Autor Thema: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten  (Gelesen 7259 mal)

Offline gallpa-meteorite

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Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« am: Oktober 31, 2012, 18:49:46 Nachmittag »
 :hut:

Ich habe damit ein Problem denn einerseits finde ich es toll wie so eine Kruste wiederhergestellt werden kann aber bleibe trotzdem ein Gegner dieser Methode.
Alle alten Funde in den Sammlungen werden so entwertet weil nun diese behandelten Stücke optisch perfekter erscheinen.
Das alles gab es damals schon einmal beim Gao (schwarzer Gao) und hat sich meiner Meinung nach glücklicherweise nicht durchgesetzt.
Solange ehrliche Händler darauf hinweisen das dieses Stück behandelt wurde habe ich damit kein Problem aber ich sehe die Problematik das sich der Markt vermischt und es später nur noch auf die Optik der Kruste ankommt welchen Wert oder Verkaufspreis der Meteorit erzielt.
 :fingerzeig: Ich bin gegen jegliche Behandlung außer der der Erhaltung dienlichen Methode denn diese einmaligen Stücke sollten so erhalten bleiben wie sie gefunden wurden.So regelte sich auch der Wert über all die Jahre in vielen Sammlungen.
Es wäre interessant die Meinungen dazu von den Forenmitgliedern zu erfahren  :winke:
Norbert  Pawlik

Offline ben.g

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #1 am: Oktober 31, 2012, 18:56:16 Nachmittag »
Ich bin gegen jegliche Behandlung außer der der Erhaltung dienlichen Methode denn diese einmaligen Stücke sollten so erhalten bleiben wie sie gefunden wurden.

Sehe ich genauso.
Und bei den der Erhaltung dienenden Methoden beschränke ich mich einzig auf den Feuchtigkeitsentzug.
So Sachen wie Lackversiegelung mag ich auch nicht.

Gruß
Ben

Offline gsac

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #2 am: Oktober 31, 2012, 18:59:58 Nachmittag »
100% Eurer Meinung, Norbert und Ben!

PS: ich weiß, es ist Geschmackssache, aber mir erscheint
sowohl bei Eisen als auch bei Steinen ein unverändertes
Äusseres, außer einer Grobreinigung von anhaftendem
losem Schmutz aus der Fundsituation heraus natürlich,
subjektiv viel schöner, weil halt auch originärer, als jegliche
Veränderung! (Geht mir im übrigen bei den Menschen genau
so, die älter werden und Narben/Falten etc. kriegen und
dazu stehen sollten, statt sich liften und [nur scheinbar]
"verschönern" zu lassen).

Ausserdem sehe ich da eine gewisse VERANTWORTUNG
den Meteoriten gegenüber, sie so zu belassen wie sie nun
mal in sehr viel längeren Zeiträumen als den menschlichen
von der Natur gestaltet worden sind. Also vor allem auch ein
ethisches Thema, aus kuratorischer Sicht! Was würde denn aus
unseren Meteoriten werden, wenn jede Sammlergeneration sie
nach ihrem gerade geltenden Schönheitsideal umgestalten und
an die nächste Generation weiterreichen würde, auf lange Sicht??

Alex
 
« Letzte Änderung: Oktober 31, 2012, 19:28:48 Nachmittag von gsac »

Offline MetGold

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #3 am: Oktober 31, 2012, 19:01:48 Nachmittag »
Hallo,

ich bin der gleichen Meinung wie ihr, allerdings sehen wir das wohl aus reiner Sammlersicht.

Habe hier z.B. 2 Exemplare, weiß nicht ob sich da viele für den unbehandelten Sikhote entscheiden würden?  :nixweiss:


 :winken:   MetGold
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Offline gallpa-meteorite

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #4 am: Oktober 31, 2012, 19:09:40 Nachmittag »
 :super:
gerade die samtartige Oberfläche dieser damals unbehandelten Sikote Alin ist einmalig und heute wird versucht diese zu imitieren......traurig :winke:
Norbert  Pawlik

Offline gsac

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #5 am: Oktober 31, 2012, 19:13:09 Nachmittag »
Habe hier z.B. 2 Exemplare, weiß nicht ob sich da viele für den
unbehandelten Sikhote entscheiden würden?  :nixweiss:

Für mich beantwortet: sofort pro unbehandelt, Peter, SOFORT!!

Plagioklas

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #6 am: Oktober 31, 2012, 19:21:13 Nachmittag »
Ich würde auch lieber natürliche Exemplare kaufen.

