Autor Thema: Entstehung von Chondren  (Gelesen 34226 mal)

Offline MarkV

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Entstehung von Chondren
« am: August 27, 2010, 21:56:53 Nachmittag »
Hallo,
ich habe gerade einen interessanten Artikel zur Entstehung der Chondren gelesen. Demnach sind die Chondren nicht in der friedlich vor sich hinrotierenden Staubscheibe durch Schockwellen, Blitze oder sonstige kurzzeitige Erhitzung entstanden, sondern erst nachdem sich bereits Asteroiden gebildet haben. Diese erste Generation von Asteroiden mit über 30km Durchmesser bestand grösstenteils aus flüssigem Magma, erhitzt durch radioaktiven Zerfall. Wenn zwei solcher Asteroiden zusammengestossen sind, bildete sich eine Art Explosionswolke aus flüssigen Tröpfchen. Daraus sind dann durch schnelle Abkühlung die Chondren entstanden.
http://www.topnews.in/asteroidsized-balls-magma-may-have-formed-earth-and-its-rocky-siblings-2191491

Demnach wird für die Chondren ein ganz ähnlicher Entstehungsprozess angenommen wie für die Metall- und Silikatkügelchen in Gujba. Bei Gujba ist nur mehr Metall mit im Spiel gewesen, vielleicht durch einen tieferen Einschlag als bei den Einschlägen, die zur Bildung der gewöhnlichen Chondriten geführt haben? Ich finde diese Theorie recht schlüssig. Allerdings müsste man dann, wenn man wirklich ursprüngliches Material aus dem frühen Sonnensystem haben möchte, eher Achondrite sammeln. Fragt sich, ob von dieser ersten Generation achondritischer Asteroiden welche überlebt haben, ohne bei Einschlägen zu Chondren aufgerieben zu werden. Vielleicht gibt es ja solche Achondrite in unseren Sammlungen?
Wie das Ganze mit den CAIs zusammenpasst, die ja älter sind als die Chondren, sich aber in Chondriten finden, ist mir allerdings noch nicht ganz klar. Irgendwie müssten dann die CAIs von aussen mit in die Explosionswolke eingebacken worden sein.

Grüsse,
Mark

Offline ironsforever

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #1 am: August 27, 2010, 22:09:11 Nachmittag »
Hallo Mark,

da finde ich die verbreitete Theorie schlüssiger, wonach sich die Chondren durch Verklumpung von Staubteilchen bildeten und möglicherweise aufschmolzen durch kosmische Ereignisse (Strahlung, Blitze etc.). Man kann doch ziemlich genau feststellen, wie lange Material im All der kosmischen Strahlung ausgesetzt war. Danach sind Achondriten doch i.d.R. stets jünger als (kohlige) Chondriten, oder nicht? :nixweiss:

Gruß,
Andi :prostbier:

Offline MarkV

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #2 am: August 27, 2010, 22:25:53 Nachmittag »
Hallo Andi,
klar, in der Regel haben sich danach dann neue Asteroiden aus dem chondritischen Material gebildet und sind dann wiederum durch Aufschmelzung zu Achondriten geworden und haben ein deutlich jüngeres Alter. Aber es müsste dann noch achondritische Asteroiden aus der ersten Generation geben. Angrite wäre da vielleicht ein Kandidat?

Die Sache ist, dass man Chondren erst 2 Millionen Jahre nach den CAIs findet. Nach der oben erwähnten Theorie ist es so, dass sich aus der Zeit davor keine Chondren erhalten haben, weil die Radioaktivität in den sich zu dieser Zeit bildenden Asteroiden noch zu hoch war und diese Asteroiden gleich wieder aufgeschmolzen sind. Erst nach 2 Millionen Jahren war die Radioaktivität so weit abgefallen, dass die aus Zusammenstössen gebildeten Chondren in den neu geformten Asteroiden erhalten geblieben sind.

Grüsse,
Mark

Offline ironsforever

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #3 am: August 27, 2010, 22:45:30 Nachmittag »
Zitat
Angrite wäre da vielleicht ein Kandidat?

