, so gelang es nur mit großer Anstrengung und mit eingelegten Treppenvorrichtungen, da nur Ein Mann mit voller Gewalt angreifen konnte", und endlich Herr Pukáts selbst Hand anlegte "dieselben herauszuwälzen. Der Grund, auf dem der Stein lag, war steinhart zusammengedrückt."

:hut:
Herbert
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