Offline DCOM

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #7 am: Oktober 31, 2012, 20:17:21 Nachmittag »
:hut:

Ich habe damit ein Problem denn einerseits finde ich es toll wie so eine Kruste wiederhergestellt werden kann aber bleibe trotzdem ein Gegner dieser Methode.
Alle alten Funde in den Sammlungen werden so entwertet weil nun diese behandelten Stücke optisch perfekter erscheinen.
Das alles gab es damals schon einmal beim Gao (schwarzer Gao) und hat sich meiner Meinung nach glücklicherweise nicht durchgesetzt.
Solange ehrliche Händler darauf hinweisen das dieses Stück behandelt wurde habe ich damit kein Problem aber ich sehe die Problematik das sich der Markt vermischt und es später nur noch auf die Optik der Kruste ankommt welchen Wert oder Verkaufspreis der Meteorit erzielt.
 :fingerzeig: Ich bin gegen jegliche Behandlung außer der der Erhaltung dienlichen Methode denn diese einmaligen Stücke sollten so erhalten bleiben wie sie gefunden wurden.So regelte sich auch der Wert über all die Jahre in vielen Sammlungen.
Es wäre interessant die Meinungen dazu von den Forenmitgliedern zu erfahren  :winke:

Grundsätzlich ziehe ich Meteoriten mit originärem Fundstatus den gereinigten und brünierten Exemplaren vor. Aber was soll man machen - es ist halt leider so, dass in etlichen Fällen heute kaum noch unbehandelte Individuals aufzutreiben sind, wie bei Sikhote beispielsweise. Meiner ist deshalb auch brüniert, und ich habe viel Geld dafür bezahlt (ein vergleichbares, ungereinigtes Individual wäre vermutlich noch teurer gewesen...).


Offline herbraab

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #8 am: Oktober 31, 2012, 20:46:59 Nachmittag »
diese einmaligen Stücke sollten so erhalten bleiben wie sie gefunden wurden.

Volle Zustimmung. Ich hab' sie auch am liebsten so, wie sie runterkommen - am besten unbehandelt und ungeschnitten. :lechz:

:hut:
Herbert
"Daß das Eisen vom Himmel gefallen sein soll, möge der der Naturgeschichte Unkundige glauben, [...] aber in unseren Zeiten wäre es unverzeihlich, solche Märchen auch nur wahrscheinlich zu finden." (Abbé Andreas Xaverius Stütz, 1794)

Offline Greg

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #9 am: Oktober 31, 2012, 21:15:40 Nachmittag »
Hallo,

neben der persönlichen Sammlungsphilosophie (ich mag auch lieber ungesäubert) stellt sich mir die Frage nach einer Definition, was genau mit Reinigung oder chemischer Aufbereitung gemeint ist? Welche Prozesse gibt es?

Viele Gao-Guenie werden beispielsweise mit Rostlöser behandelt und anschließend wird mit einer Bürste die Oberflächepatina gelöst. Dies ist noch recht einfach zu erkennen, da viele als "uncleaned" bezeichnete Stücke gehandelt werden und man einen Vergleich hat.

Diese Art der Reinigung ist nun aber eine andere, als einen Stein "nur" im Alkoholbad zu reinigen.

Ich behaupte, dass man es oft gar nicht erkennt, ob sich ein Stück im Fundzustand befindet oder etwas oder etwas stärker gesäubert wurde.

Rob L. und ich haben neulich per Mail über dieses Thema diskutiert. Dabei fiel uns auf, dass wir zum einen die Prozesse gar nicht alle kennen und verschiedene Vorstellungen hatten, wenn wir vom "Säubern" bzw. "Cleaning" sprachen.
Nach einem Brainstorming wählten wir einen Beschreibungsansatz in Form einer Liste, um das doch sehr komlexe Thema besser benennen zu können.

Ich kann dieses Schema hier mal vorstellen. Wie gesagt, es geht nicht um die Sammlungsphilosophie, sondern darum, zu beschreiben, was möglicherweise mit einem Meteoriten geschehen ist.
Sie ist ein Versuch einer Definition und kann sicherlich noch weiter ergänzt werden. Es wäre schön, wenn hierzu Meinungen und Ergänzungen überlegt werden könnten.


1. Einfache Reinigung (grob oder fein) / Simple Cleaning (coarse or fine)
Grob: z.B. am Fundort mit weicher Bürste den losen Dreck/Erdanhaftungen entfernen. Stein grob mit Tuch abreiben.
Fein: Die Reinigung ordentlicher erledigen; feinere Bürste, Wattestäbchen; unter Lupe auch schwer zugängliche Stellen abputzen; Ultraschallbad; mit Alkohol abspülen; Stein mit Tuch abreiben.
>> Der Meteorit wird sauber, aber Caliche und Rostblumen bleiben erhalten.

2. Massive Reinigung / Massive Cleaning
- Behandlung der Stücke mit spezieller Lösung / Rostentferner / Säure (z.B. Phosphorsäure mit anschließender Neutralisierung durch Natriumhydroxid und Auftragen von Wax, um eventuell hell gewordene Schmelzkruste wieder zu schwärzen).
- Wegschleifen von Rostblüten, Limonitpatina und Caliche (z.B. mit Eisenbürste, Handschleifgerät, Dremel, Fräser, Sandstrahler).
>> Die Strukturen (Schmelzkruste, Kristalle Bruchflächen) bleiben grundsätzlich erhalten. Änderungen der Farbe und der Oberflächenrauhigkeit möglich.