Hallo Mark,

nun, die sollen ja dem irdischen Basalt ähnlich sein, also vulkanischen Ursprungs. Demnach stammen sie aus einem differenzierten Mutterkörper und nicht aus der Frühzeit des Sonnensystems. Außerdem müsste man  doch viel mehr ursprüngliche Achondrite finden als Chondrite, die ja erst einen weiteren Prozess der Umformung durchmachen mussten. Allein die Masse von Chondriten spricht m.E. gegen die vorgestellte Theorie.

Gruß,
Andi :prostbier:

P.S.: Da lob ich mir die Eisen :einaugeblinzel:

Offline MarkV

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #4 am: August 27, 2010, 23:55:48 Nachmittag »
Außerdem müsste man  doch viel mehr ursprüngliche Achondrite finden als Chondrite, die ja erst einen weiteren Prozess der Umformung durchmachen mussten. Allein die Masse von Chondriten spricht m.E. gegen die vorgestellte Theorie.

Tja, das ist ein gutes Gegenargument. Wenn die Chondren durch Zusammenstösse entstanden sind, dann müssten solche Zusammenstösse in der Frühzeit des Sonnensystems extrem häufig gewesen sein. Soweit ich gelesen habe, nimmt die Theorie an, dass es häufig solche Zusammenstösse gab. Diese erfolgten mit geringer Geschwindigkeit, so dass die Tröpfchenwolke sehr bald wieder in sich zusammengefallen ist. Dann bildete sich ein neuer Asteroid, in den dann wiederum ein Asteroid eingeschlagen ist. Erst nach Generationen von solchen Zusammenstössen war dann die Radioaktivität so weit gefallen, dass der Asteroid nicht mehr verflüssigt wurde und ein Asteroid aus chondritischem Material übriggeblieben ist.

Grüsse,
Mark

Offline ironsforever

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #5 am: August 28, 2010, 00:24:07 Vormittag »
Zitat
Soweit ich gelesen habe, nimmt die Theorie an, dass es häufig solche Zusammenstösse gab. Diese erfolgten mit geringer Geschwindigkeit, so dass die Tröpfchenwolke sehr bald wieder in sich zusammengefallen ist. Dann bildete sich ein neuer Asteroid, in den dann wiederum ein Asteroid eingeschlagen ist. Erst nach Generationen von solchen Zusammenstössen war dann die Radioaktivität so weit gefallen, dass der Asteroid nicht mehr verflüssigt wurde und ein Asteroid aus chondritischem Material übriggeblieben ist.

Hallo Mark,

wenn man sich vor Augen hält, dass das gesamte Sonnensystem mit all der vorhandenen Materie erst von Gas und Staub und schließlich von vielen kleinen Asteroiden bevölkert war, ist es nachvollziehbar, dass Zusammenstöße - relativ gesehen - häufiger statt fanden als heute. Gleichwohl ist doch die vorhandene Materie im Sonnensystem im Vergleich zu dessen Volumen äußerst rar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich annähernd die gesamte Materie durch mehrfache Kollisionen im All bzw. mehrfacher Bildung und Zerstörung von Asteroiden in Chondrite verwandeln konnte. Zusammenstöße und ständige Neubildung von Asteroiden erscheinen mir in Anbetracht der gähnenden Leere im All ziemlich unwahrscheinlich, von "Generationen solcher Zusammenstöße" will ich garnicht erst reden. Unterstellt die vorgestellte Theorie ist zutreffend, müsste m.E. trotzdem mehr von der "achondritischen Ursuppe" vorhanden sein.

Gruß,
Andi :prostbier:

Offline MarkV

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #6 am: August 28, 2010, 01:02:43 Vormittag »
Gleichwohl ist doch die vorhandene Materie im Sonnensystem im Vergleich zu dessen Volumen äußerst rar. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich annähernd die gesamte Materie durch mehrfache Kollisionen im All bzw. mehrfacher Bildung und Zerstörung von Asteroiden in Chondrite verwandeln konnte. Zusammenstöße und ständige Neubildung von Asteroiden erscheinen mir in Anbetracht der gähnenden Leere im All ziemlich unwahrscheinlich, von "Generationen solcher Zusammenstöße" will ich garnicht erst reden.

Damals sah das Sonnensystem ja noch ganz anders aus als heute. Die allermeisten dieser Planetesimale haben entweder zur Bildung der Planeten beigetragen oder sind inzwischen in Richtung Oortsche Wolke verschwunden. Es muss damals viel mehr Irrläufer gegeben haben als man sich heute überhaupt vorstellen kann. Irgendwo hab ich mal gelesen, dass gerade kleinere Körper schon nach wenigen Millionen Jahren aus dem Sonnensystem herausbefördert werden. Die Meteorite, die wir heute finden, sind auch erst vor relativ kurzer Zeit von ihrem Mutterkörper losgeschlagen worden. Alles was länger kreist und nicht besonders gross ist, wird herausbefördert. Ich müsste nachschauen, wie gross so die höchsten Cosmic-Ray-Exposure-Raten bei Meteoriten sind. Ich glaub das sind kaum mal mehr als 100 Mio Jahre. Von daher dürfte inzwischen nur noch ein Bruchteil von dem ursprünglich vorhandenen Material vorhanden sein.

Grüsse,
Mark

Offline MarkV

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #7 am: August 28, 2010, 13:01:11 Nachmittag »
Hallo,
es ist auch möglich, dass Chondren im Sonnensystem ein eher seltenes Phänomen sind. Die meisten Asteroiden sind ja C-Klasse Asteroiden, die vermutlich aus CI oder CM Material bestehen, also keine oder nur wenig Chondren haben. Das chondrenlose CI-Material ist vor allem deshalb bei den Meteoriten so selten, weil diese Meteorite den Flug durch die Atmosphäre nicht überstehen. H,L und LL Chondrite sind viel fester und gelangen besser zur Erde. Die Meteorite in unseren Sammlungen spiegeln daher überhaupt nicht die Häufigkeitsverteilung der Materialien im Sonnensystem wider.  Bei den gewöhnlichen Chondriten wird darüber hinaus von vielen angenommen, dass sie nur von sehr wenigen Mutterkörpern stammen. Es kann sein, dass alle H-Chondrite von einem einzigen Asteroiden stammen. Durch Resonanzen gelangt das Material der H,L und LL Mutterkörper besonders gut zur Erde. Dadurch ergibt sich ein verzerrtes Bild. In Chondriten sind machmal Einschlüsse von anderem Material enthalten. Die meisten dieser Clasts sind aus kohligem Material und ohne Chondren, was auch dafür spricht, dass Chondren im Sonnensystem eher selten sind.
Siehe: http://iopscience.iop.org/0004-637X/498/2/773/pdf/0004-637X_498_2_773.pdf

Grüsse,
Mark

Offline Haschr Aswad

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #8 am: August 28, 2010, 13:07:22 Nachmittag »
Für einen Teil der Chondren der L5-Chondrite Mt. Tazerzait und Baszkówka wird eine solche Entstehung innerhalb einer heißen Ejecta-Wolke in Folge einer Kollison angenommen. Die Aggregation erfolgte aus dieser "pyroklastischen" Wolke auf einem der beiden bei der Kollision beteiligten Körper. Vgl. auch (insbesondere die beiden Pilski-Papiere):

Dybczynski, R. et al.: A study on chemical composition of Baszkówka and Mt. Tazerzait chondrites. In: Geological Quarterly, 45 (3), 2001

Friedrich, J.M. et al.: Pore Size Distribution In An Uncompacted Equilibrated Ordinary Chondrite. In: Planetary and Space Science, vol. 56, Issue 7, 2008

Manecki, A. et al.: Effects Of Extraterrestrial Hydrothermal Processes In Chondrites. In: POLSKIE TOWARZYSTWO MINERALOGICZNE – PRACE SPECJALNE MINERALOGICAL SOCIETY OF POLAND – SPECIAL PAPERS, vol. 22, 2003

Pilski, A.S. et al.: Baszkowka, Mt. Tazerzait, and Tjerebon - Chips Off the Same Block? In: Meteorite, Vol. 4, p. 12-15, 1998

Pilski, A.S. et al.: Comparative analysis of the Baszkówka and Mt.Tazerzait chondrites: genetic conclusions based on astrophysical data and the mineralogical and petrological data. In: Geological Quarterly, 45 (3), 2001

Przylibski, T.A. et al.: Petrology of The Baszkówka L5 Chondrite, In: MAPS 38, Nr. 6, 2003

Sasso, M.R. et al.: Physical Properties Of Incompletely Compacted Equilibrated Ordinary Chondrites. In: 40th Lunar and Planetary Science Conference, 2009

Wlotzka F. et al.: Euhedral Crystals In Interstitial Pores Of The Baszkówka And Mt. Tazerzait L5 Chondrites. In: Geological Quarterly, 45 (3), 2001

Offline Mettmann

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #9 am: August 28, 2010, 17:06:01 Nachmittag »
Zitat
Die Meteorite in unseren Sammlungen spiegeln daher überhaupt nicht die Häufigkeitsverteilung der Materialien im Sonnensystem wider.