3. Heftige Oberflächenveränderung / Violently Surface Modification
>> Hier wird die Oberfläche der Schmelzkruste oder Steines bzw. Eisen selber angegriffen und verändert.
Zum Beispiel könnte eine kristalline Bruchfläche, die mit Caliche bedeckt ist, oberflächennah mechanisch abgetragen werden, so dass neue Kristallbruchflächen entstehen. Oder dicke Shale Schichten bei verwitterten Eisenmeteoriten werden abgeschlagen. Auch eine missglückte massive Reinigung kann zu heftigen Oberflächenveränderungen führen.

Grüße  :hut:
Greg

Offline karmaka

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    • karmaka
Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #10 am: Oktober 31, 2012, 21:17:08 Nachmittag »
Auch von mir volle Zustimmung!

Ich muss bei diesen Fragen immer an die japanische Sichtweise auf Schönheit denken.

Der japanische Schriftsteller Tanizaki schrieb z.B. 1933 in seinem Essay "Lob des Schattens – Entwurf einer japanischen Ästhetik" über Sabi, die 'Patina':

Zitat
"We do not dislike everything that shines, but we do prefer a pensive lustre to a shallow brilliance, a murky light that, whether in a stone or an artifact, bespeaks a sheen of antiquity. . . . We love things that bear the marks of grime, soot, and weather, and we love the colors and the sheen that call to mind the past that made them." (Tanizaki, 11–12)
Quelle: http://plato.stanford.edu/entries/japanese-aesthetics/

 Richard R. Powells Worte hierzu passen auch recht gut:

Zitat
"Beschränke alles auf das Wesentliche, aber entferne nicht die Poesie. Halte die Dinge sauber und unbelastet, aber lasse sie nicht steril werden."
Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Wabi-Sabi

Martin

Offline Andyr

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #11 am: Oktober 31, 2012, 21:57:33 Nachmittag »
Hallo zusammen,

in diesem Zusammenhang sei noch die Behandlung mit Ammoniumchlorid-Rauch zu erwähnen, mit der man bei einigen Allende-Individuals die Fließstrukturen besser sichtbar machte. (Siehe: Roy Clarke Jr. et al.: The Allende, Mexico, Meteorite Shower, 1970)

Grüße

AndyR :winke:

Offline Rob L

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #12 am: Oktober 31, 2012, 22:02:07 Nachmittag »
Ich bin gegen jegliche Behandlung außer der der Erhaltung dienlichen Methode denn diese einmaligen Stücke sollten so erhalten bleiben wie sie gefunden wurden.

Stimme völlig zu!  :super:

Vor viele Jahren habe ich mal Oxalsäure an einen Sikhote Alin, und Phosphorsäure an einen großen (>1kg) verwitterten NWA versucht.
Der NWA liegt jetzt in einem Schrank. Der Rost verschwand, aber die Kruste „benötigte“ Vaseline um sie einigermaßen zeigen zu können.
Vor allem: ein nicht natürliches Aussehen.
Ich weiß nicht was ich mit das arme Stück soll. Nicht verkäuflich, und nichts für die Sammlung.

NIE WIEDER!!!  :neenee: :fingerzeig:

Ich mache aber eine Ausnahme für „Galvanic cleaning“ (Entsalzung) von verwitterte Funde.
Für mich ist das kein „Säubern“ wie gemeint in Greg’s Bericht.
Es ändert das Aussehen nicht und verursacht nicht mehr Schaden als die Natur auf der Erde schon angerichtet hat.

Gruß,
Rob

Offline Thin Section

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #13 am: Oktober 31, 2012, 22:17:56 Nachmittag »
in diesem Zusammenhang sei noch die Behandlung mit Ammoniumchlorid-Rauch zu erwähnen, ...

Die Glücklichen unter uns, die die Buchwald Trilogie besitzen, mögen genau "in diesem Zusammenhang" mal in Band 2 die Seite 641 aufschlagen. Dort findet sich ein Traum  :lechz: von Henbury (3.85 kg, 17 x 10 x 10 cm). Auszug aus der Bildbeschreibung: " ... Smoked with NH4Cl."

Bernd  :winke:
(247553) Berndpauli = 2002 RV234

Das Ärgerlichste in dieser Welt ist, dass die Dummen todsicher und die Intelligenten voller Zweifel sind. (Bertrand Russell, britischer Philosoph und Mathematiker).

Suevit

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Re: Chemische Aufbereitung der Kruste bei Meteoriten
« Antwort #14 am: Oktober 31, 2012, 23:09:50 Nachmittag »
Hallo,

für die Diskussion an sich bin ich nicht qualifiziert. Aber bei dem Ammoniumchlorid wollte ich noch nachhaken: Wie wird das von euch bewertet? Wenn ich das richtig verstehe, wird es bei den Mets ja auch nur als temporäres Kontrastmittel fürs Fotografieren verwendet. Bei Fossilien ist das gang und gäbe, das Pulver wird nach den Aufnahmen einfach abgewischt oder abgewaschen. Eine Beeinträchtigung des Fossils gibt es dabei nicht. Sind Mets in dieser Hinsicht heikler?

Gruß,
Rainer


 

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