Ja das sowieso nicht.
Die Gesamtmasse des Asteroidenhauptgürtels macht ja nur einen kleinen Teil der Erdmasse aus.
Is ja eher die Resteecke des Sonnensystems.

(Kuipergürtel liest man unterschiedliche Zahlen, von einem Zehntel bis Halber Erdmasse,
nu und was mit der Oortschen Wolke abgeht jwd., da hat man ja noch nichma einen direkten Nachweis)

Ein typischstes (gibts diesen Superlativ überhaupt?) Pröblein des Planetensystems wär wohl von der Massenverteilung her, ein Riechfläschlein mit Jupitergas.
(Der soll ja ziemlich stinken, wegen des Ammoniaks).

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Mettmann
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Offline MarkV

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #10 am: August 28, 2010, 18:25:46 Nachmittag »
P.S.: Da lob ich mir die Eisen :einaugeblinzel:

Genau, denn das sind die Reste dieser Planetesimale, die entstanden sind, noch bevor sich die Mutterkörper der Chondriten gebildet haben:

Zitat
Iron meteorites provide insights into the earliest stages of accretion in the solar system as they come from bodies that formed and differentiated before the parent bodies of the chondrites had formed. We know this from Hf-W isotopic data: the parent isotope, 182Hf, which decays with a half-life of 9 Myr, prefers silicate to metallic iron whereas the reverse is true for the daughter isotope 182W. Since the proportion of 182W relative to other tungsten isotopes is indistinguishable in most irons from the initial isotopic ratio in calcium-aluminum-rich inclusions (CAIs), which were the first objects to form in the solar system, molten metal in their parent bodies must have separated from silicate almost immediately after CAIs formed. Allowing for errors in the measurements, we can infer that molten metal cores formed in most parent bodies within 1.5 Myr of CAI formation. Radiometric ages for chondrules, however, show that chondrites come from bodies that accreted 1-4 Myr after CAIs formed. Formation of molten metal cores before chondrites accreted is entirely consistent with the work of Phonsie Hevey and Ian Sanders (Trinity College, Dublin, Ireland) and Henning Haack (Geological Museum, Copenhagen) who modeled how planetesimals would have melted due to heat from the decay of the short-lived isotope 26Al, which has a half-life of 0.72 Myr. Bodies >20 km across that accreted within 1.5 Myr of CAI formation would have melted. So the IVA results show that protoplanets 1000 km or more across formed within 1.5 Myr of solar system formation, as dynamicists suspected, and that debris from these bodies survived as asteroids.
Quelle: http://www.psrd.hawaii.edu/April07/irons.html

Und die Pallasite, jedenfalls einige von ihnen, sollen sich auch nicht an der Kern-Mantel-Grenze von differenzierten Asteroiden gebildet haben, sondern ebenfalls durch gewaltige Zusammenstösse von mond- bis marsgrossen Asteroiden entstanden sein:
http://www.psrd.hawaii.edu/June10/pallasites-origin.html

Also irgendwie ist da gerade einiges im Umbruch in der Meteoritenforschung.  Die Computersimulationen zeigen wohl, dass sich schon sehr früh mond- bis marsgrosse  Planetesimale/Protoplaneten gebildet haben. Nach 2 Millionen Jahren, also zu der Zeit, aus der wir die ersten Chondren haben, war die Staubscheibe dann schon ziemlich ausgedünnt. Da nicht mehr so viel Staub vorhanden war, ist es schwer, die Entstehung der Chondren mit der Schockwellentheorie zu erklären.

Grüsse,
Mark

Offline Mettmann

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #11 am: August 28, 2010, 21:51:00 Nachmittag »
Zitat
Also irgendwie ist da gerade einiges im Umbruch in der Meteoritenforschung

Es entwickelt sich eben rasant (nicht zuletzt durch immer neuer Funde).
Jetzt bei diesem neuen Ansatz zur Chondrenbildung speziell, würde ich aber nicht unbedingt von einem Umbruch sprechen,
es ist eben eine weitere Theorie zur Entstehung von Chondren zusätzlich zu einer ganzen Reihe von bereits existierender.
Die Chondrenentstehung ist seit sehr vielen Jahren eine Hauptfragestellung in der Meteoriterei, die noch weit davon entfernt ist,
zufriedenstellend beantwortet werden zu können. Wurden ja auch die letzten Jahre immer wieder neue Artikel dazu veröffentlicht.
Welche Theorie oder welches Model letztlich die Prozesse der Chondrenentstehung am Besten erklärt,
wird sich mit den immer neuen Ergebnissen der Forschung in der Zukunft weisen.

Aber das ist eben auch das so spannende an der Meteoriterei und am Meteoritesammeln,
daß sich immer soviel tut, man fast unmittelbar beteiligt ist, und es sich um die grundlegensten Fragen,
die nah am Ursprung allens und unserer selbst gebaut ham, dreht.
Gell?

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Mettmann
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Offline DCOM

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #12 am: August 28, 2010, 22:31:39 Nachmittag »
Hallo,
ich habe gerade einen interessanten Artikel zur Entstehung der Chondren gelesen. Demnach sind die Chondren nicht in der friedlich vor sich hinrotierenden Staubscheibe durch Schockwellen, Blitze oder sonstige kurzzeitige Erhitzung entstanden, sondern erst nachdem sich bereits Asteroiden gebildet haben. Diese erste Generation von Asteroiden mit über 30km Durchmesser bestand grösstenteils aus flüssigem Magma, erhitzt durch radioaktiven Zerfall. Wenn zwei solcher Asteroiden zusammengestossen sind, bildete sich eine Art Explosionswolke aus flüssigen Tröpfchen. Daraus sind dann durch schnelle Abkühlung die Chondren entstanden.
http://www.topnews.in/asteroidsized-balls-magma-may-have-formed-earth-and-its-rocky-siblings-2191491

Demnach wird für die Chondren ein ganz ähnlicher Entstehungsprozess angenommen wie für die Metall- und Silikatkügelchen in Gujba. Bei Gujba ist nur mehr Metall mit im Spiel gewesen, vielleicht durch einen tieferen Einschlag als bei den Einschlägen, die zur Bildung der gewöhnlichen Chondriten geführt haben? Ich finde diese Theorie recht schlüssig. Allerdings müsste man dann, wenn man wirklich ursprüngliches Material aus dem frühen Sonnensystem haben möchte, eher Achondrite sammeln. Fragt sich, ob von dieser ersten Generation achondritischer Asteroiden welche überlebt haben, ohne bei Einschlägen zu Chondren aufgerieben zu werden. Vielleicht gibt es ja solche Achondrite in unseren Sammlungen?
Wie das Ganze mit den CAIs zusammenpasst, die ja älter sind als die Chondren, sich aber in Chondriten finden, ist mir allerdings noch nicht ganz klar. Irgendwie müssten dann die CAIs von aussen mit in die Explosionswolke eingebacken worden sein.

Grüsse,
Mark


Hi Mark,

ich halte diese Theore für sehr plausibel, denn es wird ja allgemein davon ausgegangen, dass protoplanetare Materie innerhalb von Minuten auf bis zu 2000°C erhitzt und innerhalb von Stunden wieder abgekühlt sein muss. Die Schockwellen und Blitze, die dafür postuliert wurden, erschienen mir schon immer suspekt. Nicht nur, dass die Ursache dafür unbekannt ist, es erklärt sich m.E. daraus auch nicht schlüssig das rasche Erhitzen und Abkühlen, die Kleinheit der Silikatkügelchen und die rasche Segregation von Eisenschmelze und Silikatmatrix in der Frühphase der Akkretion.

Ich nehme daher an, dass Asteroiden mit einer Größe zwischen 10 km und mehreren 100 km während der ersten Millionen Jahre extrem häufig miteinander kollidierten. (Das "Late Heavy Bombardement" der Erde hielt sogar bis vor 3,8 Mrd. Jahren an und führte zu extremen Hitzeperioden, an die sich wiederum Kälteperioden anschlossen). In den hierbei entstehenden Magmschmelzen und den aus dem Asteroiden herausgeschleuderten Magmatröpfchen erscheint mir eine Separation von Eisen- und Silikatphase sowie die Chondrenbildung problemlos möglich.

Es ist auch sehr unwahrscheinlich dass die "erste Generation" achondritischer Asteroiden überlebt hat. Kleinere Asteroiden wurden entweder aufgrund ihrer stark exzentrischen Bahnen aus dem Sonnensystem hinaus katapultiert oder aber von größeren Planetesimalen eingefangen und kollidierten erneut.

Grüße, D.U.  :prostbier:
« Letzte Änderung: August 28, 2010, 22:46:58 Nachmittag von darwin upheaval »

Offline Alex08

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #13 am: August 29, 2010, 12:39:23 Nachmittag »
Hallo zusammen,  :hut:

also bei solchen Dingen verliere ich leicht den Faden.  :gruebel:

Meine Frage an Euch, ist das was Prof. H. Lesch hier erklärt noch aktuell oder überholt?

http://www.br-online.de/br-alpha/alpha-centauri/alpha-centauri-chondrulen-2006-ID1208177782213.xml

Alex08

Offline MarkV

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Re: Entstehung von Chondren
« Antwort #14 am: August 29, 2010, 13:06:33 Nachmittag »
Hallo Alex,
was Lesch da erklärt ist die Schockwellen-Theorie. Das ist wohl zur Zeit schon noch die am weitesten verbreitete Theorie. Die Einschlags-Theorie hat aber auch viele namenhafte Anhänger. Von daher ist der Streit alles andere als entschieden und die Sache ist nicht so eindeutig wie von Lesch dargestellt.

Bei der Einschlags-Theorie gibt es auch einige Kritikpunkte.

Warum bildeten sich Chondren nur in der Zeit von 1.5-4 Millionen Jahre nach der CAI-Bildung, wo es doch im Sonnesystem auch danach noch zahlreiche Zusammenstösse von Asteroiden gegeben hat?

Warum findet man innerhalb von einem Meteoriten manchmal Chondren verschiedenen Alters?

Wie kommen die CAIs in die Chondrite?

Den Ansatz der oben erwähnten Theorie, die beschränkte Zeitspanne der Chondrenentstehung mit dem Zerfall des Aluminium-Isotops 26 in Zusammenhang zu setzen, finde ich ganz interessant. Die postulierten Magma-Bälle gab es nur in den ersten Millionen Jahren des Sonnensystems, danach waren zumindest die kleineren Asteroiden nicht mehr flüssig. Es müsste dann einen Zusammenhang mit dem Aussehen der Chondren und dem Entstehungsalter geben, da die Magmabälle um so kühler waren, je weiter die Zeit fortgeschritten ist. Und sowas beobachtet man ja meiner Meinung nach auch in den Meteoriten. Es gibt die relativ jungen Chondren der L,LL,H und kohligen Chondrite, mit etwa 1.5-3 Millionen Jahren nach der CAI-Bildung und dann doch deutlich anders anssehende Chondren der CR2-Meteoriten, die erst nach etwa 4 Millionen Jahren entstanden sind und dann nochmals ganz anders aussehende Chondren von den CB-Chondriten, die nach etwa 5 Millionen Jahren entstanden sind. Danach ist dann keine Chondre mehr bei einem Einschlag entstanden, da es keine kleinen flüssigen Asteroiden mehr gab. Aus  den grösseren Asteroiden mit flüssigem Kern bildeten sich dann bei Zusammenstössen immer nur noch Achondrite und die kleineren, inzwischen festen Asteroiden, führten beim Einschlag nur noch zur Bildung von Brekzien.

Hier ist auch ein interessanter Artikel, in dem die neuen Erkenntnisse der Meteoritenforschung angesprochen werden. Insbesondere die Stardust-Mission hat hier einige überraschende Ergebnisse gebracht. Jedenfalls scheint die Ansicht überholt zu sein, dass sich Achondrite und Eisenmeteorite immer erst später aus chondritischem Material entwickelt haben:
http://www.geokommission.de/5.2_Kondensation_Akkretion_und_Differentiation_im_solaren_Nebel.html

Auf jeden Fall aufregende Zeiten.

Grüsse,
Mark
« Letzte Änderung: August 29, 2010, 14:07:33 Nachmittag von MarkV »

 